Im Lager

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Wir fahren schon eine ganze weile. Weshalb ich vermute das sie mich raus aus der Stadt bringen. Immer wieder versuche ich ihnen zu entlocken wo sie mich hinbringen, doch diese Männer sind echt hartnäckig! Nach hunderten von versuchen, habe ich es aufgegeben. Mittlerweile versuche ich ihre Nerven so sehr zu strapazieren, dass sie mir alles was ich wissen will freiwillig verraten. Nur damit ich endlich Ruhe gebe. Ab und zu sage ich so Sätze wie: "Wohin bringt ihr mich?", "Wann sind wir da?", "Ich habe Hunger!", "Ich muss mal auf Toilette!". Die Männer jedoch ignorieren mich und schenken mir kein bisschen Aufmerksamkeit. Alle haben den Blick stur geradeaus oder aus dem Fenster gerichtet. Alle, bis auf einen der Männer. Dieser eine Mann schlägt seit mindestens zehn Minuten seinen Kopf gegen die Fensterscheibe und murmelt vor sich hin. "Ihr seid scheiße!" Sage ich diesmal extra laut damit auch alle es ganz genau hören. Obwohl man mich auch super verstehen würde, wenn ich mit normaler Lautstärke spreche. "Halt den Mund...halt den Mund..." Murmelt der Mann der immer noch seinen Kopf gegen die Scheibe schlägt. "Ihr seid schon dumm, ich meine anstatt das ihr mich anständig entführt macht ihr so einen Quatsch. Ich langweile mich! Kennt ihr dieses Mädchen, dass Achteinhalb Jahre lang entführt und gefangen gehalten wurde? SIE hatte es bestimmt besser!" (Nichts gegen das Mädchen XD) "Sei leise...sei leise...." Begann er jetzt zu murmeln, hält sich mit beiden Händen die Ohren zu und schaukelt leicht auf seinem Stuhl hin und her. Der hat ja echt keine Nerven. Umso besser für mich. "Wie heißt ihr eigentlich?" Frage ich diesmal extra an den Mann der kurz vorm aus rasten ist gerichtet. Der Mann hat vermutlich gar nicht mitbekommen das ich mit ihn rede, weil er mich überhaupt nicht beachtet und stattdessen stärker hin und her schaukelt. "Hallo? Du da vorne! Darf ich euch eigentlich dutzen? Oder eher sietzen (?) ? Ich weiß nicht, eigentlich sietzt man ja Menschen vor denen man Respekt hat oder die man nicht kennt. Respekt vor euch habe ich auf jeden Fall keinen und ihr habt mich entführt, dass heißt wir lernen uns kennen. Außerdem....." Rede ich heiter drauf los, doch werde von einem Schrei unterbrochen. Der Mann, der wie ein verrückter vor sich hin gemurmelt hat, hat mit seiner Faust die Fenster Scheibe eingeschlagen. Da hat aber jemand ein Problem. "Ich glaube du solltest die Wunde waschen, sonst entzündet sie sich." Sage ich ruhig und tue so als ob nichts passiert wäre. Ich will gerade anfangen weiter zu sprechen, da dreht er sich mit so einem beängstigenden Blick um, dass ich sofort wieder meinen Mund zu mache. "Sei einfach leise!" Knurrt er und ich bekomme wirklich ein bisschen Angst. Ich bin hier nur von verrückten Umgeben! Ich weiß das es dumm ist, aber ich will ihn provozieren. Ich hab ihn gleich soweit. "Mir ist aber langweilig!" Jammer ich rum. "Mir egal! Sing ein Lied im Kopf oder zähl die Bäume an denen wir vorbei fahren. Hauptsache du tust es leise und nervst mich nicht!" "Das ist doch auch langweilig!" Jammer ich wieder rum. "Was habe ich gesagt? Du sollst mich nicht nerven!" Schreit er mich an und ich sitze da ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Ich warte darauf das er sich ein bisschen beruhigt hat, dann fange ich an zu reden: "Warum fragst du mich etwas, wenn du es dir selbst beantwortest?" Der Mann schaut mich ungläubig an, als hätte ich gesagt das ich kein Nutella mag. Durch seinen Blick fange ich richtig an zu lachen. Ich wippe auf meinem Sitz hin und her, weil ich vor lachen kaum noch Luft kriege. Ich glaube ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr so herzhaft gelacht. Der Mann schaut mich kurz an, dreht dann aber seinen Blick wieder nach vorne und schüttelt den Kopf. Das gibt mir den Rest. Ich fange noch lauter an zu lachen. Der Mann am Steuer beginnt schon leicht zu lächeln. Plötzlich tauchen Bilder vor meinem Auge auf, auf denen ich genauso laut lache wie jetzt. Diese Bilder sind aber aus meiner Kindheit im Waisenhaus. Als mein Bruder noch mit mir war. Er hatte ein Glas Saft verschüttet und wollte nicht das die Betreuerinnen etwas merken. Aber unsere Klamotten waren im anderen Raum, da wo die Betreuerinnen saßen. Deshalb hat er sich ein Tuch um die Hüften gebunden und ist so rum gelaufen. Als die Betreuerinnen ihn fragten warum er so rum läuft hat er geantwortet das es jetzt Mode sei. An dem Tag habe ich den ganzen Tag lang so gelacht wie jetzt. Diese Bilder machen mich etwas traurig, weshalb ich aufhöre zu lachen und stattdessen einen ernsten Gesichtsausdruck annehme. "Wo ist er?" Frage ich an niemanden bestimmten gerichtet. Der verrückte Mann dreht sich verwundert zu mir um. Wahrscheinlich denkt er das ich verrückt bin. Ein bisschen vielleicht. "Wer?" Fragt er mich immer noch verwundert über meine ständig wechselnde Laune. Anstatt ihm zu antworten schaue ich nur ernst an. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich nicht sagen sollte das Tony mein Bruder ist. Als dürften sie es nicht erfahren. "Ach so. Du meinst den Mann der mit dir war. Deinen Freund." Sagt der Mann mit einem amüsierten Lächeln im Gesicht. Wieder antworte ich ihm nicht. Er schaut mich eine Weile lang an bis er sagt: "Er wird gerade befragt. Im Lager, aber davor haben sie ihn gründlich zu gerichtet. Würde mich nicht wundern, wenn du ihn nicht wieder erkennen würdest." Am Ende des Satzes ist sein Lächeln noch breiter geworden. "Und wohin bringt ihr mich?" "Auch ins Lager." Gerade als er seinen Satz beendet hat, tauchte vor uns ein riesiges Gebäude auf. Das nenne ich mal Timing. Wir parken vor dem Gebäude und steigen aus. Wieder begleiten mich jeweils rechts und links einen Mann an meiner Seite. Einer der Männer die hinter uns gelaufen sind, läuft nach vorne und gibt einen Code ein. Das Tor des Lagers öffnet sich leise und wir treten ein. Das Lager ist kleiner als größer als erwartet. Überall sind Gänge und es kommt mir vor als wären wir soeben in ein riesiges Labyrinth getreten. Die Männer steuern genau auf einen Raum zu. Die Tür wird geöffnet und ich kann in den Raum sehen. Es ist im gegensatz zum restlichen Lager hell eingerichtet. Es gibt einen weißen Tisch in der Mitte und an beiden Enden sind hellgraue Stühle. Die Wände sind hellblau gestrichen. Es sieht eigentlich ganz nett aus. Die Männer schubsen mich rein und schließen die Tür ab. Okay, das ist schon wieder gruselig. Ich setzte mich auf einen der Stühle und schaue auf die Tür. Ich höre leises Gerede vor der Tür und gleich darauf wird von einen der Männer die Tür geöffnet. Doch anstatt das einer der Männer rein kommt, tretet ein anderer Mann den ich noch nie gesehen habe ein. Er ist groß, dünn, hat aber mindestens genauso viele Muskeln wie Tony. Er hat schwarze Haare und genauso schwarze Augen, die mir Angst machten. Es ist als hätte es garkeine Pupillen. So schwarze Augen wie die Nacht. Das muss wohl Carlos sein, der Boss.

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