Kapitel 1 - Früher war mehr Lametta

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Weihnachten 2012. Mit großen Augen und voller Erwartungen schaute ich aus dem Fenster im ersten Stock. Dicke Schneeflocken schwebten mit beeindruckender Leichtigkeit zu Boden. Schon seit ich denken kann ist der Winter meine liebste Jahreszeit, daran wird sich auch 10 Jahre später nichts geändert haben, trotz des schrecklichen Ereignisses im Winter 2012.

Meine Augen folgen den Autos auf der Straße vor unserem kleinen Haus, wie sie sich alle den Weg über die verschneite Straße bahnen, ihre Lichter erhellen den Schnee und es sieht so aus als würde er glitzern. Sehnsüchtig warte ich auf das kleine rote Auto meiner Mutter, heute ist nämlich der 24. Dezember, Heilig Abend.

„Josephine siehst du das Auto schon?" schrie mein Vater von unten nach oben, er versuchte gerade meinen kleinen Bruder Jonas zu beruhigen.

„Nein noch nicht Papa" antwortete ich ihm.

„hm komisch" hörte ich ihn vor sich hin sagen. Meine Mutter hatte eigentlich vor zwei Stunden schon Feierabend, mittlerweile ist es nach sechs und schon dunkel außen. Das Essen steht fertig im Ofen, die Geschenke liegen bereits unter unseren Christbaum und im ganzen Haus verbreitet sich der Duft von Zimt und Mandarinen.

Endlich bog ein Auto in unsere Einfahrt ein, aber es war nicht das rote Auto meiner Mutter, sondern ein blau-silbernes Auto, ein Polizeiwagen. Es stiegen zwei große Polizisten aus, zwei Männer, mit großen Schritten liefen sie auf unsere Haustüre zu bis ich sie von oben nicht mehr sehen konnte, dann hörte ich es bereits an der Tür klingeln. Der Holzboden unten knirschte bei jedem Schritt den mein Vater auf dem Weg zur Tür machte und bei jedem Schritt fing mein Herz schneller an zu klopfen. Ob ich damals schon wusste, dass ich meine Mutter nie wieder sehen werde?

„Jürgen Wagner?" hörte ich eine fremde Stimme von unten nach oben klingen.

Mein Vater antwortete ganz verwirrt und überrumpelt mit einem nervösen „ja".

Er lies die Polizisten rein und ich ging langsam die Treppe nach unten, meine Beine zitterten, irgendwie spürte ich das etwas nicht stimmt. Die Polizisten standen im Wohnzimmer, mein Vater saß auf der Couch mit Jonas im Arm. Mein älterer Bruder Jakob saß neben ihm und ich stellte mich in den Türrahmen, aber das kleine neunjährige Mädchen bemerkte niemand im Schatten der Polizisten.

„Ist ihre Frau zuhause?" fragte einer der Polizisten, mein Vater schüttelte daraufhin nur still den Kopf, so leise und gefasst habe ich ihn noch nie gesehen.

„Es gab heute Nachmittag einen Unfall in der Nähe vom Bahnhof, eine Person ist dabei auf die Gleise geraten ... der Zugfahrer konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen" es war so still im Haus, so still.

„Wir haben bei der verunglückten Person den Ausweis ihrer Frau gefunden"

„Wo ist meine Frau?" fragte mein Vater mit aufgebrachter Stimme, seine Stimme zitterte und eine Träne lief ihm über die Wange.

„Es tut uns leid aber der Notarzt konnte nichts mehr für sie tun"

Es wurde so still in meinem Kopf, totale Stille ... mein Vater war total aufgebracht, er weinte und schrie mit den Polizisten doch ich hörte nichts, ich wusste nicht wirklich was das bedeutet, ich fühlte mich nur total taub. Ich erblickte Jakob auf der Couch der währenddessen Jonas auf den Arm genommen hatte, ich schaute in seine braunen Augen und sah nur Leere. Mein Vater setzte sich auf die Couch und ich krabbelte neben ihn, er nahm mich und Jakob in den Arm und Tränen flossen über seine Wangen.

„Wo ist Mama?" fragte ich ganz unschuldig und ängstlich.

Papa schaute mich an, er biss sich auf seine Lippe um die Tränen zurückzuhalten. An diesem Abend versuchte uns mein Vater irgendwie zu erklären, dass unsere Mutter nicht wieder heim kommen würde, nie mehr, dass wir Weihnachten und alle Feste nun ohne sie feiern würden, da sie jetzt an einem schöneren Ort ist, im Himmel. Damals konnte ich nicht verstehen wieso meine Mutter lieber im Himmel sein wollte als bei uns zuhause.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 29, 2022 ⏰

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