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Bald kam ich nicht mehr umhin, mich bei seinem Spielen weiter aus meinen Verstecken zu lehnen nur um jeden seiner welterschütternden Töne einzufangen, die in meinen Ohren zu tanzen begannen.

Eines blassen Morgens, als er gerade die glänzenden Lider aufschlug, entdeckte er mich, Augen gefüllt von lodernder Freude und Lippen verkrümmt zu einem scheuen Lächeln.

Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass er schüchtern war.

Meine Wangen flammten auf (eine Eigenschaft, die mir sonst peinlich war) als er mich zu sich winkte und ich mich zaghaft neben ihn in das Wiesengras gleiten ließ- zwischen Astern und Klee, Glieder verschlungen mit Blättern und Blüten.

Ein Lächeln stahl sich zwischen meine Zähne und nahm Gestalt auf meinen Lippen an, als Apollo mich ansah. Er war müde vom langen Spielen, vom Besingen der Sterne und der Geburt der Sonne aus dem Morgenhorizont, der nebeln war und heimlich zitternd wie neugeborene Geister.

Er sah mir neugierig in die Augen, bevor er auf die Leier zwischen seinen zerkratzten Knien deutete und fragte:

»Möchtest du Spielen?«

Ich konnte nicht anders, als zu nicken und das zauberhafte Instrument, das warm in meinen Händen wog wie Schauer neuen Sonnenlichtes, an mich zu nehmen.

Ich wusste nicht, wie man die Leier spielte, doch ich versuchte die Einschlafslieder meiner Mutter mit ihren Strängen nachzuahmen, die den Klang von klaren Frühlingbächen mit sich trugen.
In den Tönen lagen die Eindrücke und Gerüche, die meine Kindersinne vor vielen Jahren aufgenommen hatten. Quellend wuschen sie durch meinen Körper, umspülten die Stränge meines Herzens und ließen meine versteiften Muskeln ruhig werden.

Ich schaffte es nicht, sie so nachzuahmen, wie es mein Innerstes Empfinden begehrte, doch Apollo schlief unter meinem Spielen friedlich ein und meine Melodien waren wie ein Auftakt zu etwas Tieferem.

apfelweinlippenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt