Nora
Herbst 2013
»Mädelsabend«, kreischt Lisa und wirft die Hände in die Luft. Ich ziehe sie lachend in meine Wohnung und halte ihr die Hand vor den Mund.
»Pscht. Wenn du nicht die Klappe hältst, beschwert sich Frau Katzenjungfer wieder bei meinem Vermieter«, lache ich.
»Ich weiß. Aber es ist so schön, wieder einen Abend für meine Schwestern zu haben«, kichert sie, möglicherweise leicht angeheitert.
»Ich freu mich auch, nur nicht so laut wie du«, entgegne ich grinsend. »Wo ist Leonie eigentlich?« »Die bringt noch schnell die Kleine ins Bett. Wir treffen sie dann in der Bar.« Dass Leonie überhaupt Zeit gefunden hat, ist schon ziemlich bemerkenswert. Sie ist Dozentin für Literatur an der Universität, an der wir drei studiert haben, und glücklich verheiratet. Aus ihrer superkitschigen Ehe mit ihrem Traummann entstand dann ihre kleine, einjährige Tochter Isabell. Die Kleine ist ein Schatz und die perfekte Mischung zwischen ihrer Mutter und dem attraktiven Vater.
»Na dann los, oder?« Ich schnappe mir meine Tasche und werfe mir eine Jacke über die Schulter. Lisa folgt mir und versucht, so leise, wie es mit High Heels nun mal geht, die Treppe runter zu staksen.
Unten angekommen, seufzt sie erleichtert auf und plappert munter drauf los.
»Hab ich dir eigentlich schon erzählt, dass unser neuer Referendar zum Anbeißen ist?« Ich hab schon damit gerechnet, dass sie zuallererst ihre Männergeschichten auspackt, und kann mir ein kleines Kichern nicht verkneifen.
»Nein, aber bestimmt wirst du das gleich in allen Einzelheiten tun«
»Darauf kannst du wetten. Also, er ist ziemlich schüchtern, aber unglaublich trainiert und hat einen beneidenswerten Körper. Er ist Sport- und Deutschlehrer, was vermutlich alles erklärt. Aber er scheint nicht zu wissen, dass er die weibliche Lehrerschaft und wahrscheinlich auch die Schülerinnen ziemlich scharf macht. Ich schwöre, ich war noch nie so angeturnt wie bei Mark, so heißt er übrigens …«
»Was du nicht sagst«, unterbreche ich sie lachend.
»Halt die Klappe!«, entgegnet sie und schlägt nach mir. Lachend weiche ich aus und bedeute ihr, fortzufahren.
»Na ja, jedenfalls habe ich mir überlegt, mit ihm auszugehen. Er scheint nämlich mit mir zu flirten, auch wenn er es wahrscheinlich gar nicht merkt, denn wie schon gesagt: Er ist schüchtern«
»Dann muss dir aber klar sein, dass du ihn fragen musst. Was bedeutet, dass du diesmal nicht umworben wirst. Und wir wissen beide, dass du es magst, umworben zu werden«, werfe ich ein.
»Ja, darüber hab ich auch schon nachgedacht. Aber ich denke, er ist es wert. Und wer weiß? Vielleicht ist er ja Mr. Right. Als Bettgeschichte eignet er sich auf jeden Fall. Wie sagt man so schön? Stille Wasser sind tief und dreckig!« Lisa lacht verschwörerisch.
»Du bist unmöglich« Kopfschüttelnd schließe ich meine alte Rostlaube – ein steinalter Opel Corsa – auf und setze mich hinters Steuer.
»Gar nicht. Ich genieße nun mal mein Single-Leben. Was du im Übrigen auch mal machen solltest, anstatt krampfhaft zu versuchen, dir ein seriöses Leben aufzubauen, und gleichzeitig immer noch mit einem Haufen Loosern auszugehen«, schnaubt sie.
»Irgendwie muss ich doch meine Wohnung bezahlen, bis ich einen ernsthaften Job als Buchhalterin gefunden habe. Die Unternehmen, in denen ich bisher gearbeitet habe, waren einfach keine Herausforderung. Ich würde gerne in einem großen, erfolgreichen Unternehmen arbeiten, bei dem Geldbeträge in Millionenhöhe den Besitzer wechseln, und nicht in kleinen Modeboutiquen, die alle paar Wochen mal ein Kleid über 500 Euro verkaufen«, erkläre ich und starte den Wagen.
»Na gut. Aber wenn du schon mit einer Schaar von Kerlen ausgehst, dann such dir den attraktivsten aus und versüße deine Nacht ein bisschen. Du bist momentan ziemlich unausgeglichen und könntest dringend mal wieder Entspannung gebrauchen und deinem kleinen Freund mal eine Pause gönnen« Erschrocken schnappe ich nach Luft.
»Ich habe keinen kleinen Freund! Sowas brauche ich nicht. Ich habe genug Sex und nur weil ich euch nicht jeden Liebhaber auf die Nase binde, heißt das nicht, dass ich völlig abstinent lebe«, verteidige ich mich unnötigerweise, weil Lisa vollkommen recht hat. Na ja, mit der Abstinenz. Einen Vibrator habe ich tatsächlich nicht.
»Wer's glaubt«
»Rede dir ein, was du willst«, entgegne ich. »Und übrigens: Für deine 28 Jahre bist du ziemlich pubertär unterwegs«
»Das liegt wohl daran, dass ich mit lauter pubertierenden Halbwüchsigen zu tun habe. Und das fünf Tage die Woche, fast acht Stunden. Du hast ja keine Ahnung, wie nervenaufreibend das Ganze ist. Warum in Gottes Namen wollte ich Lehrerin werden?« Sie schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und stöhnt verzweifelt.
»Vielleicht, weil du mal wieder betrunken warst, als du dich für deinen Beruf entscheiden musstest?«, stichle ich ein wenig schadenfroh.
»Halt du bloß deine blöde Klappe. Dir quillt auch noch nicht die Kohle aus dem Arsch. Und solange wir in einem Boot sitzen, kannst du mich ruhig bemitleiden« Unwillkürlich breche ich in schallendes Gelächter aus.
»Kohle, die aus dem Arsch quillt? Deine Wortwahl ist mal wieder ziemlich reizend. Bringst du deinen Schülern auch so etwas bei? Wenn ja, wundert es mich nicht, dass die Jugend von heute immer schlimmer wird. Hiermit verspreche ich dir, dass ich dir niemals mein Kind, sollte ich doch mal aus Versehen eines bekommen, anvertraue«, scherze ich.
»Und genau das ist der Punkt. Ich muss mich die ganze Woche im Zaum halten und brauche diesen Mädelsabend dringend, um meine böse Seite zum Vorschein zu bringen«
Ich parke vor der Bar und lege Lisa die Hand auf die Oberschenkel. »Na, dann lassen wir heute ordentlich die Sau raus. Werden wir verkatert sein? Ja. Wird es uns morgen leidtun? Wahrscheinlich. Aber werden wir daraus lernen? Niemals!« Lisa schenkt mir ein triumphierendes Lächeln und rückt ihr sehr knappes Kleid zurecht.
»Du hast recht. Schluss mit Nachdenken! Jetzt gehen wir auf Männerfang und lachen meine Schwester aus, die sich so früh an einen Kerl gebunden hat« Ich nicke zustimmend und steige aus.
Leonie wartet bereits vor der Bar, zwischen den Lippen eine Zigarette. Wann und warum sie angefangen hat zu rauchen, kann ich gar nicht mehr sagen, aber es ist immer noch ungewöhnlich, sie mit dem Glimmstängel zu sehen. Breit grinsend wirft sie sich in meine Arme und drückt mir einen Kuss auf die Wange.
»Du siehst toll aus, Nora«, begrüßt sie mich. Lisa wirft sie einen gespielt abschätzigen Blick zu. »Und du wie eine ungezogene Schlampe.« Lachend drückt sie ihrer Schwester ebenfalls ihre rot geschminkten Lippen auf die Wange.
»Und du wie eine Vollzeit-Mutter. Sieh dich mal an. Dein Ausschnitt ist viel zu bedeckt und dein Rock viel zu lang. Also mal ehrlich. Normalerweise ist Nora immer die zurückhaltende von uns, aber du hast ihr den Posten mittlerweile abgerannt«, witzelt Lisa.
»Nora ist nicht zurückhaltend, sondern eine Streberin. Das haben wir doch schon geklärt. Und ich bin einfach nur erwachsen geworden. Würde dir auch nicht schaden, Lisa« Doch die schüttelt entschlossen den Kopf.
»Nein, ich glaube nicht. Eine von uns beiden muss sich ja treu bleiben. Und wenn ich diese Bürde zu tragen habe, dann tue ich es mit Stolz« »Kommt, ihr zwei Lotten, ich könnte einen Drink gebrauchen. Einen richtigen. Kein Sekt oder Champagner mehr. Ich will hochprozentigen, hirnvernebelnden Alkohol«, unterbreche ich die beiden.
»Endlich mal anständige Worte aus deinem Mund, Nora«, jubelt Leonie und schnippt die Zigarette auf die Straße, bevor wir die Bar betreten und uns unsere Drinks besorgen.
»Ich schwöre euch, dass wir heute nur ein Glas bezahlen, den Rest werden uns die Kerle hier besorgen«, prophezeit Lisa und prostet uns zu.
»Euch beiden vielleicht. Ich kann mir meine Drinks nicht durch Flirten besorgen«, entgegnet Leonie und hält uns ihren Ehering unter die Nase. Missbilligend rümpft Lisa die Nase.
»Was musst du dich auch so schnell an einen Kerl binden. Ich bin echt nah dran, dich als meinen Zwilling zu leugnen«
»Das würdest du nicht wagen. Dafür liebst du mich zu sehr«, entgegnet Leonie gekonnt. Sie ist zwar inzwischen vernünftig geworden – und ich bewundere sie ernsthaft dafür –, aber sie hat auch noch ihre ausgelassene Seite. Etwas, wofür ich sie noch mehr beneide. Manche schaffen entweder nur das eine oder das andere.
»Musst du immer Recht haben?«
»Was glaubst du, warum ich der schlauere Zwilling bin?«, kontert Leonie und prostet mir zwinkernd zu. Ich lache und kippe mir meinen Tequila zur Hälfte in die Kehle. Das angenehme Brennen erinnert mich an viele wilde Nächte mit den beiden und ich muss ehrlich zugeben, dass ich das unbeschwerte Studentenleben manchmal vermisse.
»Na dann, schlauer Zwilling, lass mal hören, wie dir dein Leben momentan schmeckt«, werfe ich ein. Leonie verzieht das Gesicht und trinkt, bevor sie antwortet.
»Im Großen und Ganzen ziemlich gut. Nur werden die Studenten immer aufmüpfiger und es wird langsam anstrengend, postpubertäre Schlaumeier zu unterrichten. Waren wir auch so schlimm?«, seufzt sie und deutet auf uns drei.
»Das mit den Möchtegern-Intelligenzbestien hast du wahrscheinlich deiner Schwester zu verdanken. Ihrer Wortwahl nach zu urteilen, kann diese Erziehung ja nicht fruchten« Lisa wirft mir einen bösen Blick zu und kneift in meinen Oberarm.
»Aua«, jammere ich.
»Das hast du zu hundert Prozent verdient. Wie kannst du so an meiner Lehrerkompetenz zweifeln? Ich zweifle schließlich auch nicht an deiner Fähigkeit, reichen Schickimickis Lügengeschichten aufzutischen«
»Jeder so wie es verdient«, stichelt Leonie und grinst breit. Lisa zieht eine Schnute, die sie aber nicht lange beibehalten kann.
»Ihr seid beide ziemlich scheiße, wisst ihr das?« Lachend schüttelt Lisa ihre blonden Locken und trinkt ihr Glas leer. Sie stellt es auf den Tresen und setzt ein gewinnendes Lächeln auf. »Ich suche mir jetzt neue Freunde, nur zu eurer Information. Und diese Freunde werden mir Alkohol ausgeben, mit dem ich mir jegliche Gedanken an euch wegtrinken kann« Lachend richtet sie ihr Kleid und ihre Haare. Ich halte beide Daumen in die Höhe und beobachte, wie sie sich unter die Menge mischt.
»Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, dass sie wieder sechszehn ist«, meint Leonie grinsend und beobachtet ihre Schwester. Ich nicke zustimmend, denn so ähnlich hatte ich Lisa heute auch betitelt.
»Wahrscheinlich fehlt ihr einfach nur mal ein wenig Ernsthaftigkeit in ihrem Leben. Sie braucht einfach mal einen Mann, der ihr etwas Vernunft eintrichtert. Schließlich ist sie nicht dumm. Sie ist eine heiße Geschichtslehrerin. Die anständigen Männer müssen sich doch um sie reißen«
»Tja, aber leider steht meine liebe Schwester nur auf die Bad Boys«, seufzt Leonie. Trinkend schüttle ich den Kopf.
»Das würde ich so nicht sagen. Sie hat mir vorhin von einem Kollegen erzählt, der angeblich heiß und ziemlich schüchtern ist. Vielleicht bringt er sie ja auf Kurs«
»Du meinst Mark? Ja, er scheint geeignet zu sein. Aber sein Problem ist nun mal seine Schüchternheit. Wenn er nicht langsam in die Puschen kommt, hat sich Lisa wieder anderweitig orientiert«
»Du kennst ihn?«, frage ich verblüfft. Leonie nickt.
»Natürlich. Oder wer, glaubst du, begleitet Lisa ständig zu irgendwelchen Lehrerveranstaltungen? Sie würde dich nicht fragen, weil das einfach nicht dein Ding ist, und ich trage einfach mehr zu dem ganzen Bildungsquatsch bei«
Ich bekräftige ihre Worte mit einem Nicken.
»Da hast du recht. Aber jetzt mal im Ernst. Ist er wirklich so perfekt?«
»Ja, er ist ziemlich gut aussehend. Mark passt vollkommen in Lisas Beuteschema, trotz seiner zurückhaltenden Art. Aber vielleicht ist es genau das, was sie reizt. Sie liebt Herausforderungen«
In meinem Kopf entsteht, noch während Leonie weiter erzählt, ein Plan. Ich liebe es, Leute zu verkuppeln. Wenn mein eigenes Sexualleben schon auf der Strecke bleiben muss, solange ich mich als Escort-Dame finanziere, kann ich zumindest anderen Menschen dabei helfen, sich zu verlieben und zueinander finden. Das gibt meinem Leben wenigstens etwas Sinn.
»Du hörst mir gar nicht mehr zu, oder?« Leonie unterbricht meine Planung und wedelt mit der Hand vor meinem Gesicht herum.
»Sorry. Ich überlege nur gerade, wie wir Lisa an den Mann bringen können.«
»An den bringt sie sich gerade selbst, sieh her« Leonie deutet auf eine schwer flirtende Lisa. Der Kerl, dem sie unverfroren den Oberarm streichelt und dem sie ihren Augen-auf-Halbmast-Blick zuwirft, ist ihr komplett verfallen und spielt verführerisch mit einer ihrer Haarsträhnen. Lachend verdrehe ich die Augen.
»Stimmt. Aber ich meine, an den richtigen Mann bringen«, gebe ich zurück und exe den Rest meines Drinks. Just in dem Moment stolziert Lisa zu uns rüber.
»Ladies, darf ich euch Ben vorstellen? Er ist für einige Wochen in Deutschland, ist aber gebürtiger Amerikaner.« Ben grinst breit und reicht uns nacheinander eine ziemlich große Pranke.
»Hi. Nice to meet you«, begrüßt er uns lächelnd.
»Ist er nicht süß?«, fragt mich Lisa flüsternd.
»Total. Aber was ist mit Mark?«
»Das Projekt startet ab Montag«, antwortet sie zwinkernd. »Ben, hast du Lust zu tanzen?«,.
»Sure. But i would like to have one more beer. German beer tastes so good.« Verschmitzt zieht er einen Mundwinkel nach oben. »Would you girls like to have some drink too?«
»Sure. We all take a Sex on the Beach.«, antwortet Lisa für uns alle. Ben scheint das nicht zu stören. Ohne mit der Wimper zu zucken bestellt er sein Bier und unsere Cocktails.
»Hab ich euch nicht gesagt, dass ich das hinkriege?«, raunt Lisa Leonie und mir zu. Daraufhin schenken wir ihr beide mit erhobenen Daumen ein Grinsen, bis Ben sich wieder zu uns umdreht.
»So let’s make this night unforgetable!«, verkündet er und reicht uns unsere Gläser. Wir prosten ihm zu und ziehen kräftig an den Strohhalmen.
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Munich Lovers - Spiel mit dem Feuer (LESEPROBE)
RomantikMunich Lovers - sexy, aufregend und geheimnisvoll. Genau wie die Liebesgeschichte von Nora und Lucas. Nora ist jung, sexy - und chronisch pleite. Als sie von Lucas das lukrative Angebot bekommt, vor seiner totkranken Mutter die liebende Freundin zu...