Wind peitschte in sein Gesicht. Kurz schloss er die Augen und genoss das Kitzeln sichtlich, die Federn eng an die Haut gepresst. Die mächtigen Schwingen so weit ausgestreckt, dass die Luft ihn mühelos trug, ihm die unendlichen Weiten der Wüste offenbarte, die sich unter ihm erstreckte. Sonne ließ sein braunes Gefieder in allen Farben schillern und seinen Schatten so viele Meter unter ihm über die Dünen tanzen.
Jedoch ragte bald ein dunkler Fleck auf, in der Einförmigkeit des grenzenlosen Sandes. Mauern, dort, wo die Sonne den Horizont streite. Mauern und Häuser.
Sternförmig hatte sich die Stadt vor ihm ausgebreitet, ringsherum gesäumt von Äckern und Plantagen. Die Bauten wuchsen regelrecht unwirklich in den Himmel. Bretterverschläge. Er konnte sie nun klar erkennen. Hunderte türmten sich zusammen, hatten ihre schrägen Dächer ineinander verkeilt. Weiter hinten wurden die Gebäude größer, ansehnlicher. Marmorn standen sie dort in der Mitte des Sterns zur Schau, die goldenen Spitzen der Zinnen brachen das Licht in eben diesem Winkel, der ihn blendete.Es stank bereits hier nach Vieh und Menschen. Einen Geruch, den er erst in den letzten Jahren zu verabscheuen gelernt hatte - nachdem er sie verließ, die Hauptstadt des Wüstenstaates.
Sich selbst geschworen nie wieder hierher zurückzukehren, setzte er schließlich lautlos in einer der kleinen Lichtungen zwischen den Dattelpalmen auf. Ein letztes Sträuben wandernde seinen Körper hinab, ließ sich jede einzelne Feder aufstellen. Geschult wanderte sein Blick über die Plantage, bevor er an Größe verlor.Die Muskeln krampften sich schmerzhaft zusammen und er musste würgen, spürte, wie die Kiele der mächtigen Federn in seiner Haut verschwanden, wie er schrumpfte. Er sackte sofort in sich zusammen, krümmte sich. Die Stämme der Dattelbäume übermannten ihn schließlich, die dichten Kronen schluckten seine Sicht zunehmend.
Letztendlich hockte er auf allen Vieren dort, die Stirn fest in das vergilbte Gras gepresst. Angeekelt sah er die Hände vor sich, in der sich die letzten Federn zurückzogen und sie porenrein zurück ließen. Fingernägel, dort in seinem Fleisch streckend. Abartig.
Und dennoch stemmte er sich mühsam auf, klopfte sich den Dreck von der schwarzen Seidenhose, die um seine Hüften gebunden war. Seine nackten Füße drehten sich unbeholfen ein, im Versuch das nun merkwürdig verteilte Gewicht zu halten.Ein Greis saß neben ihm, schob den Strohhut etwas höher, begutachtete ihn schweigend, während er auf einer Zigarre herum kaute.
Der junge Mann, der vor kurzem noch keiner war, löste wortlos einen kleinen Beutel von seinem Gürtel und warf ihn zum Alten herüber, der seine krummen Finger glückselig hinein steckte und eine der Münzen heraus fischte. Zahnlos lächelte er ihn an und zog darauf den Hut tief ins Gesicht, nachdem er glucksend erneut im Nickerchen versank.Finger rannen durch das pechschwarze Haar, das nun aus seiner Kopfhaut spross. Dann versteckte er sie in den Taschen des Umhangs, den er über den Schultern trug, wo er die nackten Dinger immerhin nicht mehr ansehen musste. Folglich brauchte er die ersten paar Schritte, um sich an das neue Paar Beine zu gewöhnen. Doch schließlich schluckte ihn der Schatten der Stadtmauer. Eine hölzerne Tür war dort in die Mauer eingelassen.
Lärm drückte sich sogleich in seine Ohren, obwohl in dieser Gestalt alles leiser war, fader.
Ein dämmriger Schuppen öffnete sich vor ihm. Rostige Werkbänke ließen eine schmale Schneise zur schrägen, gegenüberliegenden Tür. Seine Augen brauchten eine Zeit die Umgebung vollständig wahrzunehmen. Aber dann sah er es. Der Weg war nicht frei. Zwei Männer lehnten grinsend dort. Das Emblem, das auf ihren Brustpanzer gedrückt war, nun kaum zu übersehen."Er wartet nicht gern", pfiff der eine dunkel. Die Hand des Gardisten umklammerte den Griff seiner Waffe fest.
"Und ich habe nicht gern Gesellschaft." Sicher packte der Mann sein eigenes Handgelenk, an dem das lederne Armband zu leuchten begann. Lauer Wind fuhr sofort unter seine Kleidung, das Haar, umschmeichelte seine wütend gesenkten Brauen.
Der Gardist sah sich im engen Raum um. "Hier? Versuchs doch!"
Mit zusammengebissenen Zähnen tat er es ihm gleich, ließ seinen Blick zur verstrebten Decke knapp über ihm wandern. Da hatte man ihn bereits gepackt und der Wind verebbte. Hände gruben sich in beide Schultern, drückten sich tief in seinen Rücken.
"Behandelt man so einen Gast?", fluchte er.
"Pah! Gast? Kannst froh sein, dass wir Viecher wie dich nicht draußen zur Schau stellen, aufgespießt."
Wild versuchte er sich aus dem Griff zu winden, doch die beiden Soldaten hatten ihn fest zwischen sich genommen und seine Füße strampelten ins Leere.
"Ihr wisst gar nichts!", rief er. Darauf schmeckte er nur das Metall eines Handschuhs, der ihm gegen den Mund gedrückt wurde.
"Klappe!", brummte der Kerl lächelnd.
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Lichtbringer
FantasyIm Krieg zwischen zwei Völkern, stehen zwei Männer, die über das Schicksal ihrer Länder entscheiden könnten, wenn sie sich dazu entschließen ihre Macht nicht auszuspielen.