Jeder Spiegel kann zu Scherben werden. Oft sagte mein Vater diese Worte, doch ich wusste, dass er damit nicht nur Spiegel meinte. Schließlich kann ein Traum ebenso in Scherben liegen, wie ein Leben. Vielleicht lag es daran, dass ich ebenso fasziniert von den Träumen der Menschen war, wie er selbst, doch ich vermochte nicht zu erkennen wie mein Vater dachte. Einmal, ich war etwa zehn, mir viel ein Glas herunter, doch anstatt mit mir zu schimpfen sagte mein Vater: „schau, siehst du wie die Scherben das Licht einfangen und solch wunderschöne Motive zaubern können?". Ich glaube, dies war der Moment, in dem mich die Scherben zu faszinieren begannen. Ich hoffte, dass mir die Scherben ebenso zu Glück verhelfen mochten, wie meinem Vater. Mein Vater hatte in seinem Leben viel Gutes erlebt. Er meinte, es seien die Scherben und die Hoffnung, die ihm Glück brachten und irgendwie glaubte ich ihm. Oft konnte er Stunden in seinem Arbeitszimmer verbringen und einfach nur auf die Scherben vor sich starren. Manchmal sah ich ihm heimlich von der Tür aus zu, wie er in seinem gefliesten Arbeitszimmer saß, die Vorhänge zugezogen und den Blick starr auf die Scherben gerichtet. Oft hatte er die Vorhänge zu gezogen, so dass nur ein schwacher Lichtschein von der offenen Tür in sein Arbeitszimmer fiel. Früher war es ein heller, schöner Raum gewesen und die Sonne hatte die weißen und blauen Fliesen schimmern lassen. Doch seit meine Mutter vor ein paar Jahren gestorben war, hatte sich der ganze Raum verändert. Und auch das Haus, das früher hell und fröhlich gewirkt hatte, war nur noch ein Schatten seiner selbst. Das Haus, das früher so gemütlich und warm gewirkt hatte und dank meiner Mutter immer blitz sauber gestrahlt hatte, wirkte seit dem Tod meiner Mutter wie ein Schatten seines früheren selbst. Und doch, war es mein Vater, der sich am meisten verändert hatte. Mein Vater, war früher ein fröhlicher Mensch gewesen, hatte gerne gelacht und ich war sein ein und alles. Doch seit Mutters Tot, wirkte er wie eine tote Hülle. Mit den Jahren wurde ich älter und auch der Verlust meiner Mutter blieb zwar in meinem Herzen, doch ich konnte wieder Lachen. Doch mein Vater blieb so wie er seit dem Tot meiner Mutter gewesen war, traurig, in sich gekehrt und unglücklich. Es brach mir das Herz ihn so zu sehen, doch auch zehn Jahre nach Mutters Tot, schien er ihn noch immer nicht verarbeitet zu haben. Immer noch starrte er Stunde um Stunde auf seine Scherben, es waren mit den Jahren immer mehr geworden. Seine Scherben schienen das Einzige zu sein, was eine kleine Regung, gar ein Gefühl, in ihm Verursachen konnte. Tagsüber bewegte er sich kaum, doch wenn ich am nächsten Tag in sein Arbeitszimmer schaute, sah ich, dass er die Scherben umgetauscht hatte. Ich hatte mein Lächeln wieder bekommen, Luke schenkte es mir. Liebe kehrte in mein Herz zurück und erfüllte mein Leben. Die Liebe war mit den Scherben gekommen. Luke traf ich an dem Tag, als mir Mutters liebste Vase herunter fiel. Luke brachte mir Glück. Mein Vater jedoch war teilnahmslos, als ich ihm von Luke erzählte und auch, als ich ihm voller Freude erzählte, dass ich schwanger sei. Dann jedoch geschah das Wunder: meine Tochter wurde geboren. Sie hatte schwarzes Haar wie Luke und ich und die gleichen wachen, grünen Augen wie meine Mutter. Meine Mutter hatte, die sie wiederum mir weiter gegeben hatte. Ich sah meiner Mutter schon immer ähnlich. Ich hatte dieselbe Elfengleiche Statur wie sie und auch die Haar- und Augenfarbe stammte von ihr. Ich trat mit meiner Neugeborenen Tochter, wir hatten sie nach meiner Mutter benannt, an Vater Schreibtisch und sagte: „Vater, ich möchte dir meine Tochter vorstellen". Vater sah auf und sein Blick traf den meiner Tochter „das ist Rose" flüstere ich. Er streckte die Arme aus und ich legte ihm Rose hinein. Ich sah wie Tränen in seine Augen stiegen. Es war das Erste Mal seit Mutters Tot, dass ich ein anderes Gefühl als Trauer in seinem Blick sehen konnte. Rührung.