Ohne Titel: Teil 1.

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Mir zittern die Hände. Unaufhörlich. Ich habe zu viel getrunken um mir zu überlegen, ob ich diese Mail absende. Der Wein ist so gut wie ausgekostet und ich erzittere an dem Gedanken meines letzten Abends.
Da ruft doch die Freiheit nach mir. Das Gefühl des Unendlichen, das Gefühl der Unerreichbarkeit. Das Gefühl des Lebens, so arg gekostet, bis es mich schmerzt auf meine letzen Knochen. Alles so unerklärlich. Dies soll mich nicht beruhigen. Niemals sage ich mir. Niemals.  Niemals wird es mich beruhigen, nicht der Wein und nicht der Sekt, nicht die Gefühle dieses Abgefunden und nicht die Gefühle des Suchens oder Wiederfindens. Ich suche, suche endlos und will meine Suche nicht beenden. Suche in allen Liedern, in allen alten Liedern, allen Gedichten und Prosas, aller Belletristik. Vielleicht hab ich zu viel gesagt in all meinen Worten. Warum meldet sie sich nicht? Ich mache mir Sorgen.

Ich trinke den letzten Schluck und spüre gar nicht mehr wie er mir die Kehle hinunter rinnt. Dann sammel ich meine Papiere, meine Bücher und meine Stifte und hätte sie am liebsten gegen die Wand geschmissen, doch ich lege sie sachte auf den Tisch und klappe mein Buch zurecht. Die Jacke aus dem Flur ist kalt, sie umklammert meine Schultern frostig und lässt mich erschauern. Die Nacht ist genau so still und kalt und wortlos, obwohl sie doch so voll ist, von so vielen Nachrichten. Ich warte ab, sage ich mir. Ich warte.

Die Nacht kehrt vor meine Augen ein. Der blaue Himmel wandelt sich in ein tiefes, gruseliges Blau, ein halb erleuchtetes Blau, ein schimmerndes Blau, ein nichts und zu viel sagendes Blau. Dieses kaum zu erkennende Blau beruhigt und stresst mich zugleich. Sage ich mir. Mir pocht das Herz, ganz zerrissen. Zerrissen zwischen Ruhe und Sehnsucht und ich warte und genieße den Weg hinunter zu meinem schwarzen Auto. Karre nenne ich es so gerne. Meine Allie.

Ich setze mich rein, es riecht so verführerisch nach Zigaretten und kaltem Leder. Es fesselt mich. So endlos. Es verfesselt mich, hätte ich am liebsten gesagt. Die leeren schwarzen Straßen fühlen sich an wie Tarnce. Kalt und warm zugleich. Voller Ehrfucht und Erwartung in einem. Ich vermisse es und weiß nicht so ganz was ich vermisse. Dieses seltsame Leben.

Ich strecke meine Hände nach dem Himmel, wenn ich anhalte. Ich strecke sie um zu realisieren, dass sie nicht lang genug sind. Sie sind nicht lang genug um das Schimmern zu greifen, um das Schweigen zu greifen, das Leben, das kleine Licht am anderen Ende meines Bodes, das Pendant zu diesem Asphalt, ich erreiche die Sterne einfach nicht. Mir frieren dabei die Hände sehr. Ich durchblicke durch meine Finger hindruch, der Rauch umtanzt sie sanft, kreist um sie, doch meine Finger wollen nicht tanzen. Da sind nur die Sterne die ich nicht erreiche, immer noch zwischen meinen Fingern. Ich fasse sie nicht an, ich kann sie gar nicht anfassen. Nicht sie.

Dieses Ernüchtern ist schon eine Sache für sich. Auch der Zustand wenn du mir die Hände fasst und deine Hände wieder spürst. Oder erkennst oder hörst oder was auch immer dich auf den kalten Boden der Tatsachen wieder runter bringt. Schon irgendwie seltsam. Glaube ich. Und dennoch warte ich auf die Mail. So endlos und jeden Tag.

Mir zittern immer noch die Hände. Immer noch.

Ich lege meine Hände, nach vielen vielen Gläsern Wein, an den Kugelschreiber, öffne meinen Notizblock erneut, in der Hoffnung nochmal was hinein schreiben zu können. Das hoffe ich. Doch ich bekomme kein Wort heraus bis auf: Warm, warm das Erinnern. Warm das Vermissen in all den Zügen.

Ich warte.

Ich warte immer noch und jeden Tag aufs neust. Warm das Erinnern.

Wenn der Tag hineinbricht, bin ich mir nicht mehr sicher ob ich wissen will, welche Erinnerungen mich vom Vorabend noch beschleichen sollen und welche nicht.

Verbundeheit. Sage ich und weiß ich. Was will mir so ein Buch sagen und wie kann es sich nur anmaßen sich mit jemand anderem außereianderzusetzen, der nicht ich bin? Romantisch. Das Wort Romantisch ist so schön. Und so wahrlich.

Ein Raum. Ein Raum in dem ich so nackt bin. So nackt, so nackt wie noch nie. Wie soll ich dich verstehen, wenn ich mich selbst noch nicht verstehe? Und auch du bist nackt, ohne zu sehen wie nackt ich bin. So nackt. So nackt sind wir beide.

Ich liebe dich. Glaube ich und glaube nicht, dass du es weißt.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 05, 2022 ⏰

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