Alte Bekannte in einer fremden Welt III

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Apio stieß vor Überraschung einen leisen Schrei aus und duckte sich unter der Klinge hinweg. Mehr aus Instinkt als mit klarem Verstand zog er Qiufeng und parierte den nächsten Hieb.

Und nicht nur dies. Als Qiufeng auf den Säbel traf, splitterte der Stahl und rieselte zu Boden. Eine spirituelle Waffe hatte es zerstört. Innerhalb eines kurzen Augenblickes. Das ... das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen!

Sicher, Apio hatte in diesem Spielstand nie wirklich gekämpft und kannte seine Fertigkeiten nicht, aber das ging doch wirklich zu weit.

Ying Diao sah auf seinen Säbel – oder zumindest auf das, was davon noch übrig geblieben war.

„Verzeiht", brachte Apio hervor. „Das war nicht meine Absicht."

Seine Kehle schnürte sich zu, als er auf die Einzelteile blickte, die das wenige Licht schwach reflektierten.

Eine spirituelle Waffe ... einfach so ausgelöscht. Es hatte ihn nicht einmal besonders viel Anstrengung gekostet. Um genau zu sein: Es war etwa so leicht gewesen, wie mit dem Finger zu schnipsen.

Im Augenwinkel nahm Apio eine Bewegung war. Er sprang zur Seite und wich in letzter Sekunde Ying Diaos Schlag aus. Nun – ohne Säbel – hatte er sich entschieden, mit Fäusten zu kämpfen.

Apio kam auf beiden Füßen auf und seltsamerweise fühlte er sich elegant dabei. Elegant! Er hatte sich noch nie in seinem gesamten Leben, elegant gefühlt.

Lange konnte er sich aber nicht über seine neugewonnene Anmut freuen, denn Ying Diao setzte nach. Schlag um Schlag ging in Apios Richtung. Mit gebündelter spiritueller Energie versuchte er ihn zu Fall zu bringen, zerlegte aber nur seine Möbel und sprengte Löcher in Wände und Boden. Druckwellen ließen den Palast erzittern, die Erde erbeben.

Jedem Angriff seines Gegners entging Apio, kam kaum auf den Zehenspitzen auf und musste bereits wieder ausweichen. Mal in einem kleinen Sprung, mal in einer halben Drehung.

Jede Bewegung fließend, wie ein reißender Fluss und gleichzeitig ein ruhiger, doch unergründlicher See, in dem sich das Licht des vollen Mondes spiegelte.

Wie der Wind an einem lauen Herbstmorgen. Schnell gelangte er von einem Punkt zum nächsten, schmiegte sich erst an die einen Blätter und sprang zur nächsten Baumkrone. Kühl auf der Haut und fast greifbar, aber er wich, sobald man die Hand nach ihm ausstreckte. Nie konnte man ihn einfangen, nie auch nur berühren.

Ebenso hätte Apio auf einen Außenstehenden gewirkt. Leider jedoch gab es niemanden, der die Schönheit bewundern konnte. Nur Ying Diao hätte seinen Blick auf ihn richten und mit offenem Mund absolute Vollkommenheit bestaunen können. Doch er tat es nicht. Er war viel zu beschäftigt damit, berühren zu wollen, was immer wieder vor ihm wich, und einfangen zu wollen, was sich nicht in einen Käfig sperren ließ.

Und Apio hatte auch wenig Zeit, sich über seine Ästhetik Gedanken zu machen. Von außen sah es zwar einfach aus – und am Anfang hatte Apio auch nur Fancy! gedacht und sich gefreut, dass die Bewegungen so natürlich kamen wie das Atmen. Nach und nach aber zeigte sich, dass sein Qi noch nicht frei zirkulierte und dass Hua Lis Qi ihm fremd war.

Ying Diao beschleunigte seine Bewegungen. Immer knapper entkam Apio den Schlägen, immer geringer wurde der Abstand zwischen ihnen.

Doch Apio weigerte sich, Qiufeng ein weiteres Mal zu schwingen. Den Spieler wollte er nämlich unter keinen Umständen umbringen.

Seine Gedanken kreisten um die Frage: Wie entkomme ich bloß?

Und der einzige – halbwegs – gewaltfreie Weg, der ihm einfiel: Ying Diao einen zweiten Schlag verpassen und ihn damit hoffentlich ein paar Minuten länger ausknocken.

If the Rabbit dies, the Fox grievesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt