Kapitel 1

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Montag

Mein Wecker klingelte kurz nachdem ich es endlich ins Bett geschafft hatte. Ich verfluchte mich selbst. Wessen glorreiche Idee war es gleich nochmal gewesen an einem Sonntagabend auf ein paar Drinks ins Louis zu gehen? Ich schimpfte über mich selbst, während ich mich langsam aus dem Bett quälte. Mein Kopf fühlte sich an als würde er jeden Moment explodieren.

Als ich neben dem Bett stand, begann die Erde zu schwanken. Offenbar hatte ich nicht nur einen mordsmäßigen Kater, sondern auch noch Alkohol im Blut. Ein Blick in den Spiegel zeigte mir, dass ich genauso aussah, wie ich mich fühlte.

Eine ausgiebige Dusche erweckte meine Lebensgeister nur teilweise, wobei mir ein Stempel an meinem Handgelenk ins Auge fiel. Kurz versuchte ich ihn zu entziffern, gab den Versuch aber schnell wieder auf und nahm mir vor, Elena später danach zu fragen. Nach der Dusche und einem Kilo Makeup fühlte ich mich zwar immer noch miserabel, aber immerhin sah man mir das nicht mehr an.

Mit Verspätung schaffte ich es schließlich ins Büro. Normalerweise wäre das unbemerkt geblieben. Nur hatte ich über den gestrigen Alkoholkonsum eine wichtige Tatsache vergessen. Heute wurde mein neuer Boss vorgestellt. Der Mann, dessen persönliche Assistentin ich ab dem heutigen Tag war. Die persönliche Assistentin, die verkatert mit Restalkohol und 22 Minuten Verspätung versuchte unauffällig in den Besprechungsraum zu gelangen, um sich einen Platz in der letzten Reihe zu suchen. Leider ohne Erfolg.

„Und Sie sind?", grollte es durch den Raum.

Eine betretene Stille folgte der Frage. Ich schaute mich um, alle Augenpaare waren auf mich gerichtet. Eine verlegene Röte breitete sich langsam von meinem Dekolleté über meinen Hals bis in die Wangen aus. Nervös hob ich den Blick und begegnete dem Ursprung der Frage.

Ein Paar grauer Augen starrte mir kühl entgegen. Sie gehörten zu einem markanten maskulinen Gesicht mit einer harten Kinnlinie. Ein Muskel zuckte an seiner Wange. Ich konnte jedoch nicht ganz deuten, ob er ein Lächeln oder seinen Ärger unterdrückte.

Mein Blick blieb an seinen Lippen hängen. Durfte ein Mann überhaupt solche vollen Lippen haben? Der Kontrast zu seinem Dreitagebart war faszinierend. Ich stellte mir vor, wie zuerst seine Bartstoppeln über meine empfindliche Haut kratzten und anschließend seine weichen Lippen folgten. Bei diesem Gedanken lief mir ein wohliger Schauer über den Rücken.

Ein Räuspern schreckte mich aus meinen Tagträumen auf und ließ meinen Blick zurück zu den grauen Augen schnellen.

„Ich... ich heiße Nora. Nora Blair."

„Nora Blair." Meinen Namen aus seinem Mund zu hören stellte seltsame Sachen mit mir an. Zu dem attraktiven Gesicht gehörte ein wirklich wohlklingender Bariton.

Er schaute mir unverwandt in die Augen. Sein kühler Blick verschaffte nun endlich auch meinen unangebrachten Gedanken eine Abkühlung.

„Sie sind zu spät. Ich erwarte Pünktlichkeit von meiner persönlichen Assistentin. Beim nächsten Mal erhalten Sie eine Abmahnung. Setzen Sie sich." Damit wandte er sich von mir ab und hinterließ mich völlig perplex. Was für ein Arsch! Ich ließ mich auf dem letzten freien Stuhl fallen, natürlich in der ersten Reihe.

Mein neuer Boss, ich hatte seinen Namen in den ersten Minuten der Ansprache verpasst, fuhr fort, seinen Lebenslauf und all seine Qualifikationen runter zu spulen. Erstklassige Abschlüsse, erstklassiger Werdegang, Vorzeigeprojekt hier und Vorzeigeprojekt da. Ich überlegte, wie alt er wohl sein mochte, um einen so langen Lebenslauf vorweisen zu können.

Optisch hätte ich ihn auf Anfang bis Mitte 30 geschätzt, sein Lebenslauf deutete auf einen ehrgeizigen, kalkulierten Mann hin. Ein perfekt sitzender Anzug, ein hellgraues Exemplar mit einem weißen Hemd und einer hellblauen Krawatte kombiniert, umschmeichelte seine breiten Schultern und seine schmale Hüfte. Das war definitiv keine Ware von der Stange. Während meiner Musterung hörte ich ihm nicht länger zu und hing stattdessen meinen eigenen Gedanken nach. Seine tiefe Stimme bildete eine schöne Hintergrundmusik zu dem Schauspiel, was sich mir bot. Das Muskelspiel seiner Oberschenkel, die Adern, welche an seinen Händen hervortraten und...

Mit gerunzelter Stirn betrachtete ich eingehend den Stempel, welcher sich blass auf seinem Handgelenk neben seiner zweifellos sehr wertvollen Uhr abzeichnete. Was für ein seltsamer Zufall.

Im nächsten Moment standen meine Kollegen auf und gingen hintereinander aus dem Raum. Ich wollte ihnen schnell folgen, doch die Erde bewegte sich wieder selbstständig unter meinen Füßen. Ich verlor in meinen High Heels kurz das Gleichgewicht und strauchelte, als mir auch schon zwei starke Hände auf meinen Oberarmen den dringend benötigten Halt gaben. Ich richtete meinen Blick geradeaus und schaute auf einen perfekt gebundenen Krawattenknoten.

„Geht es Ihnen nicht gut, Nora?" Wie selbstverständlich nannte er mich beim Vornamen. Was im Prinzip nicht verwunderlich war, da es zur Firmenpolitik gehörte sich beim Vornamen zu nennen. Unkomplizierte Kommunikation mit flacher Hierarchie und so. Aber aus irgendeinem Grund fand ich es viel zu intim meinen Namen aus seinem Mund zu hören. Vor allem, weil er sich dabei keine Armlänge von mir entfernt mit seinen warmen Händen auf mir befand. Ich hob den Blick und sah erneut in die kühlen grauen Augen des Fremden.

„Nora?"

„Mir geht es gut, danke. Sie können mich jetzt loslassen." Er ließ seine Hände langsam sinken und strich dabei leicht an meinen Armen entlang. Hatte er das absichtlich getan? Sein Gesichtsausdruck ließ keine Schlussfolgerungen zu.

„Vielleicht sollten Sie nach einer durchzechten Nacht nicht so hohe Schuhe anziehen." Dabei musterte er mein Gesicht mit einem abschätzigen Blick.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 23, 2022 ⏰

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