Der Erlös

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"Hier! Pack deine scheiß Sachen in deinen beschissenen Koffer und verschwinde endlich zu meinen behinderten Eltern oder sonst wo hin! Hauptsache du verschwindest!", schrie mich meine Tante wie des öfteren an und schmiss mit meinem Koffer nach mir. Emotionslos wie immer schnappte ich meine Sachen und stopfte diese achtlos in das Gepäckstück. So schnell es ging verließ ich das Haus meiner Tante und wollte es auch am besten nie wieder betreten.

Wütend und mit Tränen in den Augen lief ich, wo mich meine Füße hintrugen. Ich ging immer weiter bis ich irgendwann auf einer kleinen Wiese neben den Gleisen zusammensackte. Heulend lag ich auf den Rücken und schlug auf den Boden. "Wieso musste dieser Lastwagen Fahrer die Ampel übersehen? Was hatte Gott gegen uns, dass er mir das wichtigste in meinem Leben wegnehmen musste? Ich halte das alles nicht mehr aus! Bitte gib mir einem Grund, warum ich noch bei deiner blöden Schwester wohnen soll oder überhaupt noch hier auf der Erde leben soll? Siehst du nicht wie sie mich behandelt? Warum hilfst du mir nicht? Sollte eine Mutter seinem Kind nicht helfen?", rief ich schluchzend in den Himmel.

Meine Mutter war bei einem Autounfall vor einem Jahr verstorben und deshalb wohnte ich bei ihrer Schwester, die sich einen Dreck um mich kümmert. Ich wuste nicht wieso sie so war aber ich musste damit leben da ich sonst alleine auf der Straße gewohnt hätte.

Meinen Vater hatte ich nie kennen gelernt. Er solle damals, als er erfahren hatte, dass meine Mama mit mir schwanger war, einfach abgehauen sein. Man sah ihn nie wieder. Das machte mir nie etwas aus. Es gab immer nur Mama und mich. Ein unbesiegbares Team. Wir hatten ein wundervolles Leben, bis dieser dämliche Lastwagen Fahrer die rote Ampel übersah und voll in das Auto meiner Mutter krachte. Ich würde das dem LKW-Fahrer nie verzeihen.

Da ich also keinen Vater hatte und auch sonst keine anderen Verwandten hatte, beschloss meine Opa, dass ich bei dieser grausamen Frau einziehen sollte. Meine Oma glaubte, dass wenn ich bei ihrer zweiten Tochter wohnen würde, ein wenig das Gefühl hatte, als wäre meine Mutter noch am Leben. Tja, falsch gedacht. Sie war das komplette Gegenteil meiner Mutter. Ich wollte meine Großeltern davon überzeugen, dass es besser wäre, wenn ich bei ihr wohnen würde. Doch Opa bestand darauf.

Hier stand ich also. Alleine mit meinem Koffer auf der kleinen Wiese. Ich wollte weg von hier. Mir kam der Gedanke, einfach den Schienen zum nächsten Bahnhof zu folgen und von dort aus zu meinen Großeltern zu fahren.

Während ich also neben den Gleisen herging, zerbrach ich mir den Kopf mit dieser Frage, die ich mir schon lange stellte. Sollte ich es tun, oder nicht? Viel Zeit blieb mit nicht mehr mich zu entscheiden, denn ich wusste, dass der Zug in ein paar Minuten an mir vorbeifahren würde. Nervös umklammerte ich den Koffer in meiner Hand noch etwas stärker. Sollte ich es tun? Ich konnte mich einfach nicht entscheiden. Würde ich es tun, würde es doch eh niemanden interessieren. Es interessierte doch sowieso keinen was ich machte. Keiner würde sich fragen, wo ich war. Niemand würde mich vermissen.

Schließlich entschied ich mich, es doch zu tun. Ich ging also langsam vor zu den Schienen und stellte meinen Koffer neben mir auf den dreckigen Boden ab. Zum Glück war niemand in der Nähe der mich abhalten konnten. Da hörte ich das Pfeifen des öffentlichen Verkehrsmittel. Endlich, der Zug. Ich machte mich bereit, auf die Gleise zu springen und erlöst zu werden. Da sah ich das rote, schwere, metallene Gefährt. Das war der Moment in dem ich glücklich vor den Zug sprang.

Mama, wir sehen uns wieder...

Wiedersehen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt