Kapitel 1

267 9 1
                                    

Sunny 

Ich wickelte die Bandagen von meinen Händen und rollte sie wieder auf. Völlig außer Puste saß ich in der Umkleide. Das Training hatte mir diesmal wirklich zugesetzt. Mit einem Blick auf mein Smartphone sah ich die Uhrzeit und mir war klar, dass ich schon wieder zu viel Zeit hier verbracht hatte. Ich stopfe alles zusammen in die Tasche. Auf duschen und umziehen verzichtete ich. Also zog ich nur eine schwarze Sweatjacke über, wechselte meine Schuhe, zog die dicke Winterjacke an und schulterte die Sporttasche. Die schwarze Kapuze tief ins Gesicht gezogen verließ ich den Boxclub. So lange würde der Heimweg nicht dauern, also beschloss ich zu laufen.
Ich steckte meine Hände immer weiter in die Taschen meiner Winterjacke. Es war Mitte Dezember und wirklich kalt in Berlin. Vereinzelt landeten Schneeflocken auf meinem Gesicht, als ich am Abend durch Kreuzberg lief. Ich war so müde wie schon lange nicht mehr. Ob es daran lag, dass ich einen langen Arbeitstag hinter mithatte oder direkt im Anschluss beim Training war, war nun dahingestellt. Aus meinen Kopfhörern klang eine Playlist mit Ami-Rap. Alles um mich herum wirkte ziemlich surreal. Ich fühlte mich, als würde ich nur nebenbei existieren, während alle anderen Menschen aussahen, als hätten sie eine Aufgabe oder eine Bestimmung hier zu sein. Überall hing Weihnachtsdekoration und Lichterketten leuchteten in den Fenstern. In meiner Tasche vibrierte mein Handy. Ich zog es heraus und las die Nachricht.

Mama: Ich freue mich schon, dass ihr am Wochenende kommt. Endlich sind mal wieder Alle Zuhause!

Direkt vor mir wurde eine Autotür aufgerissen. "Pass doch auf", zische ich. Große, braune Augen schauten mich ruhig an und der Typ zuckte nur mit den Schultern. "Vielleicht solltest du, anstatt auf dein Handy zu schauen mal lieber auf die Umwelt achten." Ich schnaubte. Dann sah ich mir zuerst den Mann vor mir an. Braune Augen, unter einer Cap schauen die braunen Haare vor. Eine prollig wirkende Goldkette. Und als nächstes sah ich zu dem Auto. Ebenso proletenhaft, wie auch der Typ wirkte, wirkte der Mercedes aus dem er gestiegen war und aus der noch immer lauten Musik tönte. Ich zog nur eine Augenbraue hoch. "Arschloch", murmelte ich und ging um Tür und Typ herum, um so schnell es ging nach Hause zu kommen. "Ey! Wie heißt du?!", rief er mir hinterher. Ich drehte mich noch einmal um: "Sunny."
Nach weiteren 15 Minuten Fußmarsch stand ich vor meiner Wohnungstür. Ich lebte in einer Altbauwohnung, mitten in Kreuzberg. Es war mir immer noch ein Rätsel, wie ich es geschafft hatte diese Wohnung zu bekommen. Drinnen zog ich sofort Schuhe und Jacke aus, ließ meine Sachen im Flur einfach Fallen.
Ich starrte in den Spiegel im Badezimmer, machte meinen Dutt auf, sodass überall lange, braune Haare im Weg hingen. Ich dachte über die komische Begegnung nach. Vielleicht hätte ich ihn zumindest auch nach seinem Namen fragen sollen?
Nach einer schnellen Dusche saß ich, mit einem Tee am kleinen Tisch in der Küche und scrollte durch diverse Soziale Medien. Insta, Twitter, TikTok, alles dasselbe, nichts Neues. Ich schickte schnell einen Emoji in die Familiengruppe, der aussagte, dass ich mich genauso freute nach Hause zu fahren und legte mein Smartphone wieder weg.
Doch eine Sache wollte mir an diesem Abend nicht aus dem Kopf gehen. Wer war dieser Typ? Und zu wem gehörte die matt-weiße S-Klasse?

Wann ist der Hype vorbei? - [Felix Lobrecht]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt