Nach einer halben Stunde sah ich endlich, wohin der Weg führte. Er führte zu einem Schloss. Ein wunderschönes Schloss umrahmt von einer Mauer. Der Schlossgarten bildet einen Radius von ungefähr 100 Metern rund um das Schloss.
Als wir durch das Tor spazierten, konnte ich den Garten genauer betrachten. Er sah gepflegt aus und auch weiße Tauben, wie die in meinem Laden flattern umher und zupften Unkraut. Aber da war ein Teil des Gartens, der meine Aufmerksamkeit besonders auf sich zog, eine Art Gewächshaus.
Es sah im Gegensatz zu dem Schloss und dem Garten heruntergekommen und verlassen aus. Die Glastür, welche in das Innere des Gewächshauses führte stand einen kleinen Spalt offen und die Sonne ließ einige Spinnenweben darin erkennen. Das Gewächshaus hatte etwas Gruseliges an sich, etwas, das mich neugierig machte, aber mich auch zurückschrecken ließ.
Unbemerkt blieb ich mitten auf dem Weg stehen, sodass Haku mich schon beinahe hinter ihm her schleifen musste. Als wäre er ein Geist, blickte ich hoch zu ihm. Seine ruckartige Bewegung seiner Hand erschreckte mich etwas. "Ist alles in Ordnung? Geht es dir nicht gut? Du siehst etwas blass aus" Ohne überhaupt antworten zu können, bog er mitsamt mir in einen kleinen Teil des Gartens mit einem überragenden Brunnen ein.
Er war nicht der Typ Mensch, der andere ausreden oder gar antworten lässt, so kam es mir vor. Er parkte uns direkt vor dem Brunnen, seine Hände nun an meinen Schultern, um meinen Körper nach unten zu drücken. "Setz dich" Wie aus Zauberhand setzte ich mich auf den Steinrand des Brunnens, es wirkte als ob seine Worte, sein Befehl mir keine andere Wahl ließen.
Es war nicht so, als hätte ich Angst, aber ich hatte großen Respekt vor ihm. Seine Ausstrahlung ließ einen sofort wissen, dass er mächtig ist und von überragender Kraft besitzt. Dieselbe Ausstrahlung, die jeden, der an ihm vorbeigeht, sich noch einmal umdrehen lässt. Auch wenn man nicht wusste, wer er ist. Ich fühlte Respekt und...Bewunderung. Ich bewundere ihn. Seine Ausstrahlung, seine Haltung, seine Bewegungen, seinen Charakter, den ich bis jetzt kennenlernen durfte. Einfach alles an ihm.
Mit den ganzen Gedanken vergaß ich, dass Haku direkt vor mir stand, wartend. Aber wieso wartend? Mein fragender Blick ließ ihn schmunzeln. Erst als seine Augen auf meinen Mund fielen und meine den seinen folgten, verstand ich. Eine Wasserkugel, direkt vor meinem Mund, aus dem Brunnen gezaubert von ihm. Durch diese stille Aufforderung öffnete ich meinen Mund, er ließ die Kugel aus Wasser hineingleiten. Die ganze Zeit hielt Haku den Augenkontakt mit mir, ich konnte dem aber nicht standhalten. Ich schluckte hinunter. Das Wasser fühlte sich kühl und prickelnd in meiner Kehle an. Es war erfrischend. Als es meinen Magen erreichte, spürte ich einen Fluss an Energie durch mich hindurch fließen. Alle Müdigkeit, die ich verspürte, war erloschen.
So plötzlich, wie ich mich auf den Brunnen saß, so plötzlich stand ich auch wieder auf. Haku nahm meine Hand wieder in seine Zierliche und ohne ein weiteres Wort setzten wir unseren Weg zum Schloss fort.
Das große Eingangstor öffnete sich und bereits in der großen Eingangshalle sah man viele Bedienstete umher wuseln. Doch sobald das Tor ganz offen stand, blieben sie allesamt stehen und verbeugten sich.
Auch ich, der ein bisschen hinter Haku stand, verbeugte sich unbewusst. Wie auch immer bemerkte Haku dies und blickte zu mir runter über seine Schulter, bis er sich ganz zu mir drehte, seinen Bediensteten den Rücken zeigend, doch er behielt seine stolze Körperhaltung. Auch seine Ausstrahlung veränderte sich. Sie blieb zwar genau so anmutig wie sonst, aber mit einem etwas bedrohlichen Unterton. Er wirkte mehr autoritär. Lag es daran, dass seine Bediensteten in unmittelbarer Nähe sind? Mein Kopf erhob sich etwas, sodass sich unsere Augen trafen. Es war keine Spur von dem Lächeln, das er immer trug, wenn er mich ansah, zu sehen. Er beugte sich etwas zu mir runter und nahm mein Kinn zwischen seinen Daumen und Zeigefinger. "Verbeuge dich nicht. Nicht vor mir, nicht vor meinen Bediensteten, für niemanden. Behalte seine Stolz Takumi. Eines Tages wird dein Stolz das einzige sein, das dir bleibt"
Er ließ mein Kinn los und drehte sich wieder in Richtung der Eingangshalle, bevor er ohne einen weiteren Blick zu mir hineinging. Etwas überrascht und überfordert nahm ich eine gerade Körperhaltung ein und folgte ihm. Ich ging an den Bediensteten vorbei, die sich in eine Reihe jeweils links und rechts aufgestellt hatten. Alle Augen waren auf mich gerichtet. Einige gleichgültig, andere neugierig. Wiederum andere mit Verachtung.
Ich fühlte mich mehr als unwohl. Ich hasste es, im Mittelpunkt zu stehen, umso mehr hasste ich es, großes Aufsehen zu erregen. Meine gerade Körperhaltung sackte wieder etwas in sich zusammen. Mein Kopf senkte sich zu Boden. Ich bemerkte nicht, dass Haku plötzlich stehen blieb. Der Preis, den ich dafür zahlen musste, war, dass ich in seinen Rücken lief und ihn dabei beinahe umwarf. Die Bedienstete um uns herum schnappten alle erschrocken nach Luft. Haku drehte seinen Kopf langsam zu mir. Ich schluckte die Angst runter, gleich einen Kopf kürzer zu werden oder gar noch schlimmer. Doch Hakus Gesicht trug etwas ganz anderes als Ärger oder Wut. Er lächelte. Es war ein warmes und doch amüsiertes Lächeln. Ein Lächeln, das mich ebenfalls Lächeln ließ.
Er drehte sich wieder um und öffnete eine Tür. Er trat zur Seite und bedeutete mir zuerst in den mit Licht gebadeten Raum zu gehen. Es war ein Schlafzimmer. Seiner Größe nach zu urteilen und wie es geschmückt war, war es Hakus Schlafzimmer.
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Der Zauberer aus dem Meer
FantasyEin Zauberer, der einmal jährlich im Land umher zieht auf der Suche nach einem Lehrling. Doch was ihm ins Auge springt ist die Liebe zu einem einfachen Teeverkäufer