2. Kapitel

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Lucien sprang elegant von dem Ast, auf dem er gesessen und sein Opfer beobachtet hatte. Es war ein Leichtes gewesen, dem Geruch der jungen Frau zu folgen. Sie hatte etwas Faszinierendes an sich, was ihn magisch anzog. Langsam ging er auf sie zu und verfolgte belustigt, wie sie rückwärtsging. Selbst jetzt wollte sie sich nicht geschlagen geben. Bewundernswert, dachte Lucien. Die meisten Menschen erstarrten bei seinem Anblick oder flohen kopflos. Diese dummen Leute glaubten doch wirklich, dass sie mich abschütteln können. Dabei war es gerade die Jagd, die Geschöpfe wie ihn anheizte. Allerdings würde sie ihm nicht entkommen. Noch einen Schritt ...

Abigail blickte fassungslos auf den Vampir, der bedrohlich ruhig auf sie zukam. Sie machte einen weiteren Schritt nach hinten und prallte gegen etwas Hartes. Ihren Feind nicht aus den Augen lassend, tastete sie hinter sich, spürte jedoch nur Rinde und Moos. Nichts, was sie als Waffe benutzen könnte.

Jetzt bin ich verloren, dachte sie verzweifelt und beobachtete ihn. Das fiel ihr überraschenderweise nicht so schwer. Das Monster verbarg sich in Gestalt eines gut-aussehenden Mannes, der mindestens einen Kopf größer war als sie. Er trug schwarze Kleidung, die auf einen gewissen Reichtum schließen ließ und es ihm ermöglichte, mit den Schatten zu verschmelzen. Der Vampir bewegte sich mit einer unleugbaren Eleganz, die jedoch nicht vertuschen konnte, dass es sich um ein Raubtier handelte. Abbie zog zischend den Atem ein, als er nah genug war, um Details zu erkennen. Er hatte das Gesicht eines Engels mit glatter Haut, ebenmäßigen Gesichtszügen, sündigen Lippen, die sie anzogen und Augen von einem dunklen Blau. Sein leicht gewelltes Haar reichte ihm bis zu seinen Schultern und war rabenschwarz. Je näher er kam, desto schneller schlug ihr Herz, allerdings nicht nur vor Angst. Diese Kreatur der Nacht war mit Abstand der attraktivste Mann, der ihr begegnet war. Nur leider war er kein Mann und würde sie töten ...

Fasziniert verfolgte Lucien jede Regung, die sich in ihrem hübschen Gesicht zeigte. Es war interessant, ihre Überraschung zu beobachten, während er ihr immer näher kam. Einen Schritt von ihr entfernt blieb er stehen und ließ seinen Blick genüsslich über ihren Körper schweifen. Unter dem Saum ihres Kleides schauten zierliche Füße in einfachen Schuhen hervor. Ihre schlanken Beine zeichneten sich unter dem dunkeln Stoff ebenso deutlich ab wie ihre leicht gerundete Hüfte. Seine Aufmerksamkeit verweilte einen Moment auf ihren Brüsten, die sich mit jedem Atemzug hoben und senkten. Der Ausschnitt ihres Gewandes zeigte ein verführerisches Dekolleté und ließ einen Teil der Schultern sowie ihren zarten Hals frei. Ihr feuerrotes Haar ringelte sich in seidigen Locken und fiel bis zur Mitte ihres Rückens. Luciens Finger wollten sich in ihre Mähne wühlen und über ihren zarten Hals streichen. Sein Blick wanderte zu ihren Augen und endlich konnte er deren Farbe bestimmen. Sie waren von einem faszinierenden Grün und wurden von dichten, schwarzen Wimpern umrahmt. Die rötlichen Augen-brauen darüber waren zart geschwungen und auf ihrer kleinen Nase saßen ein paar Sommersprossen. Lecker.

Er überbrückte den Abstand zwischen ihnen und drängte sie leicht mit seinem Körper gegen den Baum. Er platzierte beide Hände neben ihrem Kopf auf der Rinde und beugte sich zu ihr herunter. Ihre Haut verströmte einen angenehmen, blumigen Duft, wie Rosen. Lucien schnüffelte an ihr. Neben ihrer Furcht konnte er noch etwas anderes wahrnehmen: einen Hauch von Erregung. Das ist interessant ... Lucien war in der Lage, Menschen in seinen Bann zu ziehen, bisher hatte er bei ihr von dieser Fähigkeit keinen Gebrauch gemacht.

Abbie erstarrte, als sein Körper den ihren berührte. Es war nicht das erste Mal, dass ein Mann versuchte, sich ihr aufzudrängen und doch fühlte es sich anders an. Zwar bedrängte er sie, presste sie jedoch nicht gewaltsam gegen den Baum. Ihr Herz schlug schneller und ihr Körper prickelte an Stellen, die sie bisher immer ignoriert hatte. Trotz ihrer Angst und der Gefahr fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Im Geiste nannte sie sich einen Dummkopf und verfluchte ihr Schicksal. Bin ich einer Vergewaltigung entkommen, um der nächsten zum Opfer zu fallen? Nur, dass es sich diesmal um einen Vampir handelt und ich ihn trotz allem anziehend finde?

Im Schatten der Nacht - LeseprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt