Das Schloss Dürande

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Änderung des Endes von Joseph von Eichendorffs "Das Schloss Dürande"
Beginnt S.33, Z.18 ("...unermüdlich den Grafen auf") [Hamburger Lesehefte]
Ich empfehle, vorher das Buch oder eine Zusammenfassung gelesen zu haben.

Renald stürmte durch das Schloss, triefend und keuchend, in seinem Blick pure Mordlust. Hektisch durchstreifte er Zimmer um Zimmer, unterdrückte sein Hecheln nach Luft um kein verräterisches Geräusch zu verpassen. Seine Augen lechzten nach einem Zipfel reinweißen Stoffes, nach dem zarten Flaum einer Feder. Immer verzweifelter und wütender stieß er ebenhölzerne Tische um, riss fein bemaltes Porzellan aus den grazil geformten Schränken – das kreischende Klirren irrte durch die leeren Hallen und wurde vom zischenden Wind niedergerungen, der sich durch die kahlen Fenstergerippe zwängte.

Plötzlich hielt Renald inne und strich sich die schweißnassen Haare von der Stirn; wie benommen betrachtete er das wühlende Chaos um sich herum, lauschte dem gedämpften Geschrei auf dem Hofe und dem vorsichtigen Dribbeln der Regentropfen auf dem glänzenden Parkett. Ein Knirschen entfuhr den Scherben, als sie von schlammverkrusteten Lederstiefeln zerdrückt wurden. Ihr Träger betrachtete einen schief hängenden Bilderrahmen, der sich mit letzter Kraft an dem verbogenen Nagel in der Wand zu halten schien. Behutsam genähte Jagdhandschuhe strichen langsam über die zerfetzten Leinenstücke, die, wieder an ihrem Platz, das Gemälde eines jungen Mannes offenbarten. Renald musterte das schmale Lächeln, was sich verstohlen auf dessen Lippen geschlichen hatte und erwiderte den stechenden Blick des Portraitierten.

Auf einmal erscholl dumpfes Poltern einige Räume weiter und seine zuckende Hand riss das Bildnis herunter. Er hielt den Atem an und lauschte angestrengt nach weiteren verräterischen Geräuschen – dabei unverwandt auf das wohlgeformte Gesicht des Grafen starrend. Ein schleifendes Scharren von schweren Stiefeln brachte Bewegung in seinen Körper. Der Zorn langsam durch seine Adern schleichend, biss Renald die Zähne zusammen und zermalmte die ausgefransten Bildfetzen mit seinen Füßen. Geduckt und auf leisen Sohlen schlich er wachsam über den rutschigen Boden, die Hand drohend über seinem Jagdmesser schwebend. Das Gewehr seines Vaters war im Gefecht verloren gegangen und grollend schwor er sich, es nach dem Kampf zurückzuholen.

Geduckt suchte er notdürftige Deckung hinter Stühlen und Schränken, prüfte instinktiv die Richtung des Windes, sodass sein Geruch ihn nicht verraten konnte. Dann endlich: ein weißer Mantel. Der edle Stoff reflektierte den kümmerlichen Schein des Mondes und glänzte, nass vom tobenden Gewitter. Ein klägliches Zittern durchfuhr den gekrümmten Körper, der sich in der Mitte des Raumes auf einen Schminktisch stützte.

Für einen Augenblick durchfuhr Renald ein mattes Zögern, schnell jedoch wurde dieses von seinem zügellosen Verlangen nach Rache überrollt. Langsam zog er den Dolch aus dem Riemen, sorgsam bedacht das Lichtspiel des Metalls unbemerkt zu lassen. Ein letztes Mal galt sein kalter Blick der polierten Klinge und seiner Spiegelung darin: wild, wütend... wahnsinnig. Er riss sich los und widmete alle Aufmerksamkeit seinem Ziel – er war zu weit gekommen um jetzt aufzuhören. Die Stille wurde allein unterbrochen vom leisen Prasseln des Regens gegen die Fenster und dem unterdrückten Atem des gehetzten Wild.

Zeitgleich mit einem explosionsartigen Blitz sprang Renald aus seiner Deckung hervor, jagte durch den Saal und rammte den bewaffneten Arm nach unten. Mühelos glitt das Metall durch Stoff und Fleisch, drang ein bis zum Schaft und tauchte den reinen Stoff in ein pulsierendes Rot. Ein schriller Schrei klang durch den Raum und Renalds warmes Gefühl von Zufriedenheit wich eiskaltem Entsetzen – wie oft doch hatte er diese zarte Stimme ein heiteres Lied trällern hören!

Seine Schwester sackte zusammen und er konnte ihren Fall nur mühevoll bremsen, bettete sie so gut es ging auf den kalten Boden. In Panik versetzt zog er das Messer heraus und warf es achtlos von sich, eine Hand fest auf die Wunde gedrückt, die andere das Gesicht der jungen Frau haltend. Das sonst so lebendige Gesicht glich Marmor, alle Farbe war aus ihr gewichen. Renald war in eine Schockstarre verfallen und konnte nichts tun, während das Leben seiner geliebten Schwester durch seine blutigen Finger rann. Sein Kopf dröhnte, während ihm wieder und wieder das Bild seines Vaters auf dem Todesbett erschien: „Achte gut auf deine Schwester und sieh zu, dass ihr kein Unheil geschieht, schwöre mir das!" So wie er den Schwur das erste Mal vor ihrem Hause zum Splittern brachte, hatte er ihn nun endgültig in abertausende Scherben zerschlagen.

In seinen Gedanken gefangen, bemerkte der Jäger nicht die hektischen Schritte, die sich näherten und sah auch nicht auf, als der junge Graf in den Saal gestürmt kam. „Du Verrückter bringst dein eigen Schwesterlein um, bist du denn des Wahnsinns!?", er hastete zu Gabrieles mattem Körper und wollte ihn Renald verzweifelt entreißen, dieser jedoch hielt sie fest umklammert. „Gabriele, meine Liebste, was hat er dir angetan?", rief der Graf voller Schmerz und schaffte es schließlich, den leblosen Körper dem Bruder abzuringen, der, überrumpelt vom Liebesgeständnis, zurückgewichen war.

Er strich der jungen Frau zitternd über die Wangen und müde öffnete sie die Augen. „So liebt Ihr mich doch?", hauchte sie schwach und der junge Mann nickte eindringlich „Ich war zu blind es zu erkennen, doch nun verlass mich nicht in meinem Moment der Erkenntnis!" Gabriele lächelte zärtlich und schloss die Augen wieder, ihr Atem flacher und flacher. Renald hörte all dies und kochte vor Eifersucht, hatte seine Schwester doch nur für den Grafen die Augen geöffnet und nur für ihn gesprochen. Von seiner Wut geleitet ergriff er erneut das Messer. „Selbst an ihrem Todesbett kirrst du sie noch, hast du denn keine Scham?", hallte es durch den Saal und kurz danach erklang ein weiterer Schrei, der schnell erstarb.

Trunken torkelte Renald durch das Schloss, hinfort bloß hinfort von den Unglücklichen. Er hatte sein Ziel erreicht, seine Aufgabe erfüllt, hatte gerichtet und gestraft – was nun?

[Fortsetzung: S. 36 Z.13]

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 08, 2021 ⏰

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