Dead

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Mary lachte den Mond an. Man sagte, man würde verrückt werden, wenn man zu lange in den Mond sah. Man sagte, man wäre verrückt, jemanden zu lieben der schon tot war. Man sagte auch, dass Mary verrückt sei. Und vielleicht war sie es auch. Verrückt ungewöhnlich. Oder verrückt nach ihm.
Mary's nackten Füße tapsten über das feuchte Gras, als sie etwas Unverständliches murmelte.

,,Du bist verrückt."
,,Du auch. Aber ich mag es, verrückt zu sein." Ein Lächeln umspielte meinen Mund.
,,Und ich liebe dich", sagte er.
,,Ich liebe dich", hauchte ich, ,,obwohl du tot bist."
Er legte vorsichtig den Finger auf meine Lippen und flüsterte ganz sachte: ,,Psst! Sag soetwas nicht. Noch bin ich da. Und ich werde niemals aufhören, dich zu lieben."

Entsetzt reiße ich meine Augen auf und fahre mit durchgeschwitzten Klamotten hoch. Ich atme schwer. Es war nur ein Traum, Mary!, versuche ich mir immer wieder einzureden. Ich versuche mich zu beruhigen, mich zu überzeugen, dass das nur mein Unterbewusstsein ist, das mit mir verrückt spielt. Ich schreie laut, doch niemand hört mich. Nichts geschieht. Ich bin allein. Allein mit der Angst. Der Angst vor dem Tod. Doch ich konnte ihn nicht aufgeben! Verdammt nochmal, Mary, er ist TOT! Ja. Er ist tot. Daran kann niemand etwas ändern. Tot. Für immer. Er ist weg und damit muss ich klar kommen, doch meine Gefühle schmerzen. Es ist, als hätte er ein Stück aus meinem Herz entfernt. Ich weiß nicht, wie mein Leben ohne ihn abgelaufen wäre. Ich möchte weinen, ich möchte schreien, ich möchte, dass er zurückkehrt, doch meine Augen bleiben trocken und emotionslos. Ich kann nichts tun. Eingefroren. Und während ich mich nicht rühre, vernehme ich einen Schatten, der durch mein Zimmer huscht. Die Angst kriecht wieder in mir hoch und noch immer kommt kein Laut aus meinem Mund. Der Boden knartscht, meine Kerze, die immer auf meinem Nachttisch steht, wird plötzlich entfacht. ,,Pssst ...", zischt jemand oder etwas. Ich rutsche immer weiter unter die Bettdecke bis nur noch meine Augen zu erkennen sind. Die Angst. Sie verfolgt mich. ,,Hab keine Angst", haucht dieser jemand oder etwas. Noch immer sehe ich keine Gestalt, nur die Schatten. Meine Herzzschläge beruhigen sich und die Angst schwindet langsam. Aufeinmal kommt er auf mich zu. ,,Habe ich dich erschreckt?", fragt er mich, mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen. Wie kann das sein? Wie kann er hier stehen? Vor meinem Bett? Verdammt, er ist tot! Seine Augen funkelten mich glücklich an. ,,Jede Nacht", flüsterte er. Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Die Freude überflutet mich und ich werfe die Bettdecke von mir, um aufzustehen und ihn umarmen zu können. Seine kühlen Hände legen sich an die Seiten meines Gesichts, mit dem Daumen streicht er sanft über meine Wangen. Eine einsame Träne rollt über meine Wange. Er wischt sie vorsichtig weg. ,,Ich habe dich vermisst", hauche ich ihm entgegen. ,,Wie kann das sein? Du bist doch tot!" Er sucht meinen Blick. ,,Obwohl ich tot bin, kann ich nicht aufhören an dich zu denken." Ich hebe meinen Blick und lächele. Er zieht mein Gesicht weiter zu sich herauf und schon berühren sich sanft unsere Lippen. Ich lege meine Hände auf seine muskulöse Brust und genieße diesen Moment. Er wirft mir ein warmes Lächeln zu. Dieses Lächeln, das ich mir so lange so sehnlichst gewünscht habe. ,,Am liebsten will ich dich nie wieder loslassen", flüstere ich ihm ins Ohr. ,,Ich werde jede Nacht zu dir kommen", erwidert er leise, fasst mich unter den Knien, nimmt mich auf den Arm und trägt mich zurück zum Bett. ,,Bleib bei mir!", bitte ich ihn. Er legt sich neben mich ins Bett und schließt mich in seine Arme. Er fühlt sich so lebendig an. Nicht tot. Das war doch alles verrückt. Ich war verrückt.

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