Panju -Tochter Chamuels

Kapitel 1.1 - Hellblaue Tulpen

Panju wachte auf und ihr erster Gedanke war: Yasha. Wie jeden Morgen. Dabei kannte sie ihn nicht. Nur wie er hieß, wie er aussah und wie sie sich um ihn herum fühlte. Sie stieg aus ihrem Himmelbett und öffnete die Fenster um sich zu sammeln während sie zusah, wie die Gänseblümchen auf ihrer Terrasse im Wind tanzten.

Nach einem Moment Stille machte sie sich einen Melonentee, kleidete sich und goss ihre Pflanzen, die überall in ihrer Wohnung wuchsen. Am meisten liebte sie bunte Blümchen, wie Vergiss mein nicht und Veilchen. Unscheinbare Mauerblümchen die viele übersehen doch sie nahm sich jeden Morgen Zeit für jede einzelne Blüte.

Sie packte ihre Tasche und fuhr los, zu ihrem Arbeitsplatz: eine Poststelle die ausschließlich eine bestimmte Art von Briefen verschickt: Liebesbriefe. Sie liebte ihren Beruf. Jeden Werktag bekam sie eine neue Ladung Briefe, die Panju mit ihrem Fahrrad an Liebende auf der ganzen Welt überbrachte. Manchmal waren es sich sorgende Familienmitglieder oder alte Freunde aber am liebsten hatte sie Liebespaare als Klienten. Sie liebte es ihre strahlenden Gesichter zu sehen und ihren Geschichten zuzuhören.

Auch an diesem Tag erhielt sie wieder eine große Ladung auszutragender Post. Sie machte ihren Job ruhig und behutsam, daher kam sie immer erst spät zurück nach Hause, was sie allerdings nicht störte. Gleich vormittags fuhr sie los und bei Sonnenuntergang hatte sie nur noch einen Brief übrig. Geschrieben wurde er von einer Gärtnerin, namens Raya. Sie schrieb an ihren Ehemann Luis, der hoch oben im All als Astronaut tätig war. Raya vermisste ihn sehr und legte eine hellblaue Tulpe bei, die sie den ganzen Frühling über besonders zärtlich gepflegt hatte. Es waren seine Lieblingsblumen.

Hinaus in den Weltraum zu fahren und dabei die immer heller strahlenden Sterne zu betrachten war ein seltenes Unterfangen daher genoss Panju jede Sekunde und versuchte sich genau einzuprägen, in welchen Farben die Planeten um sie herum schimmerten. Jene Nacht hätte sie gerne von ihnen geträumt.

Als sie an der Raumstation ankam, erkannte sie direkt, welcher der Astronauten Luis war. Sie erkannte es an dem unverwechselbar weichen Blick, den all jene hatten, die fern von ihrer Liebe waren. Als er die Handschrift seiner Geliebten erblickte, erfüllte ihn eine Wärme, die Panju nur allzu gern miterlebte. Er bestand darauf ihn mit dem Engel zusammen zu lesen, wie es viele taten, die ihre Liebe teilen wollten. Raya schrieb von den Tulpen, und von ihren neu gekreuzten Veilchen. Von Tauben, die sich morgens von ihr füttern ließen und Schmetterlingen, die in ihrem Garten tanzten. Doch vor allem schrieb sie darüber, wie sehr sie ihn vermisste, und wie sie jede Nacht davon träumt, dass sie sich baldig wiedersehen mögen. Panju bemerkte, wie Luis Gesicht langsam rot wurde und glitzernde Tränen von seinem Gesicht tropften, also ließ sie ihm etwas Zeit sich zu sammeln und in Erinnerungen zu schwelgen. Sie beschloss, spazieren zu gehen, um sich etwas umzusehen. Plötzlich fiel ihr wieder Yasha ein, und was er wohl gerade tat. Sie dachte darüber nach, wie sie ihn zum Ersten Mal erblickte und sich gleich geborgen fühlte, sobald sie in seine Augen sah. Er arbeitete in einer Bäckerei neben dem Postamt. Jeden morgen kaufte sie sich dort ihr Mittagessen: Croissant mit Honig oder Marmelade. Er legte es ihr immer schon bereit hin und gibt sich viel Mühe dabei, es zu backen. Immer dachte er nur an sie dabei.

Nach einer Weile rief Luis sie zu sich und drückte ihr einen Brief in die Hand. „An meine Raya", meinte er. Sie verabschiedeten sich und Panju machte sich auf den Heimweg. Zu Hause angekommen machte sie sich noch einen Tee, zog ihr Nachtkleid an und legte sich schlafen. Sie träumte vom Mond und vielen Sternen, die sie zusammen mit Yasha betrachtete. Es war ruhig und von irgendwoher kam eine leise Melodie. Am liebsten würde sie noch längermit ihm in den Himmel schauen, doch mit den Worten „komm zu mir" wachte sie auf.