Der Klub der armen Schweine

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Der Wecker klingelt. Acht Uhr. Samstag.
Rainer tastet mit geschlossenen Augen nach der kleinen digitalen Uhr, die er vor zwei Jahren von seiner Frau Heike zu seinem Geburtstag bekommen hat. Er findet sie unter einem benutzten Taschentuch und der aktuellen Bild-Zeitung, die er vor dem Einschlafen noch angefangen hat. Er hatte nur das Fernsehprogramm für den heutigen Tag gelesen.
Er drückt behutsam die große Taste auf dem kleinen schwarzen Kasten, dessen Aufdruck nicht mehr lesbar ist. Rainer ist es nicht mehr gewohnt so früh aufzustehen. Den Wecker benötigt er seit seiner Pensionierung vergangenen Herbst, nur noch einmal die Woche oder wenn er im Sommer mit seiner Frau und seinem Hund, mit dem Camper an die Ostsee fährt. Früh am morgen ist am wenigsten Verkehr. Er war noch nie großer Fan davon vor zehn Uhr das Bett zu verlassen. Nur Samstags macht er eine Ausnahme. Den Samstag ist Golf-Tag. Also schwingt er seine müden Beine aus dem Bett in dem Heike noch seelenruhig schlummert, putzt sich die Zähne und lässt sich einen Kaffee durch seine Filtermaschine laufen. Er greift nach einem blauen Shirt und einer fleckigen Jeans welche er gestern noch beim Umtopfen der Geranien trug. Rainer setzt sich eine braune Kappe auf und gießt sich den heißen Kaffee in seinen „bester Opa" Thermobecher. Der Blick in der Kühlschrank erweist sich als nutzlos, den Heike geht immer erst Samstags einkaufen. Lediglich das Endstück einer italienischen Salami erweist sich als eiweißreiche Quelle für sein sportliches Vorhaben. Er setzt sich in seinen VW Passat, welcher beim starten des Motors bedenkliche Geräusche von sich gibt. „Wir sind wohl beide nicht mehr die Jüngsten" sagte Rainer lachend zu seinem Auto und rollt langsam rückwärts, mit einer Zigarette im Mundwinkel, aus der Garage raus. Im Radio läuft ein Song von den Rolling Stones, Rainer dreht die Lautstärke hoch.

Der Wecker klingelt. Acht Uhr. Samstag. Millisekunden nach dem ersten Klingeln betätigt Birdie Butter den OFF Button seines Smartphones. Er war schon lange wach und hatte nur auf das Klingeln gewartet. Die ganze Nacht um genau zu sein. Er liegt auf dem Rücken und starrt an seine Decke. Birdie ist müde, nicht etwa wegen des Schlafmangels, das ist er bereits gewohnt. Müde vom endlosen Nachdenken und dem Revue passieren lassen der Vergangenheit. Er steht auf und macht seine Hälfte des Doppelbettes. Präzise faltet er die Daunendecke und streift die Falten in der seidenen Bettwäsche glatt. Die andere Hälfte des Bettes ist unbenutzt. Seit kurzem wird diese nur noch von seinen penibel zusammengelegten Kaschmir Pullundern, welche er sich am Abend zuvor bereitlegt, okkupiert. Wenigstens etwas Ordnung wollte sich der Immobilienmakler noch in seinem Leben bewahren. Er wandert Richtung Kleiderschrank und entnimmt diesem noch ein cremefarbenes Hemd und ein paar passenden Kunstleder Slippern. Die andere Hälfte des Kleiderschrankes steht leer. Nachdem er sich frisch gemacht und eine Kleinigkeit gefrühstückt hat, begibt er sich Richtung Wohnungstür. Er greift nach seinem Schlüsselbund und wirft dabei einen kontrollierenden Blick in den Spiegel. Seine rechte Hand fährt zunächst durch seine gräulich werdenden Haare und danach über seine tiefen Augenringe. Er setzte sich ein breites Lächeln auf, kauft sich dies aber nicht einmal selber ab. „Egal", denkt er sich „Samstag ist Golf-Tag. Etwas anderes habe ich nicht mehr" und schließt mit diesem Gedanken hinter sich die Schwere Wohnungstür zu.

Der Wecker klingelt. Acht Uhr. Samstag.
„Alexa! Schalt den Wecker aus!" hallt es kraftvoll durch die Flure des 225 Quadratmeter großen Penthouses. Rimm Jobs sitzt nackt im Schneidersitz auf seiner Yogamatte vor seinem Panoramafenster. Er atmet fünf Sekunde durch die Nase ein und acht Sekunden durch den Mund wieder aus. Dies wiederholt er nun seit etwa 20 Minuten. In seinem linken Ohr steckt ein Airpod, über den Rimm gespannt die Börse mitverfolgt. Nicht weil es wichtig für ihn ist. Einfach weil es ihn interessiert. Er beendet seine Übungen mit einem gekonnten Kopfstand. Ihm schießt der Geruch von frisch gemahlenen, kolumbianischen Kaffee in die Nase. Rimm ist zunächst verwundert, da er weder Frau noch Kinder hat und seine Haushälterin Eugenia hat für gewöhnlich Samstags und Sonntags frei. Doch dann erinnert er sich, dass er vergangenen Abend eine blonde Frau, welche man auf der Straße für seine Tochter halten könnte, zu ihm eingeladen hat, für belanglosen Sex. So belanglos, dass er es nach wenigen Stunden wieder aus seinem Gedächtnis gelöscht hat. Im Normalfall öffnet Rimm eine Dating-App, wechselt mit einer Person seiner Begierde einige, mittlerweile standardisierte, Sätze, läd diese zu sich für schnellen Geschlechtsverkehr ein und signalisiert nach dem Akt, dass diese die Nacht über nicht bleiben kann. Aber scheinbar ist diese Nachricht bei dieser jungen Dame, nicht angekommen. Da Rimm ein konfrontationsscheuer Mensch ist, schleicht er sich, vorbei an der Küche, in seinen begehbaren Kleiderschrank und zieht das Outfit an, welches Eugenia für ihn vorbereitet hatte. Er wollte gerade los, bis er merkte, dass der Schlüssel für seinen Porsche auf dem Tresen in der Küche liegt. „Suchst du den hier?", ertönte eine schrille Stimme hinter Rimm. Er drehte sich langsam um. Und zu seiner Überraschung stand die Frau ohne Namen splitterfasernackt vor ihm und wedelte mit dem Schlüssel vor ihrer Vulva. Rimm lächelte verlegen, griff danach und meinte dann „Genau den brauche ich". „Willst du den nicht noch schnell eine Runde...?", schmollte Rimm's Besucherin, doch er erwidert nur: „ Nein! Das geht nicht! Samstag ist Golf-Tag!". Und mit diesem Satz verlässt er sein Zuhause und fährt mit dem Aufzug in die Tiefgarage.

Der Wecker klingelt. Acht Uhr. Samstag.
Golf Golf Schmidt reibt sich die Augen und setzt sich ohne zu zögern an seinen Schreibtisch, was ganz praktisch ist, da dieser direkt an sein 90cmx200cm Bett angrenzt. Er lebt gerne in seiner Einzimmerwohnung. Alles ist in Griffweite, egal wo er sich im Raum befindet. Wie jeden Tag gilt sein erster Blick www.golfpost.de, wo er sich die aktuellsten Golf Geschehnisse der ganzen Welt einverleibt. Er spielt nicht nur unfassbar gerne Golf, er lebt diesen Ballsport. Wenn er könnte würde er sein täglich Brot damit verdienen, aber stattdessen hängt er nun im siebten Semester Maschinenbau fest. Profisportler werden ist was für Träumer und Macher und so Jemand ist Golf Golf nunmal nicht. Er geht lieber auf Nummer sicher. Sicherer Studiengang, mit sicherem Abschluss, mit sicheren Jobaussichten, mit sicherem Einkommen und sicheren Aufstiegsmöglichkeiten. Dann die Frau bei der sich Golf Golf sicher ist, Larissa. Larissa ist sich aber noch nicht sicher, möchte sich lieber vom Leben überraschen lassen und sehen was die Zukunft bringt. Der Wecker klingelt erneut und holt Golf Golf aus seiner kleinen Gedankenblase. Er hatte vergessen ihn auszuschalten, weil seine Neugierde nach dem gestrigen großen Golf-Tunier in Aserbaidschan, dringend gestillt werden musste. Er ist so vertieft in dem Artikel über den Spielverlauf, dass er gar nicht merkte, wie die Himbeermarmelade von seinem ungetoasteten Toast auf seine original 1997 vintage J. Lindenberg Twill Hose tropft. Sein Handy klingelt, doch er geht nicht ran, ‚ich ruf zurück' denkt er sich. Doch sein Handy klingelt daraufhin ununterbrochen. „WAS?", brüllt er aggressiv in sein Smartphone, nachdem dieses zum neunten Mal klingelt. „Wir wollten wissen wo du steckst? Wir sind schon alle da und warten auf dich Golf Golf! Erinnerst du dich? Samstag ist Golf-Tag!", sagte Rainer beschwingt durch das Telefon. Golf Golf legte ohne ein weiteres Wort zu sagen auf, schnappte sich unverzüglich sein Rennrad und seine Schlägertasche und eilte aus der Wohnung. Im Flur seines Hauses stolperte er noch an Larissa vorbei und rief ihr nur zu „Samstag ist Golf-Tag!".