3 | Deutschland sucht... was eigentlich?

466 58 14
                                    

Ich nahm mein Weinglas in die Hand und trank einen guten Schluck. Das Bier war schon alle und ich saß mit Freddie auf meinem Bett und sah den Rest der Sendung an.

„Weißt du, was das Problem mit unserer Gesellschaft ist?", fragte ich ihn.

„Dass alle immer nur reden und keiner sich traut, mal was in die Hand zu nehmen?", fragte er zurück.

„Ja, das auch", lächelte ich. „Ich meine aber eigentlich, dass alle denken, sie wären was Besonderes und sich für die meisten Jobs zu schade sind. Warum sonst will keiner mehr Bäcker oder Friseur werden? Alle wollen jetzt Superstar oder 'Talent of the Year' werden. Warum sonst bleiben Millionen Ausbildungsplätze unbesetzt?", fragte ich philosophisch.

„Vielleicht liegt es aber auch an den schlechten Schulbedingungen und an den verkorksten Elternhäusern, die ihren Kindern eintrichtern, dass sie nie auf der Straße landen werden, wenn sie nur lernen die richtigen Schalter bei den Behörden zu drücken", argumentierte Freddie und nahm einen Schluck von seinem Wein.

„Guck dir nur mal die da an", versuchte ich es weiter. „Das Mädchen ist echt ganz süß und trotzdem zieht sie sich an, wie eine Nutte. Wie soll man objektiv auf ihre Stimme achten, wenn man ständig auf die Möpse starren muss?", regte ich mich auf.

Freddie kicherte und lehnte sich zu mir. „Du kannst manchmal echt ganz schön fies sein", gluckste er.

„Ist doch wahr", maulte ich. „Was ist aus der guten alten Zeit geworden, in der die Mädchen brav und die Jungen Gentleman waren. Wo Menschen die Musik um ihrer Musik Willen gehört haben und nicht, weil in den Videoclips Möpse zu sehen waren?", steigerte ich mich hinein.

„Du meinst die Zeit, in der Frauen sich nicht von ihren Männer getrennt haben, obwohl sie Zuhause verprügelt wurden und in denen Homosexuelle öffentlich geächtet wurden? Eine Zeit in der Männer sich den Arsch aufarbeiten mussten und Frauen nicht an die Universität gehen durften?"

Ich rollte mit den Augen. „Natürlich nicht!", antwortete ich. „Ich meine doch nur, dass das Fernsehen die Leute dumm macht!"

„Warum schaust du es dir dann an?", fragte er und sah mich herausfordernd an.

„Du wolltest das doch sehen", verteidigte ich mich. „Ich stelle nur den Fernseher zur Verfügung", grinste ich.

„Ja, klar!", sagte er ironisch." Du tust mir nur einen Gefallen."

„Klar", grinste ich. „Wenn du nicht wärest, würde ich vielleicht noch ein Buch lesen oder einen wirklich guten Film sehen."

„Das ist natürlich Pech", grinste Freddie und ließ sich tiefer auf das Bett sinken. Ich schenkte uns noch mehr Wein ein und wir stießen an.

„Cheers", sagte ich und nahm einen Schluck. Langsam spürte ich den Alkohol in meine Beine sinken. Die Sendung war fast am Ende und ich legte mich auf den Bauch. Mein Kopf sank langsam auf das Kissen und ich versuchte noch, den Rest der Sendung mitzubekommen.

„Was machen wir eigentlich, wenn Melle nächsten Monat geht?", fragte ich schon halb schlafend.

„Naja", flüsterte Freddie. „Entweder suchen wir uns jemand neuen für das Zimmer, oder wir teilen uns die Miete zu zweit."

„Und was willst du?", fragte ich mit geschlossen Augen und gähnte.

„Mal sehen. Ist ja noch ein bisschen hin", sagte er und stellte seine Hand mit dem Wein auf meinem Rücken ab. Noch bevor die Sendung zu Ende war, war ich eingeschlafen.

Blue Birds - LeseprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt