Cat On A Hot Tin Roof

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Birdie öffnet die Tür und wir betreten einen Flur mit kahlen Wänden. Es riecht seltsam. Nicht nach einer Lagerhalle oder einem Bürogebäude, sondern eher wie in einem chinesischen Teeladen.

Früher hatten wir so einen Laden auf der Maple Street, ganz in der Nähe des Man Down. Ich glaube, der Name war Cha-Lo oder so ähnlich. Jedenfalls ... als ich in der Mittelschule war, gab es einen riesigen Hype um Armbänder aus echten Steinperlen, denen verschiedene heilende Effekte nachgesagt wurden. Rosenquarz sollte Liebeskummer beseitigen, Bergkristall die Seele stärken, Amethyst die Konzentration verbessern, Jade bei Lampenfieber helfen und so weiter. Niemand hat wirklich daran geglaubt, aber alle wollten diese Armbänder.

Damals war ich beinahe täglich in dem chinesischen Teeladen und deshalb weiß ich auch noch so genau, wie es darin gerochen hat. Schwer und süßlich ... nach exotischen Kräutern und Räucherstäbchen. Eigentlich sollte mich dieser Duft entspannen, aber aus irgendeinem Grund werde ich dadurch nur noch nervöser.

Joe scheint es ähnlich zu gehen. Er hat die Händen in den Taschen vergraben, doch seine Schultern wirken angespannt und sein Blick zuckt unruhig umher. Unter seinen Augen zeichnen sich tiefe Schatten ab und ich bekomme ein schlechtes Gewissen. Vielleicht hätten wir Joe Zuhause bei Dad lassen sollen. Normalerweise kann er gut mit Stress umgehen, aber die letzte Nacht scheint ihn an seine Grenzen gebracht zu haben. Und ich kann wirklich keinen Grund dafür sehen, dass mein Bruder hier dabei sein muss. Es reicht ja völlig, wenn ich ins Fadenkreuz eines durchgeknallten Drogenbarons gerate. Joe sollte besser im Man Down die Stellung halten, für den Fall, dass Rayner dort aufkreuzt (auch wenn ich ihn nicht vor heute Abend erwarte).

Gerade als ich Birdie diesen Vorschlag unterbreiten will, erreichen wir einen Durchgang, der über ein Stahlgerüst in eine Lagerhalle hinunterführt. Hier ist der Geruch noch intensiver. Der Grund dafür ist unschwer zu erraten: Überall in der Halle stehen Duftkerzen und Räucherstövchen, groß wie Fässer. Das plötzliche Duft-Crescendo steigt mir unangenehm zu Kopf. Ich fühle mich schwindelig und mir bricht der Schweiß aus. Vielleicht handelt es sich um eine spezielle Kräutermischung für verrückte Drogenbarone. Mit einer Hand bedecke ich Mund und Nase und folge Birdie die Treppe hinunter. Ihr scheint der Gestank nichts auszumachen. Vielleicht hat sie sich schon alle dafür relevanten Gehirnbereiche weggesoffen oder weggekokst.

Apropos Koks ...

Mitten in der leeren Lagerhalle stehen zwei Tische. Der eine ist rund und mit einem dunklen Tischtuch abgedeckt. Davor sitzt eine ältere Dame mit riesigen Brillengläsern und einem weißen Afro und platziert Tarotkarten. An dem anderen Tisch, der von zwei Männern in Kampfanzügen (diesmal mit Maschinengewehren) und mehreren indirekt beleuchteten Terrarien flankiert wird, sitzt ein Typ in einem grell gemusterten Jogginganzug und mit einer altmodischen Gasmaske auf dem Kopf. Der Anblick ist so bizarr, dass ich mir nur mit Mühe ein Grinsen verkneifen kann. Wo bin ich hier gelandet? Was ist hier eigentlich los? Irgendwie wünsche ich mir Rayner zurück. Der Kerl ist ein Arsch, aber wenigstens ein solider Old-school-Gauner, bei dem man genau weiß, was man bekommt. Kein New-Age-Koks-Gangster mit schwerer Persönlichkeitsstörung.

Trotz meiner Vorbehalte folge ich Birdie zum Tisch von Bandy-Bandy (zum Umkehren wäre es jetzt wohl auch zu spät). Inzwischen schwitze ich so stark, dass mir der Schweiß den Rücken hinunterläuft. Mein Blick wandert zu Joe, dem ebenfalls Schweißperlen auf der Stirn glitzern. Sein Blick klebt an den Terrarien, von denen Bandy-Bandy umringt ist.

Beim Näherkommen erkenne ich, dass sie mehrere schwarz-weiß gestreifte Schlangen beherbergen. Das ist schlecht, denn Joe hat eine Scheißangst vor Schlangen.

Zum Glück bleibt Birdie in einigem Abstand zu den Schlangen – und zum Tisch von Bandy-Bandy – stehen. Langsam zieht sie sich die Sonnenbrille von der Nase.

Almost DeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt