Kapitel 1 - Die Schule

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Die Schule

Aus irgendeinem Grund hatte die Schule heute einen seltsamen Geruch. Sie roch nach Farbe und Kleister, obwohl die abblätternden Wände nicht gerade von Renovierungsarbeiten zeugten. Eher fragte ich mich, warum die Decke immer noch über uns hing und nicht bereits ihren rechtmäßigen Platz auf dem Klassenzimmer Boden eingenommen hatte. Von außen betrachtet war das alte Schulgebäude, was bereits seit 60 Jahren den Platz auf der Friedhofsstraße einnahm, wirklich schön. Mit den alten geschwungenen Dachstreben auf denen teilweise melancholische Sprüche eingeschnitzt waren, wirkte es wie ein viktorianischer Klotz, den eine mysteriöse Aura umgab. Von Innen allerdings funktionierte so gut wie gar nichts. Die Toiletten verstanden die automatische Spüleinrichtung nicht ganz, da sie noch auf die Zeit der Plumpsklos programmiert schienen, die Böden waren seit Jahren nicht erneuert worden und knackten verdächtig beim Betreten.

Einige Schüler hatten, nachdem in der Mensa einige Stücke der Decke heruntergekommen waren, bereits eine Petition zur Renovierungsarbeit gestartet, allerdings beschwichtigten die Lehrkräfte die Schüler, da es an Zuschussmitteln fehlte.

Gerade deshalb war dieser Geruch verdächtig.

„Riechst du das auch?", ich drehte mich zu Jule um und rümpfte auffällig die Nase.

„Ja ich dachte schon ich halluziniere, weil ich vorhin ein paar Regentropfen in der Aula abbekommen hab!", Jule deutete auf ihr leicht feuchtes Haar und ich musste grinsen.

„Ich glaube die stellen jetzt einfach irgendwo Duftbäume auf, damit wir zumindest denken es würde etwas passieren", scherzte ich und betrat den Klassenraum. Unser Platz war ganz hinten und widererwarten nicht leer.

„Ach Simon, jeden Morgen dasselbe mit dir", ich setzte mich neben den braunhaarigen Jungen und schob ihn mit der Hüfte unsanft vom Stuhl.

Bevor er auf den Boden plumpste, sprang er auf und rümpfte die Nase.

„Wann wirst du erkennen, dass dieser Platz für MICH gemacht ist? Der Luftzug ist hier einfach perfekt und es ist der einzige Stuhl unter einer tragenden Strebe. Er zeigte auf die Holzbauten über uns, die verhinderten, dass der zweite Stock Teil des ersten wurde.

„Wunderbar. Echt. Aber ändert nix an der vom LEHRER erstellten Sitzordnung." Ich öffnete und zeigte ihm wie jeden Morgen den Sitzplan, den ich extra nur für ihn feinsäuberlich ausgedruckt und laminiert hatte. Darüber stand in schönem Lettering: „Kenn deinen Platz du Wurm". Er verabschiedete sich mit einem schnauben und starrte dabei immer wieder an die Decke. Letztes Jahr hatte er ein Stück der Mensa Decke abbekommen und war seitdem ein wenig paranoid geworden. Dass das Stück nur so schwer wie ein DIN4 Blatt war und gerade mal Hand groß ließ er dabei außer Acht.

„Guten Morgen Schüler", begrüßte uns Frau Hense und leitete die Woche mit ein paar Wochenupdates ein. Die Bushaltestelle war wieder mal bemalt worden, die Klos waren verstopft und das strickte Handyverbot wurde nochmal explizit betont."...außerdem starten heute die Renovierungsarbeiten, weshalb wir für einige Woche in den Ostflügel ziehen müssen. Da ich ab morgen beurlaubt bin aus...Gründen, werdet ihr für die Renovierungszeit auch einen Vertretungslehrer bekommen.", verkündete Frau Hense und ich wurde hellhörig. RENOVIERUNGSARBEITEN?? Hatte ich das richtig verstanden?

Jule stupste mich in die Seite und kicherte: „mach den Mund mal besser wieder zu bevor noch was reinfliegt." Ich folgte ihrem Rat und blickte sie mit großen Augen an. „Du hast das doch auch gehört, oder?" „Dass wir für einige Zeit in den abgesperrten Bereich der Schule müssen? Jap durchaus." „Ja aber nein. Die Schule würde endlich...lebenswerter.", Jule kicherte wieder über mein strahlendes Gesicht. „Also ich bin eher ungern in nem Einsturzgefährdeten Gebäude als hier, aber wenn wir zumindest danach endlich aufs Klo gehen können, geh ich das Risiko ein. Außerdem...vielleicht ist der Vertretungslehrer ...ganz süß." „Jule!", ich boxte sie in die Seite.

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