7. Kapitel

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Lina öffnete die Augen und ein grelles Licht blendete sie. Nur schwer erkannte sie Frau Berger, die neben ihrem Bett saß und ein Buch in der Hand hielt.

Ihr Körper schmerzte, als sie versuchte sich aufzurichten und sie blieb stöhnend liegen. Frau Berger klappte das Buch zu und sah Lina mit besorgtem Blick an.

Ohje, jetzt darf ich mir was anhören, dachte sich Lina. Stattdessen griff Frau Berger allerdings nur schweigend nach ihrer Hand und drückte sie leicht.

"Es tut mir Leid.", sprach sie leise zu Lina. Und weiter: "Ich hätte deine Ausflüge nicht für mich behalten dürfen...".

Lina antwortete: "Ich danke dir dafür."

"Dafür, dass ich nicht verhindert habe, dass du fast zu Tode verprügelt wurdest?", fragte Frau Berger und blickte auf Linas Hand.

"Nein, für dein Vertrauen.", meinte Lina ruhig. Das Atmen viel ihr schwer und sie schnaufte angestrengt.

"Eine gute Therapeutin kann einschätzen, wann die Sicherheit oder das Vertrauen einer Patientin wichtiger ist."

Lina holte Luft. "Ich finde, dass du eine gute Therapeutin bist." Obwohl ihr Arm bei der Bewegung schmerzte legte sie ihre noch freie Hand auf die von Frau Berger. Diese lächelte zaghaft.

"Rafael hätte mich vor so jemandem beschützt.", erzählte Lina und Frau Berger sah zu ihr auf.

"Eure Beziehung zu verstehen wird mich wohl noch einiges Kosten.", antwortete sie dann.

"Mich macht sie glücklich, niemand von uns hätte sich jemals beschwert." Lina dachte an Kate und die anderen, denn sie vermisste sie.

"Wie kann man glücklich sein, wenn man in Ketten gelegt ist?", hakte Frau Berger nach.

Lina überlegte. Dann fing sie an: "Dein Hund, mit dem wir immer im Park spazieren, der ist auch glücklich." Frau Berger machte ein nachdenkliches Gesicht.

"Obwohl du ihn nie von der Leine lässt, wedelt er immer mit dem Schwanz.", fügte Lina hinzu. "Ist er denn nicht auch in deine Ketten gelegt?"

Frau Berger überlegte. Normalerweise bin ich dafür zuständig Fragen zu beantworten, doch bei Lina stellen sich mir selbst zu viele Fragen, dachte sie.

"Ich glaube nicht, dass man Hunde und Menschen vergleichen kann.", sagte sie nach einer Weile.

Eine Ärztin betrat den Raum. Sie sprach mit Frau Berger über Linas Zustand, welcher besser als erwartet zu sein schien.

Die nächsten Tage waren dennoch schmerzhaft und auch, wenn Frau Berger sie oft besuchte, langweilte sich Lina sehr.

Sie sprachen über die anderen Mädchen und Frau Berger erzählte, dass es ihnen allen gut ging. Lina erzählte von Rafaels Einrichtung und die Therapeutin hörte ihr gebannt zu.

"Wieso kannst du seinem Blick nicht standhalten?", fragte sie Lina, als die beiden ein paar Tage später durch den Park liefen. Lina hielt die Leine von dem kleinen Dackel in der Hand.

"Es gehört sich den Blick zu senken und du zeigst, dass du nur ihm gehörst.", versuchte Lina zu erklären.

"Wenn du es nicht tust, wirst du bestraft?", fragte Frau Berger nach. "Ja, es ist wie ein Auflehnen gegen ihn...ich hab gemerkt, dass man deinem Hund auch nicht lange in die Augen schauen kann, er schaut immer weg."

"Ja das stimmt, er wird nicht gerne angestarrt.", antwortete Frau Berger. "Es macht ihm wirklich nichts aus, dass ich ihn nie von der Leine nehme.", sie lachte, denn der Dackel hatte einen viel zu großen Stock entdeckt und brachte ihn ihr mühselig, aber schwanzwedelnd.

Lina kicherte und streichelte ihn, der Dackel reckte stolz den Kopf. "Tja, den hat er dir jetzt geschenkt. Viel Spaß damit.", meinte Frau Berger und wies auf den angesabberten Stock.

Lina verzog das Gesicht und schob den Stock mit dem Fuß vom Weg. Frau Berger lächelte zufrieden. In solchen Momenten kam Lina ihr fast wie ein normaler Teenager vor.

Sie liefen weiter und Frau Berger fiel ein schlanker Mann in schwarzem Hemd auf, welcher mitten auf dem Weg stand. Er hatte schwarze Haare und ein junges Gesicht.

Wo kam der denn jetzt her, fragte sie sich noch und sah sich um. Der Park war menschenleer. Lina hatte ihn noch nicht gesehen, da sie mit dem Dackel beschäftigt war. Der Mann kam näher und Frau Berger blieb stehen.

In der Sekunde als Lina ihn sah, gaben ihre Knie nach und sie sakte auf den Boden. Frau Berger griff nach ihrer Hand, um ihr auf zu helfen. Linas Blick blieb auf dem Boden. "Hallo Rafael.", sprach Frau Berger zu dem Mann.

Er lächelte und blickte ihr tief in die Augen. "Hallo.", kam seine knappe Antwort zurück und Frau Berger erwischte sich dabei, dass sie ihren Blick ebenfalls senkte.

Sie versuchte in seine braunen Augen zu schauen, ohne weg zu sehen. Er kam näher, noch einen Schritt und noch einen. Er stand direkt vor ihr, sein Atem war ruhig.

Er streckte seine Hand aus. Ihre hing immernoch an der von Lina. Sie schaute auf ihre Hände, Mist...der Blickkontakt war hinüber. Stumm ließ sie Linas Hand los.

Lina kauerte sich in seine Arme und er griff sanft nach ihr. "Danke", sprach er noch zu der erstarrten Frau Berger, bevor er sich umdrehte.

Der Dackel saß neben ihr und sah den beiden schwanzwedelnd hinter her.

...

Kate lief auf ihren Wagen zu und klapperte mit den Schlüsseln. Maurice lehnte an seinem Auto und rief ihr zu: "Ich wünsche der hübschesten Lehrerin der Welt einen schönen Feierabend."

Sie verdrehte die Augen. "Ich date immer noch keine Kollegen." Sie marschierte an ihm vorbei und schloss das Auto auf.

"Ach komm schon, der Abend geht auch auf mich.", bettelte der junge Mann und lehnte sich an sein Autodach, um den Kopf noch schief zu legen.

Bevor sie einstieg drehte sie sich noch einmal um: "Du suchst das Restaurant aus."

Maurice jubelte und hüpfte, wie ein kleiner Junge. Kate startete grinsend den Motor und fuhr nach Hause.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 23, 2022 ⏰

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