1. time to wander

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„Finya, kannst du es fassen? Wir fliegen endlich nach Tokio! Gemeinsam!"

Die fast schon quietschende Stimmlage meiner besten Freundin riss mich unsanft aus der Gedankenblase, in die ich viel zu weit abgerutscht war.Nicht unbedingt die beste Angewohnheit von mir, doch in meinem Kopf passierten weitaus interessantere Dinge als in diesem stickigen, engen Flugzeug, das uns schon seit Stunden durch die Lüfte kutschierte.

Anstatt einer Antwort, entschied ich mich für ein zustimmendes, breites Lächeln.

„Wir sollten bald da sein", fügte Yuki, mit weitaus ruhigerer Stimme hinzu und spähte durch die kleine Fensterluke nach draußen.

Vorsichtig lehnte ich mich zu ihr hinüber um ebenfalls raus sehen zu können. Da ich weitaus öfter flog als sie, hatte ich ihr den Fensterplatz überlassen und mit der inneren Sitzreihe vorlieb genommen.

Draußen erstreckte sich strahlend blauer Himmel, der immer wieder von einzelnen, weißen Wolkenfetzen durchzogen wurde. Aber immerhin, man konnte endlich Wolken sehen, was bedeutete, dass wir an Höhe verloren und uns bald im Landeanflug befinden würden.Mit dieser Erkenntnis ließ ich mich wieder in meinen Sitz zurückfallen, dicht gefolgt von einem beklemmenden Gefühl, welches oft zu Gast bei mir war, obwohl ich es nie eingeladen hatte.

Ein dumpfes 'Dong' erklang durch die Lautsprecher und nur wenige Sekunden später, war auch schon die ins Mikrofon nuschelnde Stimme des Piloten zu hören: „Meine sehr geehrten Damen und Herren, in wenigen Minuten beginnt der Landeanflug auf den International-Airport Tokio. Wir bitten sie, sich wieder auf Ihre Sitzplätze zu begeben und die Sicherheitsgurte anzulegen. Vielen Dank!"

„Bist du nervös?", fragte Yuki neben mir und beäugte mich nachdenklich.

Augenblicklich stoppte ich die unkontrollierten Knetbewegungen meiner Hände und winkte ab.

„Ich? Nervös? Nein...", ein unsicheres Lächeln schlich sich auf mein Gesicht.

Natürlich war ich nervös. So sehr, dass mir fast schlecht wurde.

„Du bist doch schon in so vielen fremden Ländern gewesen, wieso hast du ausgerechnet vor Tokio so einen Bammel? Da nehme ich dich einmal mit in mein Heimatland und du freust dich gar nicht", sie setzte scherzend einen Schmollmund auf und stemmte die Hände in die Hüften.

„Das ist es nicht...", verzog ich nachdenklich meinen Mund. „Ich freue mich total, wirklich! Aber ich fühle mich irgendwie so unvorbereitet. Und ich habe das Gefühl, als hätte ich sämtliche japanische Vokabeln vergessen. Was ist wenn mich hier niemand versteht?"

Kopfschüttelnd kicherte Yuki vor sich hin und verdrehte die Augen.

„Darf ich dich daran erinnern, dass du gerade japanisch mit mir sprichst?"

Sie umgriff meine Hände mit ihren, übte leichten Druck darauf aus und zwang mich auf liebevolle Art und Weise damit, ihr in die Augen zu sehen.

„Finya Magnusson!", sagte sie streng. „Wie lange sind wir nun schon befreundet?"

Sie legte den Kopf schief und sah mich erwartungsvoll durch ihre dunklen Augen an.

„20 Jahre", antwortete ich.

„Ganz genau, 20 Jahre!", wiederholte sie meine Worte. „Mit 8 Jahren haben wir uns kennengelernt, gleich nachdem meine Eltern und ich nach Österreich ausgewandert waren. Obwohl ich die deutsche Sprache so gut wie gar nicht sprechen konnte, warst du von Anfang an da, hast mir geholfen, sie zu lernen und besser zu verstehen, und sie jetzt, mit 28 Jahren, wie meine Muttersprache zu sprechen. Zeitgleich, und auch als Dank dafür, haben dich meine Eltern in unsere Kultur eingeführt. Und so wie du mir mit deiner Sprache geholfen hast, haben wir dir unsere beigebracht. Du kannst also mindestens genauso gut Japanisch wie ich Deutsch", grinste sie bis über beide Ohren. „Noch dazu, warst du schon immer ein riesengroßes Sprachtalent."

Yuki hatte recht. Andere Sprachen zu lernen fiel mir schon immer sehr leicht. Mit einer österreichischen Mutter und einem norwegischen Vater, war das zweisprachige Aufwachsen vorprogrammiert gewesen. Da meine Eltern schon immer sehr viel Wert darauf gelegt hatten, dass ihre Tochter auch Englisch in Wort und Schrift perfekt beherrschte, war somit noch eine dritte Sprache hinzu gekommen. Durch Yuki und ihre Familie durfte ich dann schlussendlich noch eine weitere erlernen.

„Du schaffst es wirklich immer wieder, meine Gedanken in eine positive Richtung zu lenken", gab ich erleichtert zu und mein Körper fing an sich ein klein wenig zu entspannen.

„Dafür sind beste Freunde da", legte Yuki ihren Kopf auf meine Schulter. „Wer weiß, vielleicht lernst du hier in Japan endlich einmal deinen Traumprinzen kennen, der dich dauerhaft auf positive Gedanken bringt", scherzte sie.

Mit einem amüsierten Seufzen verdrehte ich meine Augen.

„Ich bin hier, um Musik zu machen, und nicht, um auf Männerschau zu gehen, Yuki."

Ich spürte wie ihr Körper neben meinem leicht zu beben anfing. Sie lachte vergnügt in sich hinein, und es lag offen auf der Hand, dass sie meine Worte nicht ernst nahm. Doch so war sie eben, und dafür liebte ich sie insgeheim. Für ihre unbeschwerte und offene Art, ihrem Talent in jeder Situation etwas Positives zu sehen, und, das allerwichtigste, ihr Lachen und das sarkastische Wesen, welches sie zur Häufe an den Tag legte. Es lud jedes Mal aufs Neue zum mitmachen ein.

„Und, ich kann mir kaum vorstellen, dass ich hier in Japan mehr Glück mit den Männern habe als in Europa. Ich hab für so etwas einfach kein gutes Händchen..."

Das war zwar untertrieben, da ich es mir anscheinend – unbewusst - zur Lebensaufgabe gemacht hatte, die größten Vollidioten dieses Planeten anzuziehen, doch Yuki würde diesen Gedankengang von mir nicht gut heißen, weswegen ich mir ein weiteres Kommentar verkniff.

„Ob mit oder ohne Traumprinz. Das wird das Jahr unseres Lebens, da bin ich mir ganz, ganz sicher!", drückte Yuki meine Hand und strahlte bis über beide Ohren.

„Das wird es! Ganz ohne Zweifel!", lächelte ich.

Welcome to Borderland - Chishiya FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt