One.

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Vielleicht war Bear Creek nicht die beste Ortschaft, um sich in den Ruhestand zu begeben. Es war kalt, dunkel, es lag das ganze Jahr über Schnee und es gab nicht einen Starbucks. Für manche war es bestimmt der schlimmste Ort auf der Welt. Für Hazel Barnes war es jedoch das reinste Paradies.


Niemand kannte sie dort. Niemand stellte unangenehme Fragen, machte unangemessene Kommentare darüber, warum sie hier war. Man wurde aufgenommen, als wäre man nur kurz in Urlaub gewesen und wäre wieder nach Hause gekommen. Das 500 Seelen Örtchen war also perfekt für einen Neuanfang; war perfekt für ihren Neuanfang.

Anfangs hatte Hazel dieses Verhalten der Bewohner natürlich stumm hinterfragt. In ihrem Kopf musste es einfach einen fetten Haken geben. Denn wieso sollten sie eine Fremde aufnehmen und nicht lauthals fragen, warum so ein „junges Ding" mitten ins Nichts zog.
Die Antwort ließ auch nicht lange auf sie warten und sie musste zugeben, es überraschte sie ein wenig: Sie liefen alle vor etwas weg.



„Vielleicht sollte ich dir wirklich langsam einen Schlüssel geben.", scherzte sie laut, ehe sie ihre Hände an dem roten Küchenhandtuch abtrocknete und zu der dicken Tür eilte, die die eisige Kälte erfolgreich draußen hielt.
Es war kurz vor Mitternacht, sie hatte sich von Charles, dem Besitzer der einzigen Bar in Bear Creek und der kleinen Wohnung, in der sie lebte, verabschiedet. Das letzte Geschirr wurde gerade gespült und sie wollte eigentlich nur noch ins Bett fallen und schlafen.
„Hier sind deine Hand-"
Hazel stoppte sich selbst mitten im Satz. Vor ihr stand definitiv nicht Chip, der seine vergessenen Handschuhe abholen wollte.
„Ruby?!"


Mehr brachte ihr Körper nicht hervor. Ihre Kehle war staubtrocken und ihr Gehirn ging bereits dutzende Szenarien durch, warum sie hier sein und wie sie sie nach so vielen Jahren gefunden haben konnte. Doch die viel wichtigere Frage sollte eigentlich sein, ob sie alleine war?


Unruhig blickte sie hinter ihre alte Freundin, versuchte auszumachen, ob sie noch weitere unangenehme Besucher ausmachen konnte. Doch nur Rubys Duft lag in der Luft. Sie schien wirklich alleine hier zu sein. Der Göttin sei Dank.

„Keine Sorge, ich bin alleine.", kam es von ihr, als hätte sie ihre Gedanken lesen können; oder hatte Hazel es vielleicht doch laut ausgesprochen?
Ruby lächelte. Beinahe so, als wäre sie verdammt stolz darauf, alleine hergekommen zu sein.
Wenn man bedachte, wie das Rudel, aus dem sie beide stammten, Einzelgänge und auch die Jungwölfe behandelte, war es wirklich verblüffend, dass sie alleine hier war und man sie nicht abgehalten hatte.


Hazel war darüber so in Gedanken versunken, dass sie zusammenzuckte, als die letzten Gäste die Bar unter ihrer Wohnung verließen und sich fröhlich voneinander verabschiedeten.
Bevor man sie sah und ohne etwas zu sagen, packte sie Ruby an ihrem Mantel und zog sie in ihre Wohnung. Vermutlich nicht gerade höflich und bei weitem auch nicht so sanft, wie sie vielleicht hätte sein sollen, aber sie wollte nicht, dass man sie hier bei ihr sah.


„Tut mir leid, Rue.", entschuldigte sie sich und merkte erst jetzt, wie angespannt sie wegen ihrer Anwesenheit war.

Man müsste fast schon denken, dass es ihr nach all den Jahren nicht mehr so viel ausmachen würde.

„Ich hab Monate gebraucht.", setzte die dunkelhaarige Wölfin an und trat einige Schritte weiter in die kleine Wohnung.
„Was?", kam es fast schon verwirrt klingend von Hazel, die wieder in Gedanken versunken gewesen war.

Dabei drehte sie sich zu ihr um, ihr Gesicht sprach Bände. Sie wirkte müde, ausgelaugt.

„Ich hab Monate gebraucht, um dich zu finden, Hazel. Du hast deine Spuren wirklich gut verwischt.", antwortete sie mit einer großen Portion Stolz in der Stimme.

into the dark ; ( 𝐢𝐧𝐭𝐨 𝐭𝐡𝐞 𝐝𝐚𝐫𝐤 ; gemini wolves )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt