Kapitel 4

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Kapitel 4

Zwei Welten, seine und meine, die ich vereine indem ich über die Schwelle trete und die Tür hinter mir wieder ins Schloss drücke.

Die Wärme, die mich umfängt, kaum dass ich das Zimmer betrete, ist erdrückend, was umso mehr ins Gewicht fällt, nach der kühlen, frischen Luft dort draußen. Aber hier drinnen ist sie feucht und schwer. Es riecht nach Sex und Schweiß, nach Alkohol und kaltem Rauch. Nach Angst.

Hyunjin hockt mit gesenktem Kopf auf der Bettkante und er atmet so schwer, dass man deutlich sehen kann, wie sich seine Schultern dabei angestrengt heben und senken. Mein Blick geht über ihn hinweg und bleibt sekundenlang an dem blonden Schopf dort auf dem Kissen hängen, wird dann angezogen von dem hellroten Seil, das ohne Spannung über die Bettkante läuft, aber nur so lange, bis Hyunjin den Kopf hebt und mich ansieht. Dann wende ich mich ihm zu.

Da ist etwas Aufgewühltes in der Art wie er mich betrachtet, das wie ein Stromschlag über meine Haut peitscht, unter sie kriecht, britzelnd und leise summend. Und schon wieder klopft mein Herz so wild, dass es hart und schmerzhaft gegen meine Rippen trommelt.

Jetzt steht er auf, fordert damit meine ganze Aufmerksamkeit für sich und ich kann auch gar nicht anders, als mich dem zu beugen. Mit wenigen Schritten ist er bei mir, prallt gegen mich, sodass er mich fast umreißt und schlingt gleichzeitig die Arme um meinen Nacken. Sein hektischer Atem streicht über meinen Hals, schnell und abgehackt, als wäre er gerannt.

„Jinnie...", flüstere ich, umarme ihn ebenfalls, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, doch kaum stehe ich wieder sicher, befreie ich mich aus seinem beengenden Zugriff, schiebe ihn ein Stück von mir, damit ich ihn ansehen kann.

„Jinnie - geht es dir gut?" Meine Hände berühren sein Gesicht, ich betrachte ihn, suche nach irgendwelchen Spuren, die mir verraten könnten, dass etwas schiefgelaufen ist. „Geht es dir gut, hm?" Behutsam gleiten meine Finger in seine Haare und glätten die zerzausten schwarzen Strähnen, die sich längst aus dem Zopf gelöst haben. „Ist alles okay?"

„Es geht mir gut", stößt er atemlos hervor, lächelt plötzlich und ich registriere nur am Rande, dass seine Zähne rötlich schimmern, bevor er seinen Mund gierig auf meinen presst. Ich schmecke Blut und bringe erst jetzt die verschiedenen Eindrücke zusammen. Für Sekunden dämpft das meine eigene Aufregung, aber da stürzt sich Hyunjin regelrecht auf mich, ich höre ihn an meinem Mund heiser und leise lachen, bevor sich seine Finger in meine kurzen Haare graben. Er küsst mich stürmisch und auf eine Art, dass der Aufruhr in meinem Körper abrupt in die Höhe schnellt.

„Danke." Die nächsten Küsse sind fast neckend, während er sich gerade so weit von mir löst, dass er mich ansehen kann. Leuchtende Begeisterung strahlt aus seinen Augen.

„Danke... danke..."

Der stürmische, aber auch liebevolle Überfall löscht für den Moment alles andere aus, trennt die brutale Realität von dem begrenzten Kokon in dem wir uns gerade befinden. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte uns beide für immer darin einschließen. Dass das nicht geht, wird mir oft genug schmerzlich bewusst, weswegen ich den Augenblick genieße, der mir diese Illusion lässt.

Hyunjins neckische Zärtlichkeiten schlagen ohnehin bereits um. Die Verspieltheit weicht einem noch ungestillten Hunger, sanfte Küsse werden drängender, die suchenden Finger, die über den Stoff meiner Kleidung gleiten, forscher und zielstrebiger.

Meine schweren Atemzüge verraten mich, bevor mein Körper es könnte und erneut trifft mich ein unbestimmtes Lächeln. Alles ist jetzt vage, Berührungen, Küsse - das Einzige, was in diesem Moment unbestreitbar ist, ist diese unkontrollierbare Lust, die ihn und mich gleichermaßen mitreißt.

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