Kapitel Eins

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„'Tschuldigung!"

Ich hob kurz die Hand und eilte weiter in Richtung der Aufzüge. Mehrere Male hintereinander drückte ich auf den Knopf und atmete dann erst einmal tief durch. Die Blicke, die mir von den Leuten, welche um mich standen, zugeworfen wurden, versuchte ich gekonnt zu ignorieren.

Mit der linken Hand fuhr ich mir einmal kurz durch die Haare und versuchte so das Vogelnest auf meinem Kopf etwas zu zähmen. Die Luft war heute so feucht, dass ich quasi hören konnte, wie sich jede einzelne Strähne meiner dunklen Haare zu kräuseln begann.

Mit einem leisen ‚Pling' öffnete sich einer der drei Fahrstühle und ich drückte mich mit den anderen Wartenden in das Innere des Aufzugs. Ich hatte Glück und musste nur in den dritten Stock, denn so gut wie jede Etage sollte angefahren werden.

Ich versuchte meine Atmung wieder etwas unter Kontrolle zu bringen und warf einen kurzen Blick auf die Armbanduhr an meinem Handgelenk. In genau drei Minuten müsste ich, mit hochgefahrenem PC, an meinem Schreibtisch sitzen. Denn genau dann würde mein Chef den Weg zu seinem Büro antreten, welches am Ende des Raumes lag, den ich mir mit fünf anderen Kollegen teilte.

Als der Aufzug endlich in meiner Etage hielt, quetschte ich mich unter großer Anstrengung nach draußen und stürmte sofort los. Die Glastüre zu unserem Büro warf ich etwas zu unsanft auf und kam schlitternd vor meinem Schreibtisch zum Stehen. Meine Tasche landete neben meinem Stuhl und während ich mich darauf fallen ließ, schüttelte ich meine Jacke schnell von mir.

Gerade als ich meinen Laptop aufklappen wollte, sah ich das dieser bereits geöffnet und gestartet wurde. Etwas verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen, konnte darüber jedoch nicht weiter nachdenken. Just in diesem Moment öffnete sich die Glastüre erneut, diesmal etwas sanfter, und Herr Wörthers betrat den Raum.

Während er uns allen einen Guten Morgen wünschte und zwischen den Tischen entlang ging, wanderten seine Augen über die Arbeitsplätze um sicherzustellen, dass auch alle schon fleißig an der Arbeit waren und mit einem zufriedenen Lächeln verschwand er in seinem Büro.

Ich atmete laut aus und bemerkte erst jetzt, dass ich die Luft angehalten hatte. Dann sank ich in meinem Bürostuhl zurück und schickte ein Stoßgebet in den Himmel.

Seit genau zwei Wochen arbeitete ich jetzt bei Universal Music und wenn es etwas gab, was mein Chef hasste, war es Unpünktlichkeit. Ich würde diese Stelle um keinen Preis der Welt aufs Spiel setzen. Ich war aus allen Wolken gefallen, als ich die Zusage für diesen Job erhalten hatte. Wer wollte auch nicht für eines der Music-Label schlechthin arbeiten?

Auch wenn mein Job hier nicht wirklich viel mit Musik zu tun hatte. Ich arbeitete als Fotografin in der Social-Media Abteilung. Das hieß, ich war dafür zuständig, ordentliche Bilder für Instagram, Twitter und Co. zu schießen. Sei es vom Gebäude, den Räumlichkeiten oder natürlich auch von den Künstlern, welche bei Universal unter Vertrag standen.

Der Job war anstrengend, ja, aber er machte super viel Spaß. Erst letzte Woche hatte sich für mich ein Kindheitstraum erfüllt, als ich auf Rammstein getroffen war, um Fotos für die Webseite zu machen. Wer weiß, wem ich hier noch so über den Weg laufen würde?

Mein Gedankengang wurde unterbrochen, als ich aus dem Augenwinkel wahrnahm, wie ein Kopf neben mir erschien. Und da grinste mir auch schon Anna, meine Arbeitskollegin, entgegen. Sie arbeitete schon seit zwei Jahren für Universal, ihr Schreibtisch befand sich in unmittelbarer Nähe von meinem.

Auch wenn ich noch nicht lange hier war, hatten wir zwei uns auf Anhieb gut verstanden, waren nach der Arbeit sogar schon auf den ein oder anderen Absacker in die kleine Bar gegenüber gegangen.

Anna kam, im Gegensatz zu mir, nicht gebürtig aus Berlin, sondern war für den Job in die Stadt gezogen. Mit ihren 32 Jahren war sie zwei Jahre älter als ich und hatte zu Hause einen tollen Mann und zwei wundervolle Kinder.

Das einzige Lebewesen, welches mich abends nach einem langen Tag begrüßte, war mein Kater Toulouses. Ich spielte schon länger mit dem Gedanken, mir einen weiteren Kater zuzulegen, doch meine Mutter redete mir jedes Mal ins Gewissen. Ich wusste, dass sie Angst hatte, dass ich alleine enden würde, mit zwanzig Katzen und weder Mann noch Kindern. Immerhin sprach sie diesen Gedanken bei sich jeder bietenden Gelegenheit aus.

„Warst du das?", fragte ich die Brünette, welche grinsend nickte und ich warf ihr einen Luftkuss zu. Auf Anna war nun mal Verlass.

Während ich die Bilder vom gestrigen Shooting zum Bearbeiten aufrief, lehnte sie sich gegen meinen Schreibtisch und drehte die Kaffeetasse in ihrer Hand hin und her. „Wie war dein Wochenende?", fragte sie und sah mich aufmerksam an. Ich zuckte mit den Schultern, nahm meinen Blick jedoch nicht vom Bildschirm. „Samstag hatte ich ein heißes Date mit meiner Badewanne und Tom Hardy und gestern war ich bei meinen Eltern und durfte mir die ganze Zeit anhören, dass es langsam wirklich Zeit wird, dass sie Großeltern werden." Anna prustete los, presste die Lippen jedoch fest aufeinander, nachdem ich ihr einen bösen Blick zuwarf. Sie räusperte sich kurz und sagte: „Wieder dieselbe Laier, warum du noch immer nicht verheiratet bist?" Darauf bekam sie von mir nur ein kurzes Nicken.

Es schickte sich nun mal nicht, mit 30 weder verheiratet noch Mutter zu sein. Was konnte ich dafür, wenn sie und ihre Freundinnen beim Sonntagsbrunch nichts Besseres zu tun hatten, als den Versuch, sich mit ihrem Nachwuchs zu übertrumpfen?

Überhaupt mischte sie sich ein bisschen zu sehr in mein Leben ein. Ich konnte an zwei Händen nicht mehr abzählen, wie oft sie schon versucht hatte, mich mit einem Sohn oder einem Neffen einer ihrer Klatschweiber zu verkuppeln.

„Ihrer Meinung nach, werde ich einsam sterben und meine Katzenherde, die ich noch nicht mal habe, wird mich fressen und keiner wird mich vermissen."

Annas Blick wechselte von belustigt zu verstört und das entlockte nun mir ein Lachen. Meine Mutter konnte etwas extrem sein und trotzdem war sie die beste Mama, sie man sich wünschen konnte.


Gegen Mittag machte ich mich mit Anna und weiteren Kollegen auf den Weg in die Kantine. Da wir nur eine dreiviertel Stunde Zeit zum Mittagessen hatten, vergnügten wir uns meist mit dem, was auf der Tageskarte stand.

Heute war es Lachs in Dillsauce mit Bandnudeln und es schmeckte sogar überraschend gut. Nach einer kurzen Zigarettenpause, fuhren wir wieder nach oben und bereiteten uns mental auf die nächsten drei Stunden bis zum Feierabend vor.

Gerade als ich Anna die Türe zu unserem Büro aufhielt und mich fast scheckig lachte, wie sie Heiko aus der IT-Abteilung imitierte, unterbrach eine mir sehr bekannte Stimme Annas Performance.

„Emma?!"

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