— Niemals durfte sie das Anwesen verlassen. Weder hatte sie jemals das ausgestorbene Dorf betreten, auf welches sie von ihrem Balkon aus jeden Tag sehnsüchtig hinunter geblickt hatte, noch hatte sie überhaupt einmal mit einem anderen Zauberer oder einer anderen Hexe gesprochen, außer jenen, die an ihrer Geburt Schuld waren. Noch nie hatte sie ein anderes Gesicht als das ihrer Erzeuger gesehen. Obwohl, eines. Das ihres Großvaters. Ihres toten Großvaters, der sie beobachtete, während sie verzweifelt nach einem Buch in der unermesslichen Bibliothek suchte, welches sie noch nicht zweimal gelesen hatte.
Laute Klänge hallten durch den großen Raum. Das Mädchen mit so dunklem Haar, dass der tiefe Braunton fast ins schimmernde Schwarz überging, saß in ihrem Zimmer. Sie drehte ihren Kopf leicht zur Seite und ihre Augen, gleich wie Holzkohle mit einem dunkelbraunen Glanz, blickten auf die große Uhr in ihrem Zimmer. Dann erhob sie sich aus ihrem dunkelgrauen Sessel und ging auf ihren Koffer zu. Dabei fielen vereinzelte Strahlen der Sonne durch einen Schlitz zwischen ihren bodenlangen Vorhängen auf ihre weiße Alabasterhaut, die ihr das Aussehen einer lebenden Toten verlieh. Der orangene Ton der Sonnenstrahlen schien sich auf der hellen Haut völlig entfalten zu können. Wie ein farbgetränkter Pinsel auf einer schneeweißen Leinwand.
»Reducio«, murmelte sie leise und sah zu, wie ihr Koffer in Sekundenschnelle auf die Größe eines Doxys schrumpfte. Sie griff nach dem kleinen Koffer und stopfte ihn in ihre Innentasche des schwarzen, schweren Reisemantels.
Nachdem sie ihre Zimmertür geschlossen hatte, ging sie in die Richtung des Speisesaals. Sie verspürte keine Trauer, dass sie ihr altes Zuhause verlassen musste. Es gab zwar mehr unangenehme Erinnerung an ihre sogenannte Kindheit als angenehme (sofern je überhaupt welche existiert hatten), jedoch verband sie diese nicht mit diesem Ort.
Unten im Speisesaal angekommen, sah sie, dass sie bereits erwartetet wurde. »Mutter, Vater«, meinte sie im eisigen Ton und nickte den beiden einmal zu. In ihr sträubte sich alles, sie Mutter und Vater zu nennen. Wo sie doch nur aus einer alkoholisierten Liebesnacht ungeplant erzeugt wurde. Sie war nie ein Wunschkind und dies wurde ihr seit ihrer Geburt vorgehalten. Die Erzeuger des Mädchens erwiderten diese Geste mit kühler Miene, sodass man niemals auf den Gedanken gekommen wäre, dass die Leute verwandt sind.
»Wohin apparieren wir?«, fragte das Mädchen und blickte dabei starr auf die tickende Uhr vor ihr anstatt zu ihnen. Augenblicklich durchzuckte ein unmenschlicher Schmerz den Körper des Mädchens, sodass sie anfing sich am Boden unter Todesqualen zu krümmen. Ihr Körper fing unter unmenschlichen Schmerzen an zu zucken und sie schrie sich die Seele aus dem Leib. Der Cruciatus-Fluch durchdrang jede ihrer Nerven und Fasern. Von ihrem kleinen Finger bis in die Zehenspitzen. Ihre Lunge konnte keinen Sauerstoff mehr aufnehmen, so sehr schmerzte jede einzelne Bewegung, ihr Gehirn erfasste nichts anderes als unerträgliche Schmerzen, machte sie dadurch unbeweglich. Ihre Schreie hallten an den Wänden wieder, prasselten auf sie ein, so wie es schon dutzendemal zuvor auch gewesen war. Sie bettelte um Gnade, wollte, dass es endlich aufhörte – egal wie. Und einige Herzschläge später wurde sie erhört. Die Welt drehte sich, machte es ihr unmöglich aufzustehen. Aufzustehen von jenem Boden, auf dem sie schon so oft gequält und dann wie das letzte Stück Dreck liegen gelassen worden war. Bis sie es nach mehreren Stunden der Erholung unter enormsten Schmerzen die Treppen in ihr Zimmer hinauf geschafft und dann stumm auf ihrem Bett gesessen hatte.
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scent of evil
Fanfiction[Harry Potter Fanfiction] ◊ ◊ ◊ ◊ ◊ ❝ 𝓦𝓲𝓽𝓱 𝓹𝓾𝓻𝓲𝓽𝔂 𝓪𝓷𝓭 𝓹𝓻𝓲𝓭𝓮 ❞ ◊ ◊ ◊ ◊ ◊ Isoliert, ohne jeglichen Kontakt zu...