Liebe läuft übers Schachbrett

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Angelina war von diesem Tag einfach nur noch genervt. Während alle andere Mädels aus ihrem Haus sich, wie jedes Jahr freuten, endlich die Aufmerksamkeit von Jungs zu bekommen, nach der sie sich schon die ganze Zeit sehnten, hoffte Angelina dieses Mal, davon verschont zu bleiben.


Man könnte meinen, sie wäre daran mittlerweile gewöhnt. Sie wurde immerhin jedes Jahr aufs neue damit konfrontiert, als Ziel auserkoren zu werden für diese besondere Aufmerksamkeit. Aber für die Schwarzhaarige war das einfach nur noch lästig. Wieso gab es überhaupt diesen Tag? Wieso konnten die Jungs nicht einfach an einem x-beliebigen Tag ihren Schwarm nach einem Date fragen? Wieso musste man alles auf einen bestimmten Tag pressen?!

Mal abgesehen, dass es auf dieser Schule nur drei Arten von Typen gab:
Der Romantiker, der einfach alles auf das Mädchen auslegte und dabei jeden noch so kitschigen Roman übertraf.
Dann der Arrogante, der glaubte alle haben zu können, mit gezielten Manipulationen. Der es nicht mal ernst meinte. Sondern am Ende nur sein Spaß wollte.
Und zum Schluss der Schüchterne, der einfach nur den Mund auf und zu machen konnte, wenn er vor seiner Angebeteten stand. Wobei kein Wort auch nur seine Lippen verließ. Das erinnerte sie immer an einen Goldfisch, der versuchte nach Luft zu schnappen...

All diese Arten, fand sie weder attraktiv, noch irgendwie interessant. Weswegen sie überzeugt davon war, diesen Valentinstag jedes Jahr aufs Neue zu boykottieren.

Blöd nur, dass keiner darauf Rücksicht nahm. Nicht einmal ihre Freunde. Die schienen es immer wieder vergessen zu haben, dass sie an diesen Tag prinzipiell immer schlechte Laune besaß und man sie am besten auch zwanzig Meter im Umkreis aus dem Weg gehen sollte.
Aber wie gesagt. Entweder sie vergaßen es, oder sie wollten ihre Ansichten einfach nur gekonnt ignorieren. Denn schon der erste Augenaufschlag heute Morgen hat ihr fast einen Herzinfarkt beschert. Alicia stand wie paralysiert neben ihrem Bett und hat sie fast zu Tode gestarrt. Mit weit aufgerissenen Augen, die einem Psychopathen alle Ehre machen würde, stand sie da und hatte zudem noch breiter den je gegrinst.

„Ich werd' ihn heute fragen, Angie!", hatte die Gleichaltrige sie fast angebrüllt, so dass auch der Rest des Schlafsaals dadurch wach wurde.

Während sie noch versuchte die Lage zu analysieren, ging in binnen wenigen Sekunden die Party im Mädchenschlafsaal des 6. Jahrgangs ab. Da wurde gefragt, wen Alicia meinte. Was sie genau fragen wollen würde. Ob sie nach einem Date fragte, und wenn ja, wohin es gehen soll... Bei Morgana! Hallo? Konnte man nicht einmal an einem Samstag ausschlafen?!

Ihr war es offenbar nicht gegönnt. Also hatte sich die Schwarzhaarige sich ihre Freizeitkleidung aus ihrem Schrank geschnappt und sich, fernab von diesen verrückten Hühnern, im Badezimmer fertig gemacht.


Frisch geduscht und gewappnet für diesen Horrortag, hatte sie sich in die schlimmsten Klamotten geworfen, die sie besaß. Eine, alte, graue Jogginghose, die viel zu locker saß, einige Löcher an den Knien aufwies und sogar noch ein großer, wenn auch verblasster Kaffeefleck auf ihrem Oberschenkel zu sehen war. Der müsste von letzter Woche gewesen sein. Ein Glück, dass sie die Hose noch nicht zur Wäsche gab.
Dazu hatte sie einen pechschwarzen Hoodie angezogen. Lieber wäre ihr eigentlich ein Shirt gewesen, aber es war immerhin noch Februar und vor ein paar Tagen hatte es noch einmal kräftig geschneit. Sie wollte ja nicht krank werden. Nicht heute! Denn im Krankenflügel wäre sie nicht im entferntesten sicher, vor all den Liebestrotteln.

Für diesen Tag würde sie über Leichen gehen! Das war ihre Devise. Also verzichtete sie ebenso auf Make Up. Einen Zustand den man sonst nie an ihr sah. Sie sah immer tipptopp aus. Wie aus dem Ei gepellt. Aber heute... heute würde sie in die Große Halle zum Frühstück gehen und aussehen, wie der letzte Schluck Wasser in der Kurve.

Das einzige was sie für ihre Pflege beitrug, war das morgendliche Kämmen ihrer Haare. Nicht zu viel, aber immerhin so, dass ihre schwarzen Haare keine nächtlichen Knoten mehr aufweisen konnten. Langweilig und lieblos fielen sie gerade so auf ihre Schultern. Mit einem gezielten Schwung warf sie die Kapuze ihres Hoodies über ihren Kopf. Noch einmal zufrieden begutachtete sie sich im Spiegel. Fand es als angebracht, rutschte noch schnell in ihre weißen Sneaker, schnappte sich noch ein schwarzes Haargummi vom Regal und verließ das Bad mit erhobenen Hauptes.

Dieses Jahr würde erfolgreich sein. Daran glaubte sie. So wie sie heute aussah, würde kein Junge auf die Idee kommen, sie nach irgendetwas zu fragen. Nicht einmal wenn es um die Hausaufgaben ginge. Alle würden um ihre Person endlich den Haken schlagen, den sie sich so sehr wünschte.

Verrückt gewordenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt