Prolog

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Prolog

Von all den Leben die wir lebten, all den kämpfen, die wir bestritten, blieb uns nichts als Asche. Wie viele Herzschläge waren vergangen, seitdem ich ihn das letzte Mal berührte? Seitdem ich seine Wärme zum letzten Mal an meinem Körper spürte? Ich wusste es nicht, aber es mussten eine Menge gewesen sein.
Es waren immer die Kriege die uns trennten, entweder ein jene, die eigentlich nie die unseren waren, oder aber unsere ganz persönlichen. Kriege, die wir mit uns selbst zu führen schienen, seit Anbeginn der Zeit.
»Komm schon, Peregrine. Das Brot wird nicht von alleine gebacken.« Ihre Liebe, aber doch bestimmende Art erstaunte mich zunehmend aufs Neue.
Meine Mutter war eine liebevolle Frau, warm, herzig und fürsorglich, aber sie wusste auch, wie sie ihre Söhne anpacken musste, damit sie spurten.
Allerdings tat sie dies auf einer Art und Weise, bei der man einfach nicht nein sagen konnte.
»Verzeih mir, Mutter.« Meine Lippen verzogen sich zu einem schmalen Lächeln, mehr brachte ich seit Wochen kaum zu stande.
Meine Hände hatte ich um den kühlen Teig geschoben, ihn bereits seit geraumer Zeit geknettet, immer und immer wieder. Dabei hatte ich mich verloren, wieder einmal.
»William...« Alleine sein Name, der ihren Lippen entwich, wie der Herbstwind zwischen den Blüten und Blättern tanzte, ganz leicht, mehr ein Hauchen, ein stilles Flüstern.
Ich nickte. Sie wusste es, sie hatte es immer gewusst, schon damals als der Bäcker uns seinen Sohn vorstellte. Wir waren kleine Burschen gewesen, sieben, vielleicht acht Winter alt.
Seitdem waren über zehn Jahre vergangen und es hatte kaum einen Tag gegeben, an dem wir einander nicht gesehen hatten. Jetzt war er fort. Kämpfte in einem Krieg, den er nicht zu gewinnen vermochte.
Und ich wartete, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat um Monat. Kein Rabe brachte mehr Botschaft aus den Niemandsland. Ich hörte nichts, nichts als quälende Stille und das heulen der Wölfe bei Nacht, die mich daran erinnerten, daß mehr als der Tod dort draußen lauerte.

Sie hatte das Blech bereits vorgeheizt, Minuten lang hatte es über dem Feuer im Ofen sein dasein gefristet, darauf wartend seine Aufgabe zu erfüllen.
Nachdem das Brot seinen Platz in jenem eingenommen hatte, wusch ich mir die Hände in dem Eimer, neben dem Tisch, auf dem ich zuvor das Brot geknettet hatte. Unsere Küche war klein, bestand aus einem Ofen, zwei Tischen, einem davon am Fenster, wo ich oft mit meinen Brüdern saß und meiner Mutter dabei zugesehen hatte, wie sie allerlei Leckereien zauberte. Der andere war lediglich zum arbeiten gedacht und eigentlich Tabu für uns, mit einer Ausnahme. Sie hatte sämtliche Kräuter über dem offenen Kamin hängen, getrocknet oder frisch. Die dunklen Schränke verbargen unser altes Geschirr, allerdings auch die einzigen fünf Silberlöffel, die das kleine Dorf im Moment zu bieten hatte. Die Eimer waren stets gefüllt mit klarem, sauberen Wasser, das mein Vater meist Abends von der Arbeit mitbrachte. Er war nur selten Zuhause und arbeitete hart für jeden Silbertaler, den er kriegen konnte. Ein Vorteil war, das er sehr begabt mit den Hammer und Eisen war. Als Schmied beschlug er auch unsere beiden Rappen selbst, zwei störrische, aber liebenswerte Tiere.

Seit dem Tag in der Küche musste eine weitere Woche vergangen sein, sicher war ich mir nicht. Die Tage waren im Moment doch alle zu identisch, als das ich mir sicher sein konnte, welcher der heutige war. Morgens war ich vor Sonnenaufgang draußen bei dem Vieh und fütterte es, machte dann in den Ställen weiter, ehe ich bei meinem Vater in die Lehre ging, allerdings nur, bis die Sonne des Nachmittags sich immer weiter entfernte. Dann war es Zeit das Vieh erneut zu füttern und in der Küche zur Hand zu gehen. So war es, Tag ein und Tag aus. So sah mein Leben aus, mein Leben ohne William.
»Per? Würdest du mir das Salz geben?«
Sie war wieder einmal am Zaubern und ich konnte es schon jetzt nicht erwarten, diesen Zauber zu kosten.
Und so reichte ich ihr die kleine Dose, sah dabei zu wie ihre schlanken Finger sich eine Priese aus jener suchten und sie über das Gemüse streuten. Ihr dunkles Haar war zu einem Zopf hochgebunden, ein unordentlicher Knoten zierte ihren Hinterkopf, während eine einzelne Haarsträhne in ihr schönes Gesicht fiel, ohne ihrer Schönheit auch nur einen Hauch anhaben zu können.
Ich hatte viel von ihr, das Haar, die braunen Augen und leider auch die Größe. Die Leute im Dorf witzelten ständig über den kleinen Jungen der Silverstones, über mich.
Ich war nichts halbes und nichts ganzes, aber ich hatte mich damit abgefunden, dank William.
Er war mein Anker, er war alles für mich und er wusste es nicht einmal.
Seine Stärke war oft auf mich übergegangen. Ich hatte plötzlich den Mut vollkommen ich selbst zu sein.
Er war mir bester Freund und Inspiration zugleich.
»Mutter! Sie sind zurück! Die Soldaten!«
Sein Blonderschopf, den er eindeutig von Vater geerbt hatte, wie auch den Rest seiner starken Statur, hatte Aramis so schnell durch die Küchentür geschoben, daß sich alles in mir zusammengeschoben hatte und ich noch nicht einmal verstanden hatte, was er gesagt hatte.
Erst als er nach Luft schnappte und seine dunklen Augen die meinen fingen, Begriff ich es.
»Die Soldaten, Peregrine... Sie sind zurück.« Sein langes Haar fiel ihm Wild ins Gesicht, während Dreck und Staub sein Leben befleckten.
»Und er führt sie an... « William!
Es traf mich wie ein Schlag und die Rufe meiner Mutter nicht mehr vernehmend, stürmte ich aus der kleinen Küche hinaus. Ich konnte kaum klar denken, ansonsten hätte ich womöglich ein Pferd genommen und wäre den Weg über den Hügel ins Dorf nicht gerannt. Womöglich wäre ich dann noch vor den Scharen der Menschen dort angekommen. Sie drängten sich auf die nasse Straße, schoben ihre Körper so dicht aneinander, das ich die Wand, die sie erschufen nicht überwinden konnte.
Und erst als ich das Horn der Soldaten so nah und deutlich hören konnte, stieg mir ein Gedanke in den Kopf, den ich so schnell wieder verbannen wollte, wie es mir möglich war, ohne Erfolg.
Was würde ich tun, wenn er mich nicht mehr erkannte? Wenn er sich so sehr verändert hatte, das er mich nicht mehr erkennen wollte?

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 17, 2023 ⏰

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