Der zurückgelassene Jahrmarkt

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Endlich erreichte er die große Lichtung, auf der sich der der verlassene Jahrmarkt niedergelassen hatte. „Wow... Der Hammer!" entfuhr es dem völlig erstaunten Keith, als er den Platz auf sich wirken ließ. Der moosbewachsene Ticketschalter zeigte ein Schild mit der Aufschrift „Ausverkauft". Um ihn herum und im Inneren türmten sich neben Plastikchips für die Fahrgeschäfte Eintrittskarten für die Show im großen Zelt. Ein gestreuter Sandweg führte zu den Stationen des Parks. Doch bevor Keith den Park genauer ansehen wollte, beschloss er, eine kurze Essenspause einzulegen und setzte sich im Ticketschalter auf den augenscheinlich intakten Hocker und stellte seine Vesperdosen auf dem Thesen ab. Seine Sandwiches schmeckten etwas bitterer als vorher, aber das störte ihn nicht besonders. Sie mussten wohl ziemlich unter der Sommerhitze gelitten haben, vermutete er achselzuckend. Leere Tiergehege und ein trauriges Holzhäuschen mit der Aufschrift Streichelzoo waren der Verwitterung zum Opfer gefallen und lagen unter einer dichten Schicht Laub und herabgefallenen Ästen. Der Zaun um den Zoo lag eingesunken auf dem Boden, er war bei der Evakuierung der Parktiere wohl niedergetrampelt worden. Hinter dem Streichelzoo befand sich ein kleines Zelt mit einem klassischen Wahrsager-Automaten. Die Figur des Wahrsagers hatte sich aus ihrer Verankerung gelöst und hing an ihren Kabeln aus der offenen Rückwand heraus. Diese lag rostend im staubigen Boden des Zeltes. Der des Druckmechanismus der Vorhersagen war von blättern bedeckt und kleine Pflanzen wucherten in seinem Inneren, das ohne den Wahrsager völlig brach lag und den Launen des Waldes schutzlos ausgeliefert war. Die erste Attraktion des Parks war der Autoskooter. In einem Gehege standen die bunten Autos kreuz und quer, still und geduldig, als würden sie auf ihren nächsten Einsatz warten. Die Lederbezuge der kleinen Autos platzten auf, der Lack blätterte an allen Ecken ab und wie überall waren Innenräume und Boden mit Laub und herabgestürzten Ästen belegt. Das Zeltdach der Attraktion war nur noch an den Rändern der Metallverankerung vorhanden und hing in schmutzigen Fetzten herunter. Kommentarlos knipste er einige Bilder und ging weiter. Vor ihm eröffnete sich eine schichte Holzachterbahn mit zwei vor sich hin verrottenden, ausgehöhlten Baumstämmen, die als Fuhrwagons benutz wurden. Das Holz wucherte und quoll, die Schienen wurden von Moos bewachsen vielen an den Verbundstellen auseinander. Es war schon erstaunlich, wie gut dieser Wanderpark ausgestattet war. Auch das Riesenrad auf dem Plakat erfüllte den Platz, wie versprochen ragte es in den Himmel uns steckte sich nach der sengenden Sonne, die bald untergehen würde. Es stand in seinen rostigen Verankerungen die einzelnen Wagons wackelten quietschend bei jeden Windhauch, während sie sich mutig in ihren verrosteten Angeln oben hielten. Keith sah nach oben und bewunderte das marode Stahlwerk, das aussah, als wolle es jeden Moment umfallen. „Wahnsinn." hauchte Keith beim Blick nach oben. Jetzt gab es nur noch zwei Stationen auf dem Jahrmarkt, das recht verfallen wirkende Zirkuszelt und die Geisterbahn, die ihn am meisten interessierte. Der Mittelpunkt des Wandermarkt war ein riesiges Zirkuszelt in rot und gelb, welches an vielen Stellen gerissen war und an den Seiten bis zum Dach das nackte Stahlgerüst freilegten, welches ebenfalls duzende Löcher unter der dicken Rostschicht hatte. Allein ein einsames Kassenhäuschen mit offenstehender, gefüllter Kasse erzählte vom früheren Erfolg des Parks. Die losen Bretter lärmten im Wind und auch der einschüchternde Stahlkolos trug nicht wirklich zum Wohlfühlen bei. Nach einen Speicherkarten Check filmte er die Szene und lies den Anblick aus einiger Entfernung noch einmal auf sich wirken. Im Zelt befanden sich nicht mehr als einige schief stehende Holzbänke und recht einsam wirkende Showrequisiten, die in einem desolaten Zustand auf der Tribüne zurückgelassen wurden und nun unter einer dicken Schicht aus Laub, Dreck und Ästen untergingen. Dazwischen fand der Explorer einen Tierkadaver, der nur noch aus Knochen bestand. Keith knipste ihn ab und schoss auch noch einige Fotos von den Requisiten und Bänken. Dann widmete er sich der Geisterbahn. Sie bestand aus einem rieseigen Clownsgesicht, durch dessen weit aufgerissenes Maul die Geisterwagen unter schrillem Quietschen ins Innere rollen würden. Die Geisterwagen vor dem Geschäft sahen aus wie grün triefende Geister, die wohl im Dunkeln leuchten sollten. Die Bahn sah noch recht gut aus, hier und da blätterte der Putz ab, ein paar Schrauben fehlten und die Schienen hatten überall Rost angesetzt. Unter der ausgeblichenen Farbe zeigten sich stellenweise Plastik und Holz, die Materialien, aus denen die Bahn gebaut wurde. Der niedrige Tunnel war durch eine schwarze, robuste Tür von der hellen Außenwelt getrennt, schien aber noch aufzugehen. Keiths leichter Druck dagegen schien das zu noch einmal zu bestätigen. Das Kassenhäuschen stand noch, es war halbwegs intakt und versank in Laubblättern, Werbeflyern und Plastikchips. Überraschenderweise schien der Mechanismus der Geisterbahn völlig intakt zu sein. Für Keith war es ein leichtes, das Kassenhäuschen aufzubrechen und mit einem Buschzweig die Hebel freizulegen. Er zog an einem von ihnen und unter einem lauten Rattern begannen die Lichter zu flackern und gingen schließlich ganz an. Aus dem Dunkeln Korridor hinter dem Maul drangen dumpfe Schreie unter gruseliger Musik und schrillem Lachen. Nach dem Betätigen des zweiten Hebels begannen die Räder der beiden Wagen zu vibrieren, als wollen sie sich von ihren eisernen Fesseln befreien. Erstaunt rief Keith aus: „Wow, das Teil funktioniert... Wirklich! Na dann will ich mal eine Fahrt wagen. Mal sehen irgendwo hier müsste..." fragend suchte Keith die Schalttafel nach dem Hebel ab, die Bremsen löste. „Na also, der Starthebel!" rief er beschwingt aus und betätigte ihn, sprang dann mit zwei Schritten zu den Wagen und stieg ein. Mit einem Knall lösten sich die Bremsen und der Wagen setzte sich nach kurzem Zögern in Bewegung und begann, den jungen Mann langsam ins Innere des verblichenen Maules zu schieben. Gemäß seiner Erwartungen drückte der Wagen das schwarze Tor auf und lies im dumpfen Licht die Staubkörner in der dicken, stickigen Luft tanzen. Keith warf einen kurzen Blick auf das letzte schwindende Tageslicht, das den ganzen Park in den rötlichen Schein eines Sonnenuntergangs legte, bis es schlussendlich von der tiefen Schwärze des Geistermauls verschlungen wurde, als der Wagen das schwarze Tor endlich hinter sich zu fallen ließ.

Der Fluch von RuhwachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt