Cassian

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Cassian

Ich saß gemütlich an meinem Schreibtisch und machte meine Hausaufgaben in Mathe. Wie immer am Sonntagabend. Irgendwie schob ich mir immer alles bis zum letzten Tag auf, eine wirklich schlimme Angewohnheit....

Missgünstig hob ich meinen Füller und betrachtete mein Gekrakel. Ich hatte es noch nie mit Schönschrift gehabt, aber heute war es wirklich schlimm. Ich schmiss meinen Stift in die spärlich bestückte Federmappe und pfefferte diese in meine Tasche. Hatte heute Abend wohl keinen Sinn mehr. Mit einem schnellen Seitenblick auf meinen Bildschirm wusste ich, wie ich den Rest des Abends verbringen würde.

Mit ein paar Mausklicken war ich auch schon mitten im Spiel, umgeben von meinen wirklichen Freunden. Das Spiel bot mir  nur eine der Welten, wie ich sie mir nur Wünschen konnte: Fantasie, Freunde und Unbeschwertheit. Und ich musste nicht extra duschen.

Mit einem leisen Lachen begrüßte ich die Menschen, die mich wirklich verstanden, mich so nahmen wie ich war und nicht auf Äußerlichkeiten achteten.

Morgens. Ich rieb mir die Augen. Ich hasse früh aufstehen und dann auch noch an einem Montag... Mit einem Seufzen verließ ich das warme Bett und zog mir das graue, ausgewaschene T-Shirt von Samstag an.

"Mom?", rief ich in die Stille der Wohnung. Es kam keine Antwort. Vermutlich war sie gestern wieder nicht nach Hause gekommen... es war wirklich ein Trauerspiel. Seid Vaters Tod war sie dauernd "unterwegs". Ich hoffe diesmal muss ich keine Vermisstenanzeige aufgeben.

Ich schulterte meinen Rucksack,  öffnete die Türklinke und rümpfte die Nase. Hmpf, die langweilige  Realität.

Auf meinem kurzen Weg zur Schule begegneten mir einige bekannte Gesichter, die mich allesamt abwertend ansahen. Ich machte mir nicht viel draus, schließlich bin ich sie nach der Schule los. Da es schon Anfang Winter war, zog ich meine dünne Jacke enger um mich und zog den Kopf ein. Hoffentlich habe ich bald genug Geld für Handschuhe übrig, ansonsten wird es diesen Winter ungemütlich.

Endlich an der Schule angekommen, warf ich meine Tasche neben meinem Platz in der hintersten Reihe und ließ mich auf den Stuhl plumpsen. Ich ließ meinen Blick gelangweilt durch den Klassenraum schweifen. All die "coolen" Leute warfen mir nur einen genervten Blick zu, als würde ich den Raum mit meiner Anwesenheit verpesten. Dann gab es da noch die "Streber" die schon ordentlich am Platz saßen und zusammen ihre Hausaufgaben verglichen. Und die "Normalen", die sich über dies und jenes Unterhielten, lachten und andere Neuigkeiten austauschten.

Und dann gab es da noch mich: Der Außenseiter. Ich war eigentlich sogar ganz stolz auf diese Position, anders zu sein als die Masse. Ich wurde auch in Ruhe gelassen, solange ich nicht von mir aus Sprach, was eigentlich nie der Fall war.

Der Lehrer kam herein stolziert und ich seufzte. Jetzt ging es bis zum Schulschluss nur noch ums nackte Überleben.

Genervt steckte ich den Kopf durch die Tür, als mir der Alkoholgeruch entgegenschlug. Meine Mutter lag quer im Sofa und schnarchte vor sich hin. Normalerweise wäre ich jetzt zu ihr gegangen, hätte sie geweckt und ihr was zu Essen gebracht, aber heute war mir nicht danach. Stattdessen verschwand ich wieder in meinem Zimmer und setzte mich an die Schulaufgaben. Doch statt um Karl den Großen, schwirrten meine Gedanken um ganz andere Sachen. Die Sachen in der anderen Welt, außerhalb meines Zimmers.

Es lief darauf hinaus, dass ich, wie immer, wieder vor dem PC landete, meine Freunde begrüßte und mir eine Flasche Cola runterstürzte.

Jetzt liege ich hier, im Bett um 4 Uhr Nachts und starre die Decke an, nachdem ich die beiden Filme zu Ende geschaut hatte. Ein weiterer normaler Tag, im Leben vom langweiligen Cassian Grey.

Cassian (Creepypasta)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt