2. Karneval der Illuminaten
Das vibrierende Brummen, das den bevorstehenden Austritt aus dem Link ankündigte, kam unerwartet früh. Schon 15 Stunden nach dem Start im AC-System – das war kaum halb so lange, wie ein Flug von Sol nach Alpha Centauri dauerte. Alex Either hatte geplant, den Abend geruhsam im Observatorium der MESSENGER zu verbringen. Nicht dass man im Link Sterne sehen konnte. Man sah, nun, abstrakte Muster und Farben. Manche Menschen mochten das, so wie Either. Zu Hause auf Terra gab es sogar nachts Trivid-Sendungen mit Aufnahmen von Link-Durchgängen.
Es wurde aber nicht wirklich geruhsam. Nach vielleicht einer halben Stunde öffnete sich das Schott und Rudina Shroty, genannt Rudy, setzte sich in den Nachbarsessel. Rudy wollte reden. Das war nichts Besonderes. Aber gerade irgendwie unpassend.
„Du solltest nicht so viel hinausstarren", sagte sie. „Das ist ungesund."
Either runzelte die Stirn. Als ob die MESSENGER dreimal die Woche einen Link passierte! Und übrigens: Was machte Rudy eigentlich gerade? Aber es wäre sinnlos gewesen, diese Frage zu stellen – Rudy hielt nichts von Gleichbehandlung.
Also wechselte er das Thema: „Hör mal, hältst du es für einen Zufall, dass bereits unsere erste interstellare Expedition einen belebten und bewohnbaren Planeten entdeckt hat? Gibt es die Dinger wie Sand am Meer? Und dann noch bei einem so unwahrscheinlichen Kandidaten wie Alpha Centauri ..."
„Naja, so unwahrscheinlich ist AC auch wieder nicht", gab Rudy langsam zurück. „A und B sind so weit voneinander entfernt, dass sie jeweils eigene Planetensysteme haben, die sich nicht ins Gehege kommen. Und Proxima ist ja sowieso ganz weit weg. Gut, technisch gesehen ist es ein Triple, aber für alle praktischen Belange sind es einfach drei einzelne Sonnen, die zufällig recht nahe beieinanderstehen."
„Keine Antwort auf meine Frage", sagte Either.
„Keine Bearbeitung möglich – Daten ungenügend", meinte Rudy achselzuckend.
Either setzte sich etwas bequemer zurecht. „Ich stelle mir oft vor, dass es unzählbare Mengen an erdähnlichen Planeten gibt", bekannte er. „Ich meine wirklich erdähnlich, nicht das, was die Astronomen dafür halten. Ich stelle mir dann vor, wie ... Nun, wie sie aussehen. Wie das einheimische Leben dort aussieht."
„Siehst du", antwortete Rudy, „das meinte ich, als ich sagte, dass du nicht so viel da hinausstarren solltest."
Wie hatte sie jetzt den Schlenker wieder hingekriegt?
In diesem Moment begann das Brummen. Leise zuerst und kaum spür- und hörbar, aber doch typisch und eindeutig.
„Das ging aber schnell!", rief Either verblüfft und sprang auf, um im Steuerraum die Geschehnisse zu beobachten.
„Kann dann wohl nur Barnards Stern sein. Alles andere ist viel weiter weg", stieß Rudy hervor, die hinter ihm herrannte.
Das Observatorium lag auf demselben Deck wie die Zentrale, nur ein paar Ecken entfernt. Nicht einmal eine Minute nach dem ersten Brummen betraten beide die Zentrale. Wilson, die Nummer Drei der Rangfolge, wollte den Kommandosessel räumen, aber Either winkte ab und setzte sich in die Beobachterreihe. Rudy ließ sich neben ihm nieder.
Die Atmosphäre in der Zentrale war ruhig und konzentriert. Gute Leute, dachte Either mit einem gewissen Stolz. Das Brummen wurde lauter, der Rücksturz musste nun unmittelbar bevorstehen.
Und dann kam er. Die Borduhr zeigte an: Di, 05.07.2203, 20:32. Übergangslos wurde es still, und die Bildschirme der Optik leuchteten auf. Sekunden später liefen die ersten Auswertungsresultate ein, schematisch dargestellt.
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Piper (deutsche Version)
Science FictionDies ist der erste winzige Teil eines recht großen SF-Projekts: Eine Future History der Menschheit. Sie wird erzählt in Form von kurzen Geschichten / Kurzgeschichten. Der Zeitabstand zwischen den einzelnen Stories beträgt wenige Monate bis wenige Ja...