Ich erwachte auf einem Stuhl in der Dunkelheit. Meine Augen versuchten vergebens einen Lichtstrahl aus der Umgebung herauszufiltern. Vergeblich. Aber das schwarze Nichts, das mich umgab, brachte mir die erste Erleuchtung. Diese war, dass ich mich in einem noch unbekannten Ort befand und mir allmählich klar wurde, dass ich weder wusste wer ich war, noch woher ich kam. Die Erinnerungen in meinem Kopf waren ebenso ausgegraut wie diese bedrückende Umgebung. Doch nahm ich etwas wahr, dessen Wahrnehmung meine Augen nicht fähig gewesen wären.
Das gleichmäßig metallisch flatternde Geräusch musste nur ein paar wenige Meter von mir entfernt sein. So gab sich mir nun ein Punkt in dieser Räumlichkeit dar, die mir nun nicht mehr eindimensional erschien. In meinen Gedanken visualisierte sich ein Raum, obwohl meine Augen ins Dunkel blickten. Ich sah in der Mitte des Raumes einen Stuhl, auf dem ein schleierhafter Schatten saß. Dieser Schatten musste ich gewesen sein. Die fehlende Erinnerung an meine optische Beschaffenheit wurde in meinen Gedanken durch etwas anderes ersetzt. Etwas.. sinnbildliches. Etwa 6 Meter Gegenüber dieses Sinnbildes lokalisierte ich das konstante Metallgeräusch. Es war nicht besonders laut, jedoch eintönig und... ja, mechanisch. Seltsam, ich konnte mich nicht an meinen Ursprung erinnern aber wusste die mathematischen Gegebenheiten um mich herum zu entschlüsseln. Und dann fiel mir etwas auf. Das Geräusch wirkte plötzlich vertraut und ein weiteres Bild fügte sich meiner Gedankenwelt ein, gemeinsam mit dem Wort Lüftungsschacht. Woher diese Erinnerung herkam konnte ich nicht bestimmen, aber ich kannte dieses Wort ebenso wie die Funktion dieser Apparatur. Die Leere in meinem Kopf schien mit jeder weiteren Erinnerung verdrängt zu werden, aber noch war ich davon entfernt auch nur eine einzige an mein früheres Ich zu erschließen. Ich suchte die Umgebung nach weiteren Impressionen ab. Ein anderes Geräusch gab es nicht, aber die neu aufkommende Erinnerung an das Prinzip des Halls verhalfen mir die Umgebung als relativ klein einzustufen.
Dann setzten meine Bewegungen ein. Arme und Beine ermöglichten es mir, die Areale direkt neben und vor dem Stuhl abzutasten. Der Boden war von einer glatten Beschaffenheit und strahlte eine unbehagliche Kühle aus. Ich konnte eine Kachelform ertasten und verstand nun, dass ich im inneren eines Gebäudes sein musste. Um den Radius der Ertastung zu vergößern setzte ich langsam einen Fuß vor den anderen und beugte mich auf die Knie. Von Innen nach Außen zog ich spiralförmig meine Untersuchung fort, bis ich auf eine weitere Gewissheit stieß. Der neue Gegenstand, den meine Hand umgriff musste etwas wie ein Kabel gewesen sein. Seine Oberfläche war noch glatter als die des Kachelbodens, hatte aber im Gegensatz zu diesem eine kreisförmige Statur. Hand für Hand holte ich das Kabel zu mir ein, bis ich einen Widerstand spürte und das Kabel abrupt einen Halt machte. Unter Spannung hielt ich das Kabel weiterhin fest und bewegte mich immer weiter Richtung Quelle der Spannung und setzte dabei wieder eine Hand vor die nächste. Die Spannung wurde immer stärker und endete am nächsten Objekt, das ich nun untersuchen konnte.
Aus einem vorerst eisernen Klotz mit Riegel wurde ein Stromkasten, dessen Funktion sich mir augenblicklich ergab und mir das erste mal ein anderes Gefühl vermittelte, als ich sie bis jetzt erlebt hatte. Hoffnung. Ein gutes Gefühl. Denn aus Strom werde Licht. Entschlossen legte ich Schalter für Schalter um, bis der Raum letztendlich beim Umlegen des vorletzten Schalters mit dem Licht der Erkenntnis geflutet wurde. Weiß-graue Apparaturen, Gläser, Schreibtische, Notizen und Tafeln, mechanische Teile und in der Mitte der Decke eine grässlich helle Leuchtstoffröhre. Kein Verständnis konnte ich der Zusammensetzung dieser Dinge entringen. Jegliche weitere Überlegungen hätten mich höchst frustriert, also schweifte mein Blick in eine der noch ungesehenen Ecken des Raumes, in der eine Tür mit einer darüberliegenden Leuchtaufschrift mit dem Wort "Exit" zu sehen war.
Exit. Ausgang. Das musste der Ort sein, an dem sich all meine Fragen zu mir und dieser Welt beantworten würden. Geschwind wollte ich diesen Ort verlassen. Ich hatte die Dunkelheit in diesem Raum überwunden, genauso könnte ich auch die Dunkelheit in meinem Kopf überwinden, wenn ich herausfände, wer ich war. Meinem Entdeckungsdrang kam die Vorfreude hinzu und ich lief schnell und gebannt in gerader Linie auf die Tür zu, in der Hoffnung, endlich Erkenntnis zu finden. Ich wollte gerade meine Hand zum Türgriff ausstrecken, als ein erschütterndes und ruckartiges Ziehen meinen Kopf nach hinten riss. Meine Beine flogen vorne hoch und streiften einen Teil der Tür. Ich lag mit dem Rücken auf dem kalten Fliesenboden und verstand letztendlich. Ich verstand in dem Moment, als meine Beine die Tür berührten und mein Kopf zurückgerissen wurde. Meine Beine, die steif und glänzend waren. Mein Kopf, der mit eben jenem Kabel verbunden war, das mich zu dem Stromkasten führen sollte. Und mir wurde klar, dass ich für immer in der Dunkelheit meiner Gedanken bleiben würde. Ich ging zum Stromkasten, sah mein Leben in 5 Minuten an mir vorbeiziehen und legte den letzten Schalter um, den ich im Zufall der Finsternis übersehen hatte.. Darüber befand sich ein mit dünnem Klebeband fixierter Aufkleber mit der Aufschrift "Roboter".
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Exit - Der Weg zur Erkenntnis
Short StoryStell dir vor, du wachst in einem dunklen Raum auf und weißt nicht, wer du bist oder wo du herkommst. So ergeht es unserem Protagonisten in dieser Kurzgeschichte. Wird er einen Weg aus der Dunkelheit finden und die Selbsterkenntnis erlangen, die er...