You called for me

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Es war dem Engel nicht leicht gefallen, der Stimme zu folgen, die er seit Tagen hörte. Dass er den Weg hierher, nach Rockford Bay, Idaho, auch noch nach menschlichen Methoden hatte machen müssen, hatte es ihm nicht gerade versüßt, hierher zu kommen, doch es blieb für ihn unabdingbar. Zu eindringlich erklang die Stimme einer jungen Frau immer wieder in seinen Gedanken. Immer wieder hörte er sie zu ihm beten, um Beistand bitten in ihrer Not. Dass sich ein Mensch direkt an ihn wandte, war ungewöhnlich genug, war Castiel doch bei weitem kein unter den Menschen bekannter Engel. Also hatte er sich auf den Weg gemacht, um herauszufinden, was die junge Frau so sehr ängstigte, dass kaum 6 Stunden vergingen, ohne, dass ihre Stimme flehend in seinem Inneren widerhallte und auch, woher sie seinen Namen kannte. Möglicherweise war sie eine Bekannte der Winchesters, die er ja selbst nicht aufzuspüren vermochte und die sich seit einigen Tagen nicht mehr bei ihm gemeldet hatten. Da hatte der Engel entschieden, dass es weise wäre nachzusehen, was es mit diesen eindringlichen Gebeten und deren Quelle auf sich hatte.


Die Frau, die ihn am Highway mitgenommen hatte, war sehr freundlich gewesen, hatte ihm sogar noch angeboten, bei ihr übernachten zu können und obendrein ein Abendessen springen lassen wollen, das der Engel ja überhaupt nicht benötigte, weshalb er abgelehnt hatte. Auch hatte Castiel nicht vor, die Nacht über zu schlafen, denn Schlaf war ebenfalls etwas, das Engel nicht benötigten. Zwar hatte die nette Dame etwas enttäuscht reagiert, doch ihn dann an einer Raststätte in Rockford Bay abgesetzt. Castiel warf einen prüfenden Blick auf sein Handy, das ihm allerdings wie erwartet weder eine Sprachnachricht noch eine dieser SMS von Dean anzeigte. Also waren die Winchesters auch weiterhin unauffindbar für ihn. Es ärgerte ihn zwar, doch sie für Engel unsichtbar und unaufspürbar zu machen, war die richtige Entscheidung für seine Freunde gewesen und als nichts anderes erachtete er die Brüder, wenngleich er zugeben musste, gegen den jüngeren der beiden, Sam, gewisse Vorbehalte zu haben. Er seufzte leise und lauschte dem Gebet, zu dem die Frau, wegen der er hergekommen war, gerade ansetzte.


„Castiel, bitte. Bitte hilf mir. Ich kann niemanden sonst darum bitten, darum erhöre meine Gebete bitte. Ich weiß einfach nicht mehr weiter, ich sehe keinen Ausweg. Ich weiß einfach nicht mehr, wie es weitergehen soll und ob es richtig ist, was ich tue. Kann ich überhaupt gerettet werden? Gibt es euch Engel überhaupt? Und wenn es euch gibt, helft ihr dann uns Menschen oder ist das reines Wunschdenken? Bitte hilf mir. Bitte, Castiel."


Es fiel dem Engel nicht allzu schwer der samtigen Stimme zu folgen, die er schon so oft gehört hatte und die er deshalb problemlos ausmachen konnte, weil sich das Gebet so spezifisch an ihn richtete. Er konnte nur hoffen, dass nicht andere Engel die Bitte der jungen Frau, die in keinem ihrer Gebete je etwas Genaueres verriet, ja nicht einmal ihren Namen, gehört hatten und sie als Köder nutzten um den Krieger einzufangen. Wieder sah er auf sein Mobiltelefon, das er ja kaum bedienen konnte. Doch es zeigte ihm nichts an. So wandte er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße vor sich. Eine eher heruntergekommene Gegend mit billigen Motels, Tankstellen und einer Raststätte für Trucker. Kein Ort, an dem er die Frau vermutet hätte, zu der eine solch weiche Stimme passte, doch wer wusste schon, welche Umstände sie hierher getrieben hatten? In jedem Falle jedoch kannte er das Hotel, in dem sie sich befinden musste. Er war schon einmal hier gewesen. Mit den Winchesters! War das ein Hinweis darauf, dass sich die Brüder und die mysteriöse junge Frau kannten? Möglich erschien es dem Engel, denn es gab hier einige Motels und das Moonglade Inn war nicht gerade ein übermäßig verlockendes. Der Putz bröckelte, das bunt bemalte Schild mit dem Logo war verblasst, zerkratzt und hing schief und die kleinen Beete vor dem Gebäude sahen weniger einladend aus als ein unbesuchtes Grab auf einem Friedhof. Von den Zimmern zu schweigen, die selbst der wirklich nicht pingelige Engel als 'recht unhygienisch' einstufen musste.



Von der Rezeptionistin unbemerkt – denn die schlief friedlich vor ihrem Fernseher, wobei lediglich eine Haarsträhne, die von ihrem Atem gestreift wurde, leicht wehte und die einzige Bewegung ausmachte – schlich der Krieger des Himmels in den einzigen Flur des kleinen Motels. Der Teppich unter seinen Füßen war dreckig und abgewetzt und lag sicher schon 20 Jahre hier, wenn nicht noch länger. Auch die Tapete an den Wänden, die an vielen Stellen zerschlissen und fleckig war, hatte sicher schon einige Jahre die Wände verschönert (wenn man es denn so nennen wollte). Das alles jedoch interessierte Castiel nicht weiter. Er war schließlich nicht wegen des schönen Ambientes oder des guten Essens hier, sondern allein wegen der samtigen Frauenstimme, die immer wieder hilfesuchend seinen Namen rief und die von einer tiefen Verzweiflung und Angst zeugte. Es dauerte nicht lange und der Engel hatte die richtige Tür gefunden. Wie makaber. Zimmer 666. Er klopfte. Niemand antwortete oder öffnete und er wartete einige Augenblicke, bevor er erneut klopfte. Eben noch hatte die Frau gebetet, weshalb er sicher war, dass sie nicht schlief. Im Zimmer geirrt hatte er sich auch nicht, da war er ganz sicher.


Mit einem leisen Klicken, das fraglos bedeutete, dass die Tür verschlossen gewesen war, schob sich die dünne Holztür mit dem abgeschabten Rahmen ein Stück weit auf. Gerade so weit genug, dass man hindurchsehen konnte. Ein Paar skeptische blaugraue Augen blickten ihm entgegen. „Hallo", grüßte Cas unbeholfen. Er hatte sich auf diese Weise noch nie einem Menschen vorgestellt und bisher auch nicht überlegt, wie er es am besten anstellen sollte. „Und was wollen Sie?", erwiderte die junge Frau, deren Stimme er zwar wiedererkannte, die jedoch deutlich weniger freundlich klang, als bisher. Der Engel räusperte sich. „Es wäre besser, wenn wir das nicht auf dem Flur klären.", versuchte er es ungeschickt und bemerkte selbst, dass das wenig vertrauenswürdig für die Frau klingen musste, die doch keine Ahnung hatte, wer er war, wenngleich sie seinen Namen kannte."Du hast mich um Hilfe gebeten.", fügte er also hinzu in der Hoffnung, das würde vorerst genügen um ihre Vorbehalte zu zerstreuen. Nun, es genügte immerhin, dass sie beiseite trat und ihn einließ, wenngleich ihre skeptische Miene verriet, dass sie kein Wort glaubte und davon ausging, dass er entweder ein anderer Jäger war oder aber eine feindliche Kreatur – eher Letzteres.


Bedächtig trat er ein. Das kleine Zimmer war nicht weniger schäbig als jenes, das die Winchesters dereinst bewohnt hatte, doch das wunderte Castiel nicht besonders. Doch die Wände verrieten ihm mehr. Sie waren gespickt mit Zetteln und Zeitungsausschnitten, die für den Engel nur einen Schluss zuließen: Die junge Frau war eine Jägerin. Ganz klar.

Saving ~ Castiel/OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt