In der Nacht in der Silvan verschwand, schwor ich nie wieder jemanden zu lieben. Zu mindestens nicht auf diese Art und Weise. Klatschnass lag ich unter der dünnen weißen Decke in meinem Bett und schluchzte so stark, dass ich Angst hatte meine fünf Geschwister und meine Eltern zu wecken. ,,Nie wieder", murmelte ich die ganze Zeit vor mich hin und im nachhinein frage ich mich, ob ich dies zu mir selbst murmelte oder ob ich versuchte eine höhere Kraft zu beschwichtigen, die mir das angetan haben musste, denn diesen Schmerz, den ich im Inneren meines Herzens spürte, konnte niemals von natürlicher Natur sein. Doch letztendlich ist das auch egal, denn ich hielt mein Versprechen, ganz egal wem gegenüber ich es einging.
Immer schneller bewegten sich meine, von dem harten Training schmerzenden, Beine über den weißen Stein des Dorfplatzes. Hinter mir nahm ich das leise Keuchen von Nika war und aus den Augenwinkeln konnte ich einer ihrer blonden Zöpfe sehen.
Nika war die erste Person mit der ich mich nach Silvan's Verschwinden anfreundete und selbst jetzt, nach sechs Jahren, war sie immer noch mit Abstand meine liebste Person aus unserem Dorf.
Schlitternd kamen wir vor Tjark's Haus zum stehen. Genauso wie unser ganzes Dorf bestand das Haus aus weißen Gestein und war im Barock Stil gehalten. Efeuranken waren in die steinerne Wände des Hauses gemeißelt und rund um die breite Treppe, welche in das Hausinnere führte, ragten steinerne Blumen aus dem Boden hervor. Zwar war Tjark, der General des Ordens, reich und konnte sich mehr leisten, als so manch Anderer aus unserem Dorf, aber all die versteinerten Pflanzen und das wunderschöne Haus, war nichts besonderes in unserem Dorf.
Schon seit ich denken kann, sieht unser kleines Dorf aus, wie versteinertes Märchen. Die ganze Umgebung bestand aus diesem weißen Gestein, welches fürsorglich gepflegt wurde und nie auch nur etwas schmutzig war. Dafür gab es in unserem Dorf keine einzige lebende Pflanze. Noch nicht mal Unkraut gab es, denn unsere großen massiven Dorfmauern sorgten dafür, dass noch nicht mal die Samen von den wilden Pflanzen unseren Dorfboden berühren konnten und sollte dies doch mal passieren kümmerte Tjark sich darum, dass sie augenblicklich verschwanden. Selbst unser pflanzliches Essen und das Heu für unsere Pferde musste erst getrocknet werden, bevor es in das Dorf gelangen konnte.
Schnellen Schrittes gingen Nika und ich durch die Tür des großen Hauses und versuchten uns in der großen Menschenmasse, die sich im Hausinneren befand, nicht zu verlieren und trotzdem etwas weiter nach vorne zu einer Bühne, die mitten in der Eingangshalle aufgebaut wurde, zu gelangen. Das Schwatzen der Menschen kam als Hall von der blau lackierten und gewölbten Decke zurück und sorgte dafür, dass ich am liebsten meine Ohren zugehalten hätte.
Als wir endlich weit genug vorne waren, damit Tjark uns in der Masse sehen konnte, blieben wir stehen.
Keine fünf Minuten später, kam dann auch endlich ein großer Mann auf die Bühne. Die Haare des Mannes waren kurz geschoren und an seiner Schläfe waren die Haare eher grau als schwarz. Das schroffe Gesicht des Mannes brachte die Menschenmasse zum Schweigen, woraufhin die dunkelblauen Augen des Mannes anfingen zu leuchten.
Tjrak war das Vorbild vieler Jungen und Mädchen und hatte eine Ausstrahlung die zwar warm war, aber einem auch das Gefühl gab, dass man sich verbrennen könnte, wenn sich lang genug in seiner Gegenwart aufhielt. Und auch die erwachsenen Leute respektierten, ja sogar bewunderten ihn und waren ihn so unglaublich dankbar. Alle in unserem Dorf wussten, dass wir es alleine Tjark verdankten, in Sicherheit leben zu können.
Laut räusperte sich Tjark und rief in die Menge: ,,Wie ich sehe seid ihr alle zahlreich erschienen, was mich natürlich sehr erfreut, aber vor allem erleichtert." Fast war es spürbar, wie ein Schwall von Stolz über die Menschen, die gespannt auf die Bühne blickten, fuhr. ,,Wie ihr alle bestimmt wisst ist es bald wieder soweit. Es ist bereits August und es wird auch nicht mehr lange dauern bis der Mond voll ist", sprach Tjark das aus, was alle nicht so wirklich hören wollten. Niemand aus der Menge aus Menschen wagte es irgendetwas zu sagen und fast schien es so, als hätten all diese Menschen vergessen zu atmen.
Seit ich denken kann, bestand dieses Dorf komplett aus Stein und seit ich denken kann, verschwand jedes Jahr am Vollmond im August ein Kind. Keiner konnte sich so genau erklären wie sie verschwanden und was mit ihnen passierte, aber alle wussten, dass mit dem Verschwinden der Kinder, die Wesen etwas zu tun hatten, die wir verzweifelt versuchten, mit den Dorfmauern, auszusperren. Und auch der kleine See, welcher vor den Dorfmauern ruhte, musste etwas damit zu tun haben.
Der See war von großen Trauerweiden umrandet und auf der Wasseroberfläche schwammen große Seerosenblüten- und Blätter. Doch an dem Tag, der nach dem Vollmond im August anbrach, blühten auch andere Pflanzen auf der Wasseroberfläche. Mal tummelten sich violette Veilchen unter den Seerose, mal orangene Primeln. Jedes Mal war es eine andere Pflanzenart. Am Morgen nach Silvan's Verschwinden sorgte der Efeu dafür, dass das Wasser, in das er sich ausgebreitet hat, noch dunkler wirkte.
Gerade als Tjark wie jedes Jahr Anweisungen geben wollte, wie man seine Kinder zu beschützen hatte, obwohl diese Anweisungen nie dafür sorgten, dass alle Kinder nach dem Vollmond wieder in ihren Betten aufwachten, öffneten sich die Türen des großen Hauses mit einem lauten Knall und ein vollkommen mit Blut verschmiertes Mädchen kam durch die Tür gerannt. Um ihre Handgelenke schnürten sich Dornenranken, welche mit ihren hellgrünen Blättern und den leicht rosafarbene Blüten beinahe schön aussahen, wären sie nicht auch noch um den Hals des Mädchen geschlungen. Aus den Stellen, an denen die Dornenranken das Mädchen berührten, floss Blut.
Jeder Bürger des Dorfes sprang augenblicklich weg von dem Mädchen, doch ich wusste genau, dass sie nicht Angst vor ihr hatten. Sie hatten Angst vor der Pflanze, die das Mädchen zum Bluten brachte und sie hatten Angst vor den Wesen, welche die Schönheit in dieser Pflanze erkannten und wussten wie sie diese Schönheit nutzen konnten, um den Tod zu verbreiten.
E̶n̶d̶ o̶f̶ t̶h̶e̶ c̶h̶a̶p̶t̶e̶r̶
Zugegebenermaßen ist das Kapitel ziemlich kurz, aber die nächsten Kapitel werden definitiv länger werden. Ich hoffe euch gefällt die Geschichte bis jetzt zumindestens etwas. Sie ist zwar nicht perfekt, aber irgendwie liebe ich die kleine Welt die ich kreiert habe und ich kann es kaum erwarten sie euch zu zeigen!
Wie würdet ihr es eigentlich finden, wenn ich am Ende von jedem Kapitel Bilder von den erwähnten Pflanzen einfüge? Pflanzen sind, wie ihr vielleicht schon erahnen könnt, ein größer Bestandteil der Geschichte und ich möchte euch gerne die Arbeit abnehmen nach Bildern zu googeln, falls ihr bestimmte Pflanzen nicht kennt.
Über ein kurzes Feedback würde ich mich sehr freuen. <3
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This Ivy Heart
FantasyArvid konnte sich in seinem Leben schon an vieles gewöhnen. Es ist für ihn normal, dass sein Dorf vollständig aus Stein besteht und es erschüttert ihn schon lange nicht mehr, dass jedes Jahr ein Kind aus seinem Dorf verschwindet. Das Einzige woran e...