Prolog

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Ein blaues Licht gepaart mit dem entsetzlichen Schrei meiner Mutter durchflutete den kurzzeitig erstrahlten Wald, als der Blitz der Hexe den Körper meines Vaters in der Mitte durchtrennte. Von einem Moment zum anderen war meine Welt zu einem dunklen, düsteren Ort geworden. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, was dieser Tag für den Rest meines Lebens noch bedeuten würde. Ab diesem Zeitpunkt sollte ich lernen, dass ich nie wieder in meinem ganzen Leben auch nur einer einzigen Seele vertrauen können sollte. Das Einzige worauf ich nun achtete war der zugerichtete Körper vor mir, der einst meinem Vater gehörte; vorausgesetzt man konnte diesen noch als Körper bezeichnen. Beinahe wie hypnotisiert betrachtete ich, wie der  ausgetrocknete Waldboden wie ein Schwamm das dunkelrote Blut, welches nur so in bedrohlichen Bahnen aus dem Körper wanderte, in sich aufsog.

Das Weinen meiner Mutter durchzog die Nacht. Sie schien inständig zu reden zu versuchen, aber kein Wort sollte jemals wieder auch nur ihre Lippen verlassen dürfen. Nie wieder sollte sie einen glücklichen Tag erleben dürfen.

Immer noch wie erstarrt beschaute ich die dürre Gestalt vor uns, die vor dem Körper meines Vaters stand und nur so lächelte vor Glückseligkeit. Ihr schien es egal zu sein, wie viele Leben sie so eben zerstört hatte. Und noch weniger schien sie es zu interessieren, dass sie so eben den Vater eines Kindes genommen hatte. Dass sie so eben den Kleber der familiären Vase aufgelöst und somit nur einen Haufen voller Scherben hinterlassen hatte.

Mit bedächtigen Schritten bewegte sich die Hexe langsam auf mich zu. Normalerweise hätte ich sie abgehalten, es zumindest versucht. Versucht meine messerscharfen Worte als Waffe zu verwenden und ihre Zunge damit brutal zu durchschneiden. Aber ich konnte nicht, nichts davon geschah. Stattdessen stand sie nun vor mir; sie zeigte ihr strahlend weißes Gebiss, als sie mich nun etwa dreißig Zentimeter von meinen Fußspitzen entfernt mit ihren dunkelgrünen Augen mit verderblichen Blicken durchlöcherte. Was wollte sie denn noch? Sie hatte mir alles genommen, was sie mir überhaupt nehmen konnte. Ich hatte alles verloren.
Ich merkte etwas Nasses in meinem Gesicht und hob daraufhin Hand. Zitternd bewegte ich meine Finger zu meiner eiskalten Haut und strich mir eine Träne aus dem Gesicht. Ich hatte überhaupt gar nicht mitbekommen, dass ich angefangen hatte zu weinen. Ich weinte nie. Aber nun war der Tag gekommen von dem an ich mich tausende weitere Nächte jeden Tag in den Schlaf weinen sollte.

Die Hexe mir gegenüber sagte eine ganze Zeit lang überhaupt nichts, zumindest nicht mit ihren Lippen; nicht mit verbaler Kommunikation. Ihre grünen Augen sprachen allerdings. Das tiefe Grün schien nach längerem Betrachten in den eigenen zu schmerzen. Ich hatte das Bedürfnis meine Augen zu bedecken, damit ich diese Augen nie wieder sehen müsste. Die Augen, die meinen Vater angesehen haben währenddessen sie ihn töteten. Aber ich wusste genau, selbst wenn ich die Augen schließen würde, der Anblick dieser würden in meinen Kopf gebrannt sein. Es war beinahe so, als hätte der blaue Blitz alle Umstehenden in seinen schrecklichen aber doch gleich so wunderschönen Bann gezogen. Das blaue Licht wirkte so hoffnungsvoll, beinahe entspannend. Wie ironisch es doch war, dass ein solches Höllengerät so schön aussehen konnte.

Plötzlich hörte ich ein dröhnendes Blechern in meinen Kopf. Es war ein solch ohrenbetäubendes Geräusch, dass ich kurz aufschrie und auf den Boden niedersank. Panisch blickte ich herum, um zu sehen wie meine Mutter reagierte. Sie allerdings stand immer noch einfach nur wimmernd an genau der Stelle, an der sie vorher ebenso gestanden hatte. Keine Reaktion.

„Nur du hörst mich, Amara.",
sagte die Stimme in einem hallenden Ton in meinem Kopf, „Sieh mich an. Los, sieh mich an"

Meine warmen Tränen strömten nur so über mein Gesicht. Woher kam diese Stimme? Wie sollte man einen Ton ansehen können, wenn...
Ich spürte einen stechenden Schmerz an meiner Kopfhaut. Jemand hatte brutal meine Haare zurück gerissen und meinen Kopf so nach hinten gezogen, dass ich zwangsweise nach oben blicken musste.
Die Hexe stand beinahe warnend mittlerweile so nah über mir, dass mein Körper ganz kalt wurde. Ihre Nähe bereitete mir Gänsehaut und ich spürte, wie sich meine Haare zu Berge stellten.
Ich musste ihr zwangsweise in die Augen sehen. Mit durchdringenden Blicken schien sie mich beinahe zu fesseln.

„Gutes Mädchen",
zufrieden grinste die Hexe auf. Es war ein dreckiges, höhnisches Lächeln. So selbstgefällig. Wie redete sie ohne ihre Lippen dabei auch nur ansatzweise zu bewegen?
Nun ertönte erneut diese Stimme, welche einem ein solches Unwohlsein bescherte, dass ich das Verlangen verspürte mir die Ohren zu bedecken.
„Du hörst mir jetzt genau zu. Diese Worte wirst du niemals in deinem ganzen Leben vergessen, Kind der Jagger. Und wenn, werde ich dafür sorgen, dass du zumindest die darauf folgende Strafe garantiert niemals vergessen wirst."
Die Hexe oder die Stimme schien nicht zu atmen, was ihren Worten nur noch mehr Eindruck verschaffte. Wie Trommelschläge wirbelten ihre Worte in meinem Kopf herum.

„Wir haben keine Ahnung, ob die Kräfte an dich weiter vererbt worden sind oder nicht. Dein jämmerlicher Vater hat, was das betrifft, schließlich recht gute Arbeit gemacht. Aber falls die Kräfte trotzdem bei dir sind, werden wir es herausfinden und dich so lange jagen, bis du das gleiche Ende wie dein Vater nehmen wirst. Und wenn nötig werden wir auch deine Kinder jagen, deine Enkelkinder; wir werden deine komplette Familie ausrotten, bis auf das letzte verdammte Kind"

Die Worte der Hexe schwebten nur so gelähmt von Schock in meinen Gedanken rum. Ich wagte es nicht mich zu bewegen, geschweige denn zu atmen. Wovon redete diese Hexe? Man sollte sie hinrichten lassen. Das wäre das einzig Richtige, was man diesem Monster antun könnte.
Noch immer zitterte mein ganzer Körper vor Angst und aufkommender Trauer. Ich wollte weinen, mehr weinen. Ich wollte meinen Emotionen freien Lauf lassen. Aber nein... nicht jetzt. Ich dürfte diesem Monster nicht die Genugtuung geben mich schwach zu sehen. Auch wenn ich mich gerade mehr als schwach und hilflos fühlte. Ich hatte meinen Vater verloren und das auf eine Art und Weise, die man niemanden wünschen würde.

„Amara Eloise Jagger.",
sprach die Stimme, gemixt mit einem fast amüsierten Unterton,
Wie fühlt man sich eigentlich für den Tod seines eigenen Vaters verantwortlich zu sein? Du bist ein Monster, Amy"

Du bist ein Monster.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 04, 2022 ⏰

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