Georg Britting feat. ME

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Ich markiere euch mal die Stellen die von

Britting       und   mir geschrieben wurden.

Das sind grünschwarze Tümpel, von Weiden überhangen, von Wasserjungfern übersurrt, das heißt: wie Tümpel und kleine Weiher, und auch große Weiher ist es anzusehen, und es ist doch nur Donauwasser, durch Steindämme abgesondert vorn großen, grünen Strom, Altwasser, wie man es nennt. Fische gibt es im Altwasser, viele; Fischkönig ist der Bürstling, ein Raubtier mit zackiger, kratzender Rückenflosse, mit bösen Augen, einem gefräßigen Maul, grünschwarz schillernd wie das Wasser, darin er jagt. Und wie heiß es hier im Sommer ist! Die Weiden schlucken den Wind, der draußen über dem Strom immer geht. Und aus dem Schlamm steigt ein Geruch wie Fäulnis und Kot und Tod. Kein besserer Ort ist zu finden für Knabenspiele als dieses gründämmernde Gebiet. Und hier geschah, was ich jetzt erzähle.

Die drei Hofberger Buben, elfjährig, zwölfjährig, dreizehnjährig, waren damals im August jeden Tag auf den heißen Steindämmen, hockten unter den Weiden, waren Indianer im Dickicht und Wurzelgeflecht, pflückten Brombeeren, die schwarzfeucht, stachelig geschützt glänzten, schlichen durch das Schilf, das in hohen Stangen wuchs, schnitten sich Weidenruten, rauften, schlugen auch wohl einmal den Jüngsten, den Elfjährigen, eine tiefe Schramme, dass sein Gesicht rot beschmiert war wie eine Menschenfressermaske, brachen wie Hirsche und schreiend durch Buschwerk und Graben zur zur breitfließenden Donau vor, wuschen den blutigen Kopf, und die Haare deckten die Wunde dann, und waren gleich wieder versöhnt. Die Eltern durften natürlich nichts erfahren von solchen Streichen, und sie lachten alle drei und vereinbarten wie immer: „Zu Hause sagen wir aber nichts davon!“

Die Altwässer ziehen sich stundenweit der Donau entlang. Bei einem Streifzug einmal waren die drei tief in die grüne Wildnis vorgedrungen, tiefer als je zuvor, bis zu einem Weiher, größer, als sie je einen gesehen hatten, schwarz der Wasserspiegel, und am Ufer lag ein Fischerboot angekettet an einem Baum. Leise schlichen sich die drei Buben an, um zu sehen, ob jemand da war, dem das Fischerboot gehört. Doch niemand stand in ihrer Nähe, so kletterten die Ältesten hinein, der Jüngste musste das Boot abketten. Er tat es, doch wollte er nicht einsteigen, hatte ein schlechtes Gefühl im Magen und sprach dies auch aus.

Der Zwölf- und der Dreizehnjährige lachten den Elfjährigen aus, verspotteten ihn. Wut erfasste den Jungen und er stieg ein. Zu dritt ruderten sie durch das schwarze Gewässer, taten, als seien sie Piraten, hätten ein Geisterschiff zu lenken, sie sahen sich die vielen Fische an, die sie im dunklen Wasser erkennen konnten und kammen immer weiter von zu Hause weg. Leider merkten sie es nicht!

Als es langsam Mittag wurde, sahen sie ein altes, verlassenes Haus, welches direkt am  Weiher stand. Grünschwarz schillernd wie das Wasser stand es da. Ohne ein Hauch von Leben ragte es aus der Erde.

Die drei Buben ruderten zum Haus und sahen es sich von außen an. Das Haus war alt und man merkte ihm die Jahre an. Die Treppen, auf denen die Jungs hoch liefen, knarrten unter jeder Bewegung, die Tür, die sie öffneten, quietschte in einem gespenstischem Laut, der die Buben zusammenzucken ließ. „Ist jemand da?“, riefen die drei, doch keiner antwortete, also liefen sie lachend in das Haus hinein. Doch sahen sie die dunkle Gestalt, die im Schatten stand und mit bösen Augen sie anblickte, nicht.

Nicht lange und die drei fanden ein großes Fischernetz und eine Axt, die an einem Tisch lehnte. Den Buben gefiel das Haus und sie machten es sich zum neuen Versteck. Sie kehrten zurück zu dem kleinen Fischerboot und ruderten schnell nach Hause. Bevor sie aber nach Hause liefen, vereinbarten sie wie immer: „Zu Hause sagen wir aber nichts davon!“

Doch hätten sie es lieber gesagt, man hätte sie gewarnt. Denn das Haus, das sie gefunden hatten, war nicht nur irgendein Haus! Nein, es war viel mehr als das!

Die drei Buben fuhren oft mit ihrem kleinen Boot zu ihrem neuen Versteck. Sie blieben meist bis spät am Nachmittag dort, machten sich ein Feuer, fingen Fische mit dem Fischernetz und grillten sie, um sie zu verspeisen. Jedoch gab es für den jüngsten Buben einen Nachteil, denn seine Brüder wurden immer aggressiver, aber auch nur, wenn sie sich dem Haus näherten oder im Haus waren.

So ging es zwölf Tage lang und am zwölften Tage geschah es, wovon ich euch berichten will.

Der Dreizehnjährige hackte Holz mit der Axt, und der Zwölfjährige half ihm, denn für einen allein war die Axt zu schwer. Der Elfjährige war auf dem Fischerboot und fing die Fische, die sie später verspeisen wollten. Die beiden älteren Brüder beobachteten den Jüngsten raubtierhaft und mit bösem Blick. Sie waren nicht sie selbst, so still und ohne Witz.

Als der Jüngste mit dem Boot ans Ufer kam, schlichen sich die Älteren leise an ihn heran. Der Elfjährige stand auf und wollte sich gerade zu seinen Brüdern umdrehen. Als sie die Axt mit Schwung hoben und dem Jüngsten den Kopf abhackten. Rot färbte sich das Boot, rot wurde auch das Wasser.   

Als die zwei wieder zu verstand kamen, sahen sie ihren Bruder tot im Boot, aus Panik sprangen sie ins Boot und ruderten zur tiefsten Stelle und warfen ihren Bruder über Bord. Sie kehrten nicht zum Haus zurück, denn sie hörten ein gespenstisches, grausames Lachen, das tief aus dem Gebäude kam. Nein, sie ruderten wieder zurück dahin, wo sie das kleine Fischerboot gefunden hatten.

Wie in Trance wuschen sie dort ihre Kleidung und ihr Gesicht und rannten dann nach Hause. Zu Hause fragten die Eltern, wo ihr jüngster Bruder sei. Doch antworteten die beiden, sie wüssten es nicht. Er sei vorgelaufen, meinten die zwei. Die Eltern machten sich Sorgen, doch suchten sie nicht. Sie dachten, ihr Sohn sei zu einem Freund gelaufen und würde bald kommen. Es vergingen Stunden und es wurde Nacht, der Junge aber war noch immer nicht zu Hause. So gingen die Eltern ihn suchen und während sie suchten, schlichen sich ihre beide älteren Söhne davon.

Alle drei Jungen wurden nie gefunden.

Ein Jahr verging und am selben Tag, an dem auch der Elfjährige starb, verschwand ein anderer Junge und kurz darauf auch seine Brüder, genau so wie die drei Hofberger Buben. Doch hätte auch nur einer von ihnen sich seinen Eltern anvertraut, so hätten sie von dem alten Fischer gehört, der vor mehreren hundert Jahren auf schreckliche Weise gestorben ist und seitdem in dem Haus sein Unwesen treibt.

Er nimmt Besitz von einem oder auch zwei Jungen und köpft immer den Jüngsten. Denn er selbst war einmal der jüngste Bruder von drei, und seine Brüder hatten ihm mit derselben Axt, wie sie noch immer im Haus stand, den Kopf abgehackt.

Seitdem wiederholt sich die Geschichte jedes Jahr am selben Tag.

BrudermordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt