Teil 12

92 9 0
                                    

„Und?", wollte Lou wissen, kaum hatte ich den Klassenraum für englische Literatur betreten.

„Renn lieber raus", warnte Jenny mich und verdrehte mal wieder ihre hübschen blauen Augen. Sie saß neben Lou, aber so weit von ihr entfernt, dass man ahnen konnte, wie genervt sie von ihrer Schwester war.

„Ja, mit diesem grässlichen Rock würde ich an deiner Stelle auch rausrennen." Mirandas Worte hallten durch den ganzen Klassenraum und ich hätte am liebsten einen Stuhl nach ihr geworfen. Stattdessen drehte ich mich um und erwiderte zuckersüß: „Na, in deinem Fall könnte man dann kaum von Rausrennen sprechen - eher von Rauswatscheln. Außerdem würde dein Arsch den Rock auch in allen Richtungen sprengen."

Ihre zweifellos wütende Entgegnung blieb in der Luft hängen, da unsere Lehrerin den Raum betrat und daher blieb mir auch eine Antwort an Lou erspart. Doch wenige Minuten später schob sie mir einen abgerissenen Notizzettel hin mit der Frage: UND?

Ich stellte mich doof. Was und?

Was hältst du von TJ???

Das Essen war gut ...

Jane, ich bitte dich! :) oder :(?

Ich warf ihr einen Blick zu, den sie erstaunlicherweise fast flehend erwiderte. Uff, na schön. Ihr zu liebe malte ich einen lachenden Smiley, fügte aber schnell hinzu: Ich muss jetzt aber nicht jeden Tag mit ihm abhängen!

Ich linste zu ihr herüber als sie an ihrer Antwort schrieb, sodass ich nicht mitbekam, dass unsere Lehrerin zu uns kam und Lou den Zettel wegriss. Natürlich las sie ihn auch lauthals vor.

„Mal schauen, was spannender ist als „Sturmhöhe". So - ich nehme an, Sie, Louisa, fingen die geistreiche Unterhaltung mit einer simplen Frage an: „Und?". Janessa konnte Ihnen da wohl nicht folgen, denn es folgte ein „Was und?". Daraufhin formulierte Louisa den Anlass meinen Unterricht zu stören, etwas genauer: „Was hältst du von TJ?" Und das gleich mit drei Fragezeichen, wow! Da interessiert es uns aber brennend, wer dieser geheimnisvolle TJ ist und was er mit Essen zu tun hat, welches unsere anspruchsvolle Janessa wohl „gut" fand. Klären Sie uns auf, Louisa?"

„Klar", entgegnete Lou ohne mit der Wimper zu zucken. „Wir sprachen über türkischen Jogurt. Ich habe Jane am Wochenende die türkische Küche näher gebracht. Offensichtlich fährt sie voll darauf ab."

Unsere Lehrerin erhob ihre rechte Augenbraue. „Offensichtlich. Wenn ihr eure Begeisterung auf Heathcliff und Catherine übertragen könntet, würdet ihr der Klasse einen Gefallen tun."

„Das fällt mir schwer, denn meiner Meinung nach war Heathcliff ein arroganter Idiot und Catherine einfach nur egoistisch und naiv", antwortete ich. Bevor sie fragen konnte, führte ich meine Gedanken ausführlich aus und als wir am Ende der Stunde die Klasse verließen, hatte ich das Gefühl, Heathcliff und Cathy besser zu kennen als mich selbst.

*

In der Mittagspause startete Lou einen neuen Versuch. „Wir treffen uns am Samstag."

Jenny schaute sie misstrauisch an. „In der Küche oder was?"

Lou verpasste ihr einen Ellbogenschubser. „Wir gehen alle zusammen auf die Party von Candice."

„Fuck, die hatte ich ja total vergessen - aber es war doch schon vor Wochen abgemacht, dass wir da zusammen hingehen." Jenny schaute ihre Schwester weiterhin fragend an. Ich verstand schneller als sie, und klärte sie auf:

„Lou hat das „Wir" etwas ausgedehnt."

Es dauerte kurz, vermutlich wollte Jennys Gehirn diesen abwegigen Vorschlag gar nicht erst registrieren, doch schließlich weiteten sich ihre blauen Augen und sie rief laut und bestimmend: „Nein!"

SpacesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt