Kapitel 1

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Es ist soweit. Ich sitze im Bus. Seit ich denken kann, arbeite ich hierfür. 

Die "Opéra de Paris".

Meine ganze Kraft habe ich immer nur ins Ballett gesteckt, um heute hier sein zu können.

Ein Gähnen entfährt mir und ich schaue aus dem Fenster, nachdem ich das Lied "Prism Of Love" auf meinem Spotify angemacht habe.

Wir sind in Paris. Ich schaue den leuchtenden Eiffelturm, an dem wir grade vorbeifahren, an. Sowas kann ich jetzt jeden Tag sehen!

Ich habe den ganzen Weg über hierher geschlafen. Wie soll ich den heute Nacht ein Auge zu kriegen? Wie meine Mitbewohnerin so ist? Ob ich wohl mit meinem Französisch hier klarkomme? Ich meine, es ist gut, aber ist es denn gut genug? Was ist, wenn ich die Lehrer nicht verstehe? Was, wenn ich alles falsch mache? Wenn ich es nicht ins nächste Jahr schaffe?

Plötzlich bleibt der Bus stehen. Sind wir wirklich da? Träume ich? Nein. Wir sind da. Morgen ist meine erste Stunde an der Opéra de Paris.

Da ich die Einzige bin, die hier aussteigt, frage ich den Busfahrer, ob er meinen Koffer aus dem Stauraum holen kann.

Als dies getan ist, nähere ich mich dem Wohnheim.

Mein Bauch kribbelt. Meine Beine zittern.

An der Tür angekommen, klingele ich und atme einmal tief ein und wieder aus.

Eine Junge Frau mit kurzen blonden Haaren öffnet mir die Tür.

Sie begrüßt mich und stellt sich mir vor: "Ich bin Madame Petit. Die Erzieherin und Betreuerin hier. Bist du Nelly Jakobs?"

Ich nicke und schüttele ihre Hand.

"Du kannst dein Gepäck hier stehen lassen.Ich zeige dir mal das Haus.", teilt sie mir mit und weist mich mit einem Handzeichen darauf hin, ihr hinterherzugehen.

Der Flur ist groß und an den Wänden sind entweder Bilder von berühmten Ballerinas oder Plakate für zukünftige Konzerte zu sehen.

Ganz in der Ecke neben dem Beginn der Treppe hängt eine Liste aus.

"Hier kannst du eintragen, wann und welchen Raum du zum Üben willst. Es sind meistens Räume frei, wenn nicht, kannst du auch draußen üben. Aber den Ort zeigen dir bestimmt deine Mitschüler noch."

Sie lächelt mich an und macht sich auf den Weg nach oben. Ihr Lächeln ist herzlich und ich fühle mich durch sie alleine schon sehr wohl hier.

Wir betreten einen Raum, der einem Wohnzimmer sehr ähnelt und mich zusammen mit der Küche in der Ecke sehr an eine Wohnung erinnert. Auf der Couch in der Mitte sitzen eine Gruppe von Jungs und spielen Videospiele.

"Auf, auf, Jungs.", sagt sie, "Morgen beginnt der Unterricht wieder. Ihr habt euch wohl zu sehr an die Ferien gewöhnt, was?"

Sie lacht und die Jungs machen sich ohne Widerworte auf den Weg in Richtung Flur.

"Um 10 ist grundsätzlich Schlafenszeit. Ab da wird das Licht ausgeschaltet und auch das WLAN funktioniert von da an bis zum nächsten Morgen um 5 Uhr nicht mehr. Am letzten Ferientag mache ich aber meistens ein paar Ausnahmen."

Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich schockiert gucke, bis sie mir erklärt:

"Wir machen das nicht, um euch zu Ärgern. Der Sinn des Ganzen ist es, euch keinen Schlaf zu rauben, indem ihr euch von eurem Handy oder anderem ablenken lasst."

Sowas bin ich überhaupt nicht gewöhnt. In Berlin mussten wir zwar um zehn schlafen, meistens sind wir aber doch noch ein paar Stunden wach geblieben und haben geredet und Fern geschaut oder gelesen.

Sie zwinkert mir zu und nähert sich der Küche.

"Malou, Josefine, Rosalie: Ab ins Bett!", fordert sie die drei Mädchen in der Küche auf.

"Ja, ja.", sagt ein Mädchen mit braunen Haaren und einem Messy- Dutt auf dem Kopf, "Wir stellen nur noch kurz den Smoothie in den Kühlschrank."

Ich sehe auf das Getränk in ihrer Hand. Es ist grün und sieht nicht wirklich appetitlich aus. Mir wird sogar fast schlecht, als sie damit an mir vorbei geht, um es in den Kühlschrank zu tun.

Die Mädchen gehen nach oben und wir gehen hinterher.

"Der Flur der Jungs ist unten. Eurer ist hier.", sagt sie, als wir bei den ganzen Zimmern angekommen sind. Es sind mindestens 10. Ich bekomme regelrecht Platzangst, weil der Flur so eng, die Türen jedoch so nah aneinander sind.

Bei einem Zimmer, welches sich relativ in der Mitte befindet, bleibt sie stehen.

Sie klopft an der Tür und schon nach einigen Sekunden ruft jemand: "Herein!"

Wie betreten das Zimmer. 

Es ist nicht besonders groß. An der Seite stehen zwei Betten hintereinander. Beide sind etwa 90 Zentimeter breit. Zudem sieht es ziemlich trocken aus. Die Wände sind hellblau-grau und hier hängen keine Bilder oder Lichterketten oder andere Deko...

"Hallo, ich hab dir jemanden mitgebracht.", sagt sie in den Raum hinein und macht eine kurze Pause, "Das ist Amélie, deine Zimmernachbarin.", erklärt sie, als ein Mädchen mit blonden Haaren auf mich zukommt und mir die Hand schüttelt.

"Hey.", begrüßt sie mich und zieht mich, während sie meine Hand noch in ihrer hat, an sich.

"Das ist Nelly.", stellt Madame Petit mich vor, "Aber ihr könnt euch einander ja morgen nochmal richtig vorstellen. Jetzt aber... ab ins Bett! Nelly, ich bringe dir dein Gepäck sofort nach oben."

Sie wünscht uns eine gute Nacht und verlässt das Zimmer. 

Ich habe so viele Fragen an Amélie, aber ich habe Angst, dass die Konversation unangenehm wird...

"Weißt du, wann wir morgen aufstehen sollten?", frage ich. Vielleicht ergibt sich ja etwas von selbst.

"Geweckt wird um 5. Ich stehe um 4 auf.", erklärt sie und legt sich auf ihr Bett.

Als sie meinen fragenden Blick bemerkt, sagt sie in einem etwas genervten Ton: "Ich gehe joggen."

"Cool.", entgegne ich, "Darf ich mitkommen?"

Doch eine Antwort bekomme ich nicht. Sie hat sich zur Wand gedreht und die Augen geschlossen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 23, 2022 ⏰

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Prima Ballerina/ von Nicole BrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt