1.1.

4 0 0
                                    

- Paloma -

Ich hatte einen weiteren Schultag hinter mir. Wir hatten eine Tonne Hausaufgaben auf und ich plante im Kopf meinen Abend so, dass ich es schaffte, um 22:00 Uhr im Bett zu liegen und trotzdem alles gelernt und erledigt zu haben. In Gedanken versunken öffnete ich meinen Spind und verstaute die schweren Bücher ordentlich, ehe ich nach dem Turnbeutel mit meinen Ballettsachen griff und ihn mir über die Schulter schwang. Ich schloss die Spindtür wieder, bereit mich auf den Weg zum Bus zu machen, fuhr jedoch überrascht zusammen, als ich mich umdrehte und Aubree vor mir stand.

"Hey, Aubree", begrüßte ich sie mit einem Lächeln.

"Na Pal."

Sie stieß sich von dem Spind ab, an dem sie bis eben gelehnt hatte und lief neben mir her, ehe sie fragte: "Was hast du in der Ethik Arbeit? Übrigens liebe ich deine Haare heute"

"Danke, deine sehen auch schön aus. Volle Punktzahl", erwiderte ich und fragte sie ebenfalls, was sie hatte.

Sie stöhnte genervt auf.

"Ich habe nur 97 Punkte bekommen, weil Mr. Whitlock der Meinung war, dass meine Begründung bei 2b) nicht ausführlich genug war."

Ich drückte mein Mitleid mit einem kurzen Lachen aus.

"Mr. Whitlock halt."

Kurz liefen wir einfach nur schweigend nebeneinander her.

Dann sagte Aubree spitz: "Waren deine Eltern nicht letztens bei ihm und haben mit ihm zu Mittag gegessen? Sie scheinen sich gut mit ihm zu verstehen."

Ich widerstand dem Drang meine Fingernägel, wegen diesem schamlos offensichtlichen Seitenhieb, in meine Handfläche zu bohren und lächelte nur.

"Das stimmt. Aber wie ich gehört habe, waren deine Eltern nach dem letzten Lateintest ja auch mit Mrs. Caddel in diesem neuen, teuren Restaurant."

Ich spürte ihren wütenden Seitenblick auf mir und grinste innerlich.

"Naja, war schön sich mal wieder mit dir zu unterhalten, Pal, wir sehen uns Morgen", verabschiedete sie sich.

"Ja, bis Morgen, Aubree."

Das war ja wirklich eine nette Unterhaltung gewesen.

Sobald ich vor dem Gebäude der öffentlichen Tanzschule stand, fühlte ich mich etwas lockerer. Keiner der reichen Kinder von meiner Schule kam hierher und niemand kannte den Status meiner Eltern. Ich konnte einfach in Ruhe an einer Stange mein Training fortsetzen. Wohlgemerkt, ohne mich mit solchen Mädchen wie Aubree abzugeben, die dir erst ein Kompliment machten und dir dann unterstellten, du hättest deine Noten nur wegen des Geldes deiner Eltern.
Ich ging in die große Umkleide und begann mich umzuziehen. Sobald ich mir einen Dutt gemacht hatte, ging ich zu einer der Tanzhallen, von der ich wusste, dass zu dieser Zeit nur ein paar Kinder in der Halle nebenan übten. Als ich an der von eben genannten Halle vorbeiging, passierte ich einen Jungen, den ich hier bis jetzt noch nie gesehen hatte. War es, weil ich heute etwas später dran war, als sonst? Er sah nicht aus wie jemand, der Ballett tanzte. Mein Blick streifte ihn nur flüchtig, aber er passte ganz und gar nicht hierher.
Ich sah gerade noch so aus dem Augenwinkel, wie er sich eine Zigarette anzündete und blieb fassungslos stehen, drehte mich zu ihm und sah zu ihm hoch.

"Entschuldigung", sprach ihn an, "man darf hier nicht rauchen."

Direkt neben ihm war das Schild, er konnte mir nicht sagen, dass er das nicht gesehen hatte. Außerdem sah er aus, als würde es ihm guttun, mal eine Zigarette weniger zu rauchen.
Er sah mich überrascht an und begann zu grinsen. Was gab es da zu grinsen?! Er schnaufte belustigt und zog an seiner Zigarette.
Er sah zu mir runter, direkt in meine Augen. Dachte er, er konnte mich damit einschüchtern? Ohne mit der Wimper zu zucken, erwiderte ich den Blickkontakt. Unser kleines Kräftemessen endete damit, dass er sich vorbeugte und mir seine angezündete Zigarette hinhielt.

„Willst du mal?"

Fassungslos auf Grund dieser dreisten Geste, starrte ich für einen Moment nur auf die qualmende Zigarette und ignorierte völlig den Fakt, wie nah er mir dabei kam.
Als ich wieder zu ihm hochsah, grinste er noch breiter.
Ich beschloss sein Grinsen zu erwiderte und nahm die Zigarette entgegen. Statt jedoch einen Zug zu nehmen, ließ ich sie fallen und drückte sie mit der Schuhsohle aus. Dabei sah ich ihm ununterbrochen in die Augen. Ich musterte ihn einmal rasch von oben bis unten.

"Du solltest hier wirklich nicht rauchen. Kinder haben in dem Raum vor dir Unterricht. Denkst du nicht, du könntest ein wenig respektvoller sein, gegenüber den Menschen, die hier trainieren?"

Paloma und LucianoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt