Kapitel 2 - die Vertretung

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Das Licht ging an und wieder aus genau wie mein Traum, der daraus bestand, dass ich mich über Schokoladen Popcorn aufregte. Das Licht ging an: „Du kommst zu spät!", das Licht ging wieder aus. Die Schokoladenpopcorn wurden mir grade intravenös im Krankenhaus eingeflößt, als das Bild zu meiner Zimmerdecke verschwamm. Mit einem Blick auf mein Handy wurde mir klar, dass die Stimme aus dem Off, meine Mutter, recht zu haben schien. Ich schlug die Decke zur Seite und schlüpfte in die Lidl Latschen, die ich passend zu der Lidl Badematte gekauft hatte und steuerte Richtung Küche.

„Willst du dir nicht erst die Zähne putzen?", meine Mutter nahm grade einen Schluck von ihrem „gewürzten Wasser" und schob mir das Toastbrot über den Tisch.

„tatsächlich ist es wissenschaftlich bewiesen, dass es viel effektiver und auch hygienischer ist, sich NACH dem Frühstück die Zähne zu putzen", leierte ich meinen Standardspruch am Morgen runter, während meine Mutter die Augen verdrehte.

„Sag mir ein Wort mit A und neun Buchstaben, beschreibt die Gesamtheit der Sprache. Allgemein? Nein das g passt nicht", das Kreuzworträtsel prangte auf dem Tisch, als wäre er nur dafür gemacht.

„Alphabet.", sagte ich knapp und ich konnte an ihrem Blick erkennen, dass sie kurz nicht daran zweifelte, dass ich intelligent sein könnte.

„Und jetzt ein Wort mit..."

„Ich muss los, das esse ich unterwegs", ich schmiss schnell eine Scheibe Käse auf das Toast und rannte wieder nach oben, um mir was anzuziehen und mir natürlich die Zähne zu putzen.

„Vergiss nicht, dass wir später zu dem Workshop fahren!", rief mir meine Mutter noch hinterher, als ich aus der Tür trat und ich streckte zur wortlosen Bestätigung meinen Daumen nach oben. Radfahren war im Winter alles andere als toll, aber der Weg zur Schule war immerhin nur 10 Minuten lang und ich hatte sicher keine Lust diesen eine halbe Stunde per Bus anzutreten. Auf dem Weg zum Eingang rutschte ich nur dreimal aus, was immerhin zweimal weniger war als gestern und beobachte einen anderen Schüler dabei, wie sein Lenker beim Aufprall auf dem Boden eine ungewöhnliche Form einnahm. Klaus winkte mir entgegen und reichte mir die Kekse, die er mir als Adventskalender versprochen hatte.

„Was gibt's heute", fragte ich, als ich den grünlichen Keks betrachtete und ohne viel Argwohn über die Farbe hineinbiss.

„Pistazie. Habe ich auf Pinterest gefunden. Gestern waren die allerdings besser.", Klaus biss selbst von einem braunen Keks ab, den er mir gestern überreicht hatte. Auch wenn ich großer Schokoladen Fan war, gefiel mir die Pistazie tatsächlich besser, Klaus war allerdings in allem was er backte ein absoluter Gott.

„Man ich will mehr", jammerte ich, als Klaus in einen weiteren Keks biss und die Packung aus meiner Reichweite hielt, während ich an ihm hochsprang.

„Gibbet net. Die anderen wollen auch und nachher sagen die wieder, dass ich dich bevorzuge, weil ich an den Bogenschützenkönig ran will."

„Die wissen ja nicht, dass du es nur auf den Vizekäpt'n abgesehen hast.", ein letztens mal schnappte ich nach der Keksdose und akzeptiere meine Niederlage.

„Wir sehen uns dann später Mirabelle", Klaus wedelte demonstrativ mit seiner Dose und steuerte auf den Kunst Raum zu. Neidisch verzog ich das Gesicht. Warum musste ich mich wieder mit Mathe rumschlagen, während Frau Hense bestimmt wieder seltsame Sachen tat? Doch als ich in den Klassenraum trat, war es nicht Frau Hense, die am Lehrerpult die Seiten des Klassenbuchs umschlug. Schwarze Augen schienen mir erneut direkt in die Seele zu blicken und meine Hände wurden taub. Weil ich im Türrahmen stehen blieb, schubste mich Laura ein wenig beim Vorbeigehen, was Jule mit bösen Blicken strafte. Aus meiner Erstarrung erwachte nahm ich den Platz neben Jule ein und vergaß fast mich über das Ausbleiben des Gesprächs mit Simon zu wundern.

Als ich wieder Richtung Pult blickte, schien der durchdringende Blick des Mann in schwarz ohne Pause auf mich einzudreschen und das Gefühl, dass sich gestern breitgemacht hatte, als er mich anrempelte überkam mich ein weiteres mal.

„Also Mira, ich will ja nicht sagen, dass ich etwas neidisch bin, aber ich bin es", Jules Stimme entriss mich der Trance und ich erst bemerkte ich wie heftig mein herz in meiner Brust schlug.

„Du bist ja total durch den Wind, hat der Lehrer es dir so angetan? Ich find ihn zwar hübsch, aber er schaut die ganze zeit so säuerlich... der lässt uns bestimmt auch zuhause drei stunden Trigonometrie schuften..."

„Also ich... naja...also...", stammelte ich nur vor mich hin auf der Suche nach den richtigen Worten, da fing Jule an zu lachen und boxte mir leicht gegen die Schulter.

„Alles gut, du kannst ihn ruh haben"

„Abe nein ich...", bevor mein Protest sinnvoll enden konnte wurde mir durch ein lautes Klopfen der Satz abgeschnitten. Ich blickte wieder zum Pult und Rabenartige Augen durchdringen den Raum, diesmal blieb der Blick aber nicht auf mir hängen, sondern auf der Wand hinter mir.

„Eure Lehrerin Frau Hense ist beurlaubt", sagte der Mann in schwarz und ließ eine etwas längere Pause, in der die Klasse bereits begann laut zu murmeln. Bevor allerdings die ersten Fragen durch den Raum schwirren konnten sprach der Mann weiter.

„Ich bin hier, um die pädagogischen Pflichten Frau Henses fortzuführen, allerdings nicht im Fach Mathe. Da ich keinen Abschluss als Lehrer besitze, kann ich diese Aufgaben nicht für sie übernehmen, dennoch werdet ihr mit mir ab sofort jede erste Stunde eines jeden zweiten Wochentages verbringen. Diese Regelung gilt ab heute, wird ab der zweiten Sitzung dennoch nicht in diesem Teil des Gebäudes, sondern im alten Komplex stattfinden, da einige Renovierungsarbeiten anfallen. Die erste Lektion wird ebenfalls erst in der zweiten Stunde stattfinden und der heutige Tag wird für eure Rückfragen genutzt werden.", er beendete den Satz so abgrubt, dass sich niemand wirklich sicher war, ob bereits etwas gesagt werden durfte. Schweigen waberte durch den Raum und ich blickte in die verlorenen Gesichter der anderen. Wo war Simon? Wieso denn?

„Hallo..ehm... also.....hmh", Tom hatte das Wort ergriffen und räusperte sich ausgiebig: „Frau Hense ist beurlaubt? Warum denn?"

„Das kann ich nicht beantworten", seine Stimme schnitt scharf Toms stammeln ab und ließ eine erneute leere im Raum entstehen.

„Hat sie etwas schlimmes getan?", fragte nun Marie vorsichtig aus der rechten Ecke.

„Das kann ich nicht beantworten.", wieder riss seine Stimme das Ende des anderen Satzes ein.

„Warum unterrichten sie uns, wenn sie keine Ausbildung haben?", fragte jetzt Max.

„Das kann ich nicht beantworten."

„Wieso wird die Schule jetzt doch renoviert?"

„Das kann ich nicht beantworten."

Eine Frage nach der anderen hagelte nun wie ein Unwetter auf der Mann in schwarz ein, der sich unter einem Schirm in Form von „das kann ich nicht beantworten" stellte. Ich starrte ihn an und war mir dessen war als bewusst, dennoch konnte ich nicht aufhören.

„Wie heißen sie eigentlich?", als Tom eine nicht unwichtige Frage aussprach richteten sich die dunklen Augen wieder genau auf mich und eine kalte schien mich zu durchzucken.

„Constantin Betica.", seine raue Stimme rauschte durch den Raum und einen kurzen Momentlang hörte der Fragenregen auf zu existieren. Ich wusste nun welches Gefühl sich in mir ansammelte und mein herz zu zerspringen drohte. Es war nicht Liebe auf den ersten Blick, wie Jule mit ihrem neckischen Grinsen schon mehrfach angedeutet hatte.

Es war blanke Angst.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 18, 2023 ⏰

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