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Die Tür des Nebenzimmers wurde wieder aufgerissen und Jessie und Louis stürmten herein.

„Sie lebt noch", informierte Luke die beiden trocken. Jessie ignorierte den Kommentar.

„Hau ab!", sagte sie kalt. Scheiße, ich hatte sie noch nie so sprechen hören!

Luke rührte sich kein bisschen.

„Hau ab!", wiederholte Jessie etwas lauter und streckte drohend ihre Hand aus. Nein! Nicht jetzt!

„Jessie!", sagte ich leise und schüttelte fast unmerklich den Kopf. Jessie starrte mich halb wütend, halb ungläubig an.

„Dein Ernst?", fragte sie, ließ ihre Hand aber trotzdem sinken.

„Ja", sagte ich müde. Jetzt war Jessie an der Reihe, langsam den Kopf zu schütteln.

Luke saß weiterhin regungslos da und starrte auf den Boden. Louis ließ ihn nicht aus den Augen, während er sich auf einen zweiten Stuhl in einer Ecke des Zimmers setzte.

Ich sah, wie Jessie unschlüssig zwischen mir, Luke und Louis herschaute. Wahrscheinlich überlegte sie gerade, ob sie sich zu mir setzte, wo jedoch Luke saß oder zu Louis.

Und bei dem überlegte sie, ob er sich nicht absichtlich weit weg von allen gesetzt hatte. Aber nein.

Ich glaubte nicht nur, dass sie es dachte. Ich wusste es. Und es war wie bei Mrs. Smith. Jessie stand stocksteif im Raum.

Sofort wendete ich den Blick ab.

Luke war jetzt wieder hellwach. Er hatte den Kopf gehoben und seine dunkelblauen Augen beobachteten mich aufmerksam. Scheiße.

Louis bekam davon zum Glück nichts mit, da er damit beschäftigt war, Luke zu beobachten.

Gedankenverloren spielte ich mit dem Ring an meiner Hand. Was passierte hier nur? Und über dieser Frage schlief ich schon wieder ein.

Als ich aufwachte, war Louis verschwunden. Dafür waren Lisa und Zoey da.

„Hey!", sagte Zoey fröhlich, die mich als erste bemerkte. Sie behielt aber auch immer und überall diese Fröhlichkeit. Ich lächelte ihr zu.

„Nick hat geantwortet. Ich hab den Termin verschoben", fing sie an. Nick. Ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus.

Luke hob kurz den Kopf und sah mich eindringlich an. Dann ließ er ihn sofort wieder sinken.

„Oh, keine Sorge, der macht nichts", grinste Zoey, als sie meinen Blick bemerkte. Jessie schnaubte.

„Ich hätte liebend gerne deine Gutgläubigkeit!", sagte sie trocken. Ich auch. Aber ich glaubte irgendwie auch nicht, dass er das verraten würde. Das wäre zu durchschaubar. Und Luke war nicht durchschaubar. Wenn er das wäre, hätte er sich schon längst gewehrt. Und mich verraten. Auch bei Mrs. Smith. Und mich nicht hierher gebracht.

Aber vielleicht hatte Louis ja Recht. Vielleicht steckte hinter alldem wirklich nur ein raffinierter Plan. Ein ziemlich raffinierter.

„Oh, komm schon, Jessie. Er hätte doch schon längst irgendetwas gemacht!", sagte jetzt auch Lisa.

„Wollt ihr mich eigentlich heute alle verarschen? Der Typ macht nichts einfach so!", rief Jessie aufgebracht und sah uns alle drei nacheinander ungläubig an, „Zoey und Lisa, ihr wisst überhaupt nicht, was passiert ist!" Oh Scheiße.

„Jessie, bitte!", fing ich flehend an, aber eine Stimme unterbrach mich.

„Sie hat Recht! Ich habe meine Gründe! Und dass ich sie hierher gebracht habe, ändert nichts an der Tatsache, dass sie Wasser ist und ich Feuer!"

Mit diesen Worten ging Luke zur Tür. Lügner. Ich wusste, dass er log.

Ja, es war im Grunde schon die Wahrheit, aber die Zusammenhänge stimmten nicht.

Ich starrte an die Decke.

„Ach ja, Lily. Wenn ich sag „Es tut mir Leid", dann mein ich das auch so!", sagte Luke und schloss die Tür hinter sich. Ich schluckte. Was sollte das denn jetzt wieder heißen?

Es war totenstill im Raum. Alle starrten verwirrt zur Tür. Jessie fing sich als erste wieder.

„Arschloch!", kommentierte sie knapp. Richtig. Ein undurchschaubares Arschloch. Und noch eine ungeklärte Frage mehr.

Wenn ich sag „Es tut mir Leid", dann mein ich das auch so! Toll. Was verdammt nochmal sollte dieser Satz heißen? Je länger ich darüber nachdachte, desto weniger verstand ich es. Verdammte Scheiße! Dieser verfluchte Mistkerl machte mich noch wahnsinnig!

„Worauf hast du es denn eigentlich verschoben?", fragte ich Zoey, um nicht noch länger darüber nachzudenken.

Eine Sekunde sah sie mich verwirrt an, dann antwortete sie: „Auf nächsten Samstag. Ich hab gesagt, du wärst krank geworden, was du im Grunde ja auch bist. Also verrat mich nicht!" Zoey grinste jetzt wieder.

Ich atmete innerlich erleichtert auf. Ich hasste solche vermiesten Stimmungen!

„Hatte ich nicht gesagt, dass immer nur einer hier sein darf?", fragte Mary, die gerade wieder zurückkam, mit einem tadelnden Blick und scheuchte Zoey und Lisa aus dem Raum. Sie lächelte mich an.

„Wie geht's dir?", fragte sie freundlich.

„Besser", antwortete ich dankbar.

„Gut, ich lass euch wieder alleine!"

Mary zwinkerte uns zu und schloss die Tür wieder hinter sich. Ich schloss die Augen.

„Warum, Lily? Was sollte das vorhin?", fragte Jessie sofort vorwurfsvoll. Ich seufzte.

„Ich will einfach keine Auseinandersetzungen, verstehst du? Ich will nicht, dass ihr euch wegen mir streitet! Und Luke ist Feuer... Okay, Louis würde sich auch so mit Luke streiten, aber normalerweise gehen sie sich aus dem Weg!", erklärte ich eindringlich. „Und außerdem brauche ich Antworten", fügte ich seufzend hinzu. Jessie nickte langsam.

„Okay, aber du hasst Luke doch immer noch, oder?", fragte sie grinsend. Warum nicht? Ich nickte lachend.

„Gut." Jessie grinste. 

Und damit war alles wieder in Ordnung. Mit Jessie jedenfalls. Zum Glück.


Frozen Fire (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt