Samurai

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Kampfeslärm erfüllte die Luft. Der Geruch nach Blut und Eingeweiden überlagerte alles. Selbst den süßen, friedvollen Duft der Kirschbäume, die in voller Blüte standen. Die rosafarbenen Blütenblätter wehten durch die Gegend. Doch sobald sie den Boden berührten, verfärbten sie sich tiefrot und ertranken im Blut der gefallenen Menschen. Die Schlacht tobte hin und her. Hitzig schlugen die Kämpfenden aufeinander ein.

Kanonen gegen Pfeil und Bogen. Gewehre gegen Schwerter.

Soldaten gegen Samurai.

Kugeln durchschossen Rüstungen und brachen Knochen. Stahl zerschnitt Gewebe und Sehnen.

Überall floss Blut. Tropfte und spritzte aus Sterbenden. Sickerte aus Leichen. Tränkte den Boden und färbte ihn schwarz.

Mitten in dem Gemetzel saß eine Kriegerin, der lederne Harnisch troff vor Blut, die langen schwarzen Haare wehten im Wind. In ihren Armen hielt sie einen jungen Mann. Ihr jüngerer Bruder war gerade achtzehn geworden. Fast noch ein Kind.

Sein Körper war durchlöchert mit unzähligen Einschusswunden. Der Harnisch hatte die feindlichen Kugeln kaum aufgehalten. Der Junge hatte seine Augen starr auf das Gesicht seiner Schwester gerichtet. Er war tot.

Tränen rannen über die Wangen der Kriegerin und vermischten sich dort mit dem ganzen Schmutz und Blut auf ihrer Haut. Auch sie war übersät mit Wunden, Kratzern und Schnitten und eine Kugel in ihrer linken Schulter behinderte die Bewegung ihres Armes. Doch sie kümmerte sich nicht darum. Sie kümmerte sich auch nicht um die Schlacht oder die feindlichen Soldaten um sie herum. Es kümmerte sie nicht, als sie Schritte hinter sich hörte und wusste, dass sie zu einem feindlichen Soldaten mit schweren Stiefeln gehörten, der mit ausgerichtetem Bajonett auf sie zustürmte. Das Einzige, was zählte, war ihrem Bruder die Augen zu schließen und das Blut aus seinem Mundwinkel zu wischen. Er war noch so jung.

Wie hatte sie nur zulassen können, dass er mitkam zu diesem aussichtslosen Kampf? Hatte sie nicht schon beim Aufbruch gewusst, dass sie diesen Kampf nicht überleben konnten?

Es war ihre Schuld, ihr Versagen, dass das Blut ihrer Familie, ihr Blut, jetzt durch ihre Finger tropfte.

Siespürte es kaum, als sich das Messer des Bajonetts ebenfalls in ihre linke Schulter bohrte und ihren Kopf in den Nacken rucken ließ.

„Yumika!"

Jemand brüllte ihren Namen. Ein Atemhauch entwich ihren Lippen, als der fremde Soldat das Messer noch tiefer in ihr Fleisch rammte. Lautlose Tränen rannen noch immer aus ihren Augenwinkeln.

Wiederbrüllte jemand ihren Namen. Diesmal war es schon näher. Das weckte die Kriegerin aus dem Schleier der Trauer und die vertraute Stimme holte sie in den Kampf zurück. Der feindliche Soldat ragte über ihr auf und zog das Bajonett aus ihrer Schulter, um noch einmal zuzustoßen. Diesmal mit einem tödlichen Stoß.

Yumika ließ ihren Bruder zu Boden gleiten und griff an ihre rechte Seite. Blitzschnell bohrte sie dem Soldaten den kleinen, versteckten Dolch ins Knie. Ohne hinzusehen. Und als er schreiend einknickte, stieß sie ihm rücklings die kleine Klinge ins Herz.

Der Soldat kippte zur Seite. Auch er war tot. Und noch mehr Blut klebte an ihren Händen.

Eine Kugel schoss an ihr vorbei und schlug in den Boden. Immer mehr Schritte stürmten auf sie zu und weitere Schüsse wurden abgefeuert. Doch im Rennen waren die Soldaten nicht treffsicher und schossen an der Kriegerin vorbei. Die meisten Kugeln trafen den Boden, doch ein paar trafen auch den Körper ihres Bruders. Das Geräusch der in Fleisch einschlagenden Kugeln machte Yumika wütend. Nicht mal die Toten in ihrer heiligen Totenruhe konnten die Soldaten in Friedenlassen. Die Wut setzte sich wie ein eisiger Klumpen in ihrem Magenfest und breitete sich von dort wie kühles Flusswasser in ihren Adern aus. Als sie ihren Kopf erreichte, wurde er angenehm leer. Die Wut verdrängte jegliches Gefühl des Schmerzes aus ihrem Körper und nahm ihr die Angst. Ruhig griff sie nach dem Schwert neben ihr auf dem Boden. Wenn sie starb, würde sie wenigstens einen ehrenvollen Tod sterben.

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