Der Klub der armen Schweine

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Rimm Jobs ist ein angesehener Mann. Seit Jahren hütet er den Parkplatz direkt am Eingang des betagten Golfclubs. Mittlerweile weiß jeder regelmäßige Besucher, dass das sein Parkplatz ist. Die Leute haben einfach Respekt vor ihm. Berechtigt. Schließlich ist er, laut eigener Aussage, entfernt mit dem verstorbenen ‚Apple'-Gründer Steve Jobs verwandt. ‚Die Cousine meiner Mutter, deren Schwager,...' erzählt er mindestens dreimal, bei jedem Besuch der Golfanlage. So schafft er es vermutlich auch so viele Frauen einzulullen, damit diese mit ihm ins Bett steigen. Aber auch seine Art, entspannt an seinem silbernen Porsche Cabrio zu lehnen, wirkt eindrucksvoll auf Außenstehende. Vermutlich belegt Rimm immer den ersten Parkplatz, da er immer der erste seiner Truppe ist, der am Platz aufkreuzt. Und dies stets 15 Minuten vor der vereinbarten Zeit.

Der nächste der erscheint ist Rainer. Er schippert seinen rostenden Wagen über den, von Buchsbäumen umrandeten Parkplatz. Er parkt übermütig, rechts neben Rimm ein. Der Rentner steigt mit einer ruckartigen Bewegung aus seinem Passat aus. Anders, machen das seine Gelenke nicht mehr mit. Er läuft hinter das Auto, öffnet den Kofferraum und holt seine Ausrüstung zwischen einem Karton mit Altglas und einem angefangen Bierkasten hervor. Während er sich seine vierte Zigarette für den Tag, es war erst kurz vor neun Uhr, anzündet, begrüßt er nuschelnd den neureichen Hübschling: „Alles in Butter in Kalkutta?". Rimm dreht seinen Kopf in Rainers Richtung und wirft ihm einen musternden Blick über den Rand seiner Piloten Sonnebrille und ein obligatorisches Lächeln zur Begrüßung, zu. Rainer nähert sich Rimm und setzt zu einem Handschlag an. Rimm geht diesem aber gekonnt aus dem Weg und greift stattdessen nach seinem Smartphone. Er öffnet die Tagesschau App.

„Wann kommen die anderen?" fragt Rimm Jobs ohne Rainer dabei anzuschauen. Dieser zuckt mit den Schulter und versucht währenddessen sich neben Rimm an dessen Auto zu lehnen. Das Dach des Porsches war noch unten, das Wetter für heute soll laut Wetterbericht schön bleiben. Rimm schaut wiederholt, nervös auf seine Applewatch. Die beiden Männer sind ungerne nur zu zweit, den sie haben nichts gemeinsam und wissen nicht, worüber sie sich unterhalten könnten. Rimm hält zu wenig von Rainer und Rainer hat zu viel Ehrfurcht vor Rimm.
Die Herren verweilen einige Minuten in der peinlichen Stille, Rimm am Handy, Rainer am Rauchen.

In der Ferne ertönt ein leises Brummen, was von Sekunde zu Sekunde lauter wird. Es ist Birdie auf seinem Segway. Wie jeden Samstag, schwingt sich dieser auf sein zweirädriges Gefährt, um die 800m von seiner Wohnung bis zum Golfclub zu fahren. Die anderen Männer belächeln Birdie dabei meistens, wegen seines Helmes und der Warnweste die er zum fahren immer anzieht. Um die Brust transportiert er eine eiserne Kette mit einem Schloss, um das Segway nach der Benutzung Diebstahlsicher zu machen, und auf dem Rücken seine Golfschläger. Nach dem Absteigen begrüßt Birdie die zwei mit einer Umarmung. Immer zuerst Rainer, dann Rimm. Das hat den Grund, dass Rainer stark nach kaltem Zigarettenrauch und nassem Hund riecht und Birdie die Umarmung schnell hinter sich bringen möchte. Rimm zu umarmen ist für ihn das Kontrastprogramm. Denn Rimm riecht dagegen nach Dior Sauvage und Kakao. Birdie umarmt Rimm meistens einige Sekunden länger, um einen kurzen Moment an dessen durchtrainierten Körper verweilen zu können. Und um sein Bedürfnis nach körperlicher Nähe nachzugehen. Er legt dabei zaghaft seine Hand auf Rimms Rücken und sieht nach, ob er den Rhythmus seines Herzschlages erkennen kann. Vergeblich.
Es wird sich kurz über belangeloses unterhalten, bis Rainer zum Telefon greift und beschließt Golf Golf anzurufen, da dieser wieder zu spät ist.
Birdie stellt sich neben Rimm an dessen Porsche, wo gerade eben noch Rainer stand. "Hast du gut geschlafen?" fragt Rimm Birdie ohne dabei von seinem Smartphonebildschirm abzusehen. Birdie lügt und nickt enthusiastisch: "Ja natürlich, ich muss doch ausgeruht zum Golfen erscheinen!". Rimm nimmt seine Sonnenbrille ab, hängt sie sich an den Kragen seines T-Shirts und greift mit seiner rechten Hand nach Birdies Kinn. Er bewegt dessen Gesicht von links nach rechts um die tiefen Augenringe zu begutachten und es scheint als würde er versuchen, dabei Birdies Mimik zu deuten zu wollen. Rimm merkt, wie Birdie ihm mehrmals verlegen in die Augen schaut, den Blicken aber sofort wieder ausweicht. "Verlieb dich bloß nicht in mich ha ha." lacht Rimm ihn an. Schon taucht Rainer wieder auf und witzelt:" Albert Einstein hat wohl mal wieder verschlafen. Seitdem der Kleine diese Freundin hat, hat er nichts als Flausen im Kopf. Aber ich kann ihn schon verstehe, ha ha. Jetzt muss er in seiner Morgenroutine noch Platz für Poppen finden, stimmt's oder hab ich Recht Männer?". Bedrückende Stille macht sich breit. Keiner Lacht. Dies ist keine seltene Reaktion auf Rainers Geschichten. Er findet bei den anderen Männern kaum Anklang mit Geschichten aus seinem Party-Urlaub in Mallorca '92 oder unangebrachten Kommentaren über die Kellnerinnen im Golfclub. Rainer macht sich nichts daraus, denkt sich meisten, dass die Jungs vielleicht zu spießig sind um seine Geschichten zu verstehen. Oder dass sie ihn einfach nicht verstehen. Niemand versteht ihn. Es hat ihn noch nie jemand verstanden. Der Rentner passt sich deshalb oft den Gesprächsthemen seines Umfeldes an und vergräbt Anekdoten und Gedanken tiefer in seinem Kopf.

Mittlerweile ist Golf Golf endlich aufgetaucht. Hechelnd, springt er von seinem Fahrrad ab, die Schläger schon halb aus seiner Tasche gefallen, atmet er einmal tief durch und setzt dann zu einer ausführlichen Entschuldigung an, die er scheinbar auf dem Weg hierher einstudiert hat. "Ist gut, ist gut kleiner. Beruhig dich. Die Löcher laufen uns schon nicht weg." sagt Birdie und gibt ihm, wie gewohnt eine begrüßende Umarmung.

Die vier Kerle betreten nun endlich den Club. 'Golfclub Mitropoulos - Golfclub und traditionell griechische Spezialitäten' steht in blauer Schrift auf dem Schild am Eingang. Das Mitropoulos hat schon bessere Zeiten hinter sich und ist bei weitem nicht mehr so glamourös wie es sich auf der Internetseite gibt. Zwischen falschen Mamor-Säulen aus Styropor und Figuren von griechischen Göttern, hängen Fahnen des Golfvereins von 1976 und verstaubte Teilnehmer-Pokale. Es riecht nach Zaziki und dem ersten gezapften Bier des Tages. Hier kommt man her, um Kommunion zu feiern oder sich günstig am 'all-you-can-eat-Buffet' einmal im Monat maßlos zu überfressen. Mit traditionell griechisch hat das kaum noch was zu tun. Das Mitropoulos finanziert sich zu 80 Prozent durch die einnahmen der Mitgliedschaft der Golfspieler. Diese steigt fast jährlich um 3,50 Euro. Die Grünanlage, die mit dem Kauf des Restaurants gekommen ist, war dafür vorherbestimmt, der schönste Golfplatz im Radius von 100 Kilometern zu werden. Der Platz lockt regelmäßig neue Golfverrückte aus dem ganzen Land an. Vor einigen Jahren gab es sogar einen Artikel über die Golfanlage in der www.golfpost.de, wodurch Golf Golf auf ihn aufmerksam wurde. Selbst für nicht Golfinteressierte, dient dieser Ort zur Erholung. Die Wasserhindernisse gleichen Fjorden in Norwegen und die Sandbunker erinnern an den Stand an der Ostsee, an dem Rainer immer Urlaub macht. Manchmal witzelt er sogar darüber, sein Wohnmobil hier auf dem Platzt zu parken um sich ein paar 'Öken' zu sparen. Birdie, Rimm, Golf Golf und Rainer gehen in Formation Richtung Umkleidekabine, welche gleichzeitig auch als Toilette für Restaurantbesucher benutzt wird und ziehen sich um. Golf Golf, welcher schon in passenden Klamotten erschienen ist, geht schon einmal vor und kümmert sich um ein Golfcart. Es zu fahren traut er sich jedoch nicht mehr, dies überlässt er meisten Rimm. Die Golfer beladen den Wagen und Rimm befördert die Mannschaft zum ersten Loch.