Fireworks

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Na gut - Katsuki hatte sich bereiterklärt, bei der kleinen Feier am White Day mitzuhelfen, bei dem sich die Jungs seiner Klasse bei den Mädchen bedanken wollten, die am Valentinstag gemeinsam für sie alle selbstgemachte Pralinen hergestellt hatten. Es hatte ihm sogar Freude bereitet, all das Obst zu schneiden und auf kleine Spieße zu stecken und den vierstöckigen Schokoladenbrunnen vorzubereiten, in dem sich immer noch die flüssige, weiße, nach Vanille duftende Schokolade in Kaskaden in eine Schüssel ergoss. Doch ganz sicher würde er nicht bei diesem bescheuerten König-oder-Diener-Würfelspiel mitmachen. Als würde er sich von irgendeinem dieser Vollpfosten einen Befehl erteilen lassen. Und überhaupt, waren sie im scheiß Kindergarten oder was?

Wutschnaubend stand er auf und setzte sich demonstrativ mit einer Zeitschrift bewaffnet abseits der Statisten in einen Ohrensessel. Er warf einen kurzen, wütenden Blick zurück. Dem äußeren Anschein nach zu urteilen hatten sie eh nicht erwartet, dass er bei so einem Mist mitmachen würde, denn niemand hatte versucht, ihn aufzuhalten. Besser so. Offensichtlich hatten sie dazugelernt. Selbst Deku hatte seine scheiß Klappe gehalten. Nur Todoroki sah zu ihm rüber, aber wie meistens, konnte er seine Mimik nicht deuten. Mann, wie ihm das Gestarre auf den Sack ging, doch dann wandte der Halb-Halb-Bastard sich endlich dem Spiel zu und er sich selbst seiner Superhelden-Zeitschrift. Er versuchte, das dämliche Gelächter und dumme Gequatsche auszublenden. Nur ab und zu drangen ein paar Wortfetzen zu ihm durch. Wie lange sollte das hier eigentlich noch gehen? Schließlich war morgen Schule und sie mussten noch aufräumen.

„Das traust du dich sowieso nicht", hörte er plötzlich Kackfrisur lachend sagen.

„Tu das nicht! Das wirst du nicht überleben!" Lag da ernsthaft Besorgnis in der Stimme des Scheiß-Nerds?

Neugierig hob er den Kopf und sah direkt in die faszinierenden heterogenen Augen von Shoto Todoroki, der sich jetzt rechts und links am Sessel abstützte und ohne jegliches Zögern sich langsam nach vorne beugte. Viel zu nah. Funken schienen zu knistern. Er war sich nicht sicher, ob das seinem Quirk geschuldet war, oder doch etwas anderem. Unwillkürlich wich Katsuki so weit er konnte zurück, doch Icyhot setzte ihm nach und dann küsste er ihn einfach so auf den Mund. Vor versammelter Klasse. Katsuki riss geschockt die Augen auf, unfähig sich zu bewegen. Der erste Gedanke, der ihm durch den Kopf schoss, war, Erdbeere und Schokolade.

Shoto schmeckte nach Erdbeere und weißer Schokolade. Er sah wie der Bastard die Augen schloss und spürte, wie sich die weichen, fremden Lippen ganz sanft auf den seinen bewegten. Eine Sekunde, zwei Sekunden, drei, vier, fünf, dann löste er sich von ihm und ging unter Jubel und Beifall zu den andern zurück. Fassungslos starrte er ihm wie versteinert nach. Sein Herz, das gefühlt vergessen hatte, wie man schlug, raste mehr als doppelt so schnell weiter. Unbewusst leckte er sich über die Lippen, als wollte er die Süße des Kusses noch einmal schmecken. Erdbeere und Schokolade. Dann setzte sein Gehirn wieder ein. Was zur blutigen Hölle ...?

„Verdammter Drecks-Bastard! Hast du einen scheiß Todeswunsch?"

Schnaubend wie eine Dampflok stand er auf und marschierte mit großen Schritten aus dem Gemeinschaftsraum, gerade so schnell, dass es nicht wie eine Flucht aussah. Er nahm zwei Stufen auf einmal und rannte fast den Flur entlang zu seinem Zimmer. Das übermächtige Ziehen in seiner Brust sorgte dafür, dass sein Kopf erneut wie leergefegt war und jeder klare Gedanke unmöglich schien.

„Verdammter Bastard ..." Er lehnte die Stirn gegen seine Zimmertür im Versuch, seine wirren Empfindungen auf die Kette zu bekommen. Aber er hatte gerade das Gefühl in einer Achterbahn zu sitzen. Für eine Sekunde schien er zu schweben und in der nächsten wurde er mit der Kraft eines Dampfhammers niedergepresst.

Verdammte Axt! Er würde ihn töten. Er würde sie alle töten. Niemand verarschte einen Katsuki Bakugo. Warum raste sein Herz immer noch und wieso machte ihn das so durcheinander? Er brauchte dringend frische Luft. Er drehte auf dem Absatz um und rannte zurück zum Treppenhaus.

Die Tür, die auf das Dach des UA-Wohnheims führte, flog mit einem Knall auf. Bebend holte er ein paarmal tief Luft. Mit geballten Händen in den Hosentaschen stampfte er über das Dach. Mit voller Wucht trat er an einen der Gartenstühle, die hier oben standen, so dass dieser quietschend über den Boden schlitterte. Dann ein zweites und ein drittes Mal. Er hörte erst auf, als der Stuhl in Einzelteilen vor ihm lag.

Hörbar atmete er aus und lief zur Brüstung, lehnte sich dagegen und ließ die Arme über die Balustrade hängen. Jetzt ging es ihm schon gleich viel besser. Von hier oben hatte man einen sensationellen Blick über die nächtliche Stadt, weshalb er nicht das erste Mal an diesem Geländer stand. Aber es war ganz und gar nicht so, dass er diesen Platz liebte und immer herkam, wenn sein Kopf mal wieder viel zu voll war, sodass er glaubte, er müsste zerbersten.

Bum. Babum. Bum.

Am Nachthimmel explodierten immer wieder Feuerwerksraketen. Es musste weit weg sein, denn der Schall kam mit einer Verzögerung von etwa drei Sekunden hier an. Gerade war so etwas wie ein großes rotes Herz zu sehen. Bestimmt fackelte jemand das Feuerwerk heute am White Day für seine Liebste ab. Unwillkürlich lächelte er ein klein wenig wehmütig.

Vor seinem Mund bildeten sich kleine Wölkchen in der mondbeschienenen Nacht und er schob die Hände wieder in die Hosentaschen. Für Mitte März war es ganz schön frisch. Gerade eben war er doch noch auf dem bequemen Sessel im mollig warmen Gemeinschaftsraum gesessen und jetzt stand er hier in der Kälte mit pochendem Herzen, das ihm viel zu heftig gegen die Rippen trommelte. Er hasste Kälte und er hasste Todoroki, oder? Seine Lippen prickelten, als wollten sie sich an diesen Kuss erinnern. In Gedanken legte er seine Finger an den Mund. Erdbeere und Schokolade. Oh Götter, was machte er hier eigentlich? Schnell wischte er sich grob mit dem Handrücken darüber, als könnte er ihn ausradieren. Könnte es ungeschehen machen. Doch dafür war es zu spät.

Verdammt, das war sein erster Kuss gewesen. Fucking-Eisprinz-Todoroki hatte ihn allen Ernstes geküsst. Wieso? Wegen eines drecks Spiels, einer scheiß Mutprobe, beantwortete er sich seine Frage selbst. Was zog hier eigentlich so in seiner Brust? Er fuhr sich durch sein struppiges blondes Haar. So hatte er sich das nicht vorgestellt.

Aber was hatte er sich eigentlich vorgestellt? Das er irgendwann ein hübsches Mädchen küssen würde? Nein, nicht wirklich. Eigentlich hatte er sich nie ausgemalt, ein Mädchen zu küssen. Nicht mit allem Ernst. Er schüttelte den Kopf, als wollte er den Gedanken wieder loswerden. Eigentlich hatte er von nichts der Gleichen fantasiert. Er hatte noch nicht ein einziges Mal darüber nachgedacht. Aber warum eigentlich? Vielleicht, weil wenn er es getan hätte, er sich eingestehen hätte müssen, dass er nicht an Mädchen interessiert war? War er denn an Jungs interessiert? Mmh – eigentlich nicht. Was auch immer das über ihn aussagte. Aber wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war und auf sein viel zu schnell schlagendes Herz hörte, dann war da etwas, dass ihm sagte, dass er aus irgendeinem Grund irgendwie auf Icyhot stand. Ein Gedanke, der ihn selbst überraschte.

Wie war das geschehen? Und vor allem wann? Wann hatte sein Herz das erste Mal den Takt verloren, wenn er an ihn gedacht hatte? Er wusste es nicht. Aber an was er sich noch sehr gut erinnerte, war der Anflug von schierer Eifersucht, als der Mistkerl am Sportfest sich Deku zu seinem Rivalen auserkoren hatte. - So lange also schon? Eine Erkenntnis, die ihn etwas verstörte.

Er hörte, wie die Tür in seinem Rücken aufging und ohne sich umzudrehen, ahnte er, dass es der Halb-Halb-Bastard war. Ohne etwas zu sagen, trat er neben Katsuki. Mit beiden Händen hielt er sich am Geländer fest und richtete seinen Blick auf das Feuerwerk, das jetzt mit drei, vier größeren Explosionen und einem silbernen Sternenregen letztlich erstarb.

„Wie hast du mich gefunden?", fragte Katsuki, als sich die Stille unangenehm zwischen ihnen ausbreitete.

„Du bist öfter hier oben." Es war keine Frage.

„Ach ja? Und wie kommst du drauf?"

„Du schläfst schlecht."

„Hä?"

„Dein Zimmer liegt über meinem. Und seit dich die Schurkenliga entführt hatte, höre ich dich fast jede zweite Nacht wie du in deinem Zimmer auf und ab tigerst. Außerdem habe ich dich schon gesehen, wie du hier herauf gegangen bist."

„Und was willst du hier?"

„Mich entschuldigen. Es tut ..."

„Dich entschuldigen?", unterbrach er ihn. „Echt jetzt? Das war mein scheiß erster Kuss, du Arsch."

Scheiße. Wieso hatte er ihm das gerade gesagt?

„Oh, tut mir leid." Er legte seine Stirn so auf seine Hände, dass er den Boden anstarrte, was ihn irgendwie verletzlich wirken ließ und im krassen Gegensatz zu seiner durchtrainierten Statur stand. „Aber wenn es dich etwas versöhnlich stimmt. Es war auch mein erster Kuss."

„Was? Du verfluchter Mistkerl! Wieso hast du es dann gemacht? Jedes verdammte Mädchen an dieser Schule will deine Freundin sein", keifte er, obwohl ihn, warum auch immer, das tatsächlich irgendwie versöhnlich stimmte. War es die Tatsache, dass sie ihren ersten Kuss geteilt hatten?

Shoto hob den Kopf und sah ihn mit gerunzelter Stirn an. „Ich hab keine Ahnung, aber ich würde es wieder machen. Es hat sich gut angefühlt. Irgendwie richtig. Aber ganz bestimmt nicht mehr, ohne dich vorher zu fragen."

Moment mal? Was hatte das zu bedeuten? Doch nicht etwa ...

Katsuki grinste schräg und wandte sich diesem viel zu gut aussehenden Trottel zu. „Na gut, Icyhot. Dann frag mich!"

„Was?" Shoto klappte der Mund auf und er sah ihn mit großen Augen an. Für einen Wimpernschlag verfingen sich ihre Blicke.

„Du sollst mich fragen, ob du mich küssen darfst!"

„Bist du dir sicher?"

Lag da ein Hauch rosa auf Todorokis Wangen? Das war ja etwas ganz Neues.

„Frag!"

„D... Darf ich ..." Sein Blick wanderte zu seinen Lippen.

Reflexartig griff Katsuki nach seinem Shirt und zog ihn zu sich. „Jetzt küss mich schon, du Idiot!"

Er schmeckte nach weißer Schokolade und Erdbeeren, doch diesmal waren da keine Funken, es war ein beschissenes Feuerwerk.

Ende


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