Eins

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Zeit. Es ist doch erstaunlich wie unterschiedlich schnell sie vergehen kann. Es gibt Jahre die vergehen in einem stetem Lauf. Du lebst sie aus in einer sanften Fahrt die nur wenige Höhenunterschiede enthält und dir weder etwas Weltbewegendes gibt, noch dir etwas Weltbewegendes nimmt.

Dann gibt es Zeiten, da ist es als würdest du in einer Achterbahn hinuntergerissen in ein Abenteuer, das sich verselbstständigt hat. Angst und Endorphine bangen um die Oberhand in deinem Körper. Es ist eine raue Zeit in der es keine Zeit zum Durchatmen gibt und das Leben so viele Höhen und Tiefen für dich bereithält, das du gar nicht mehr weißt, wo oben und wo unten ist.

Doch wenn diese Zeiten vorbei sind folgt ein Schwebezustand, der dich von der Welt abschottet. Deine Sinne sind betäubt und du nimmst nicht mehr richtig am Leben teil. Du hast vergessen, wie es auf dem Boden ist und für einen kurzen Moment haben deine Beine vergessen wie es ist zu stehen. Du lebst ohne zu leben. Einige schütteln diesen Zustand schnell ab oder verfallen wieder in den steten Lauf. Nicht so Meghan. Für sie hat die Achterbahn nie aufgehört.


Nennt mich Puck. Ich habe sehr viele Namen, so viele, dass ich sie selbst nicht alle kenne, aber den wichtigsten, den werde ich nie vergessen. Puck ist einer der Namen, den fast alle benutzen. Meine Freunde, von denen ich wohlgemerkt nicht viele hab, und das obwohl ich doch so ein umgängliches Wesen habe, nennen mich so. Den meisten genügt ein missbilligendes, empörtes, abfälliges, tadelndes, erstauntes, bewunderndes oder einfach nur resigniertes ,,Goodfellow''.

Während Meghan sich mit ihrem Eisprinzchen, der ja mittlerweile zum irgendwie-menschlichem-aber-trotzdem-genau-so-Nerv-tötend-wie-vorher Liebhaber mutiert ist, was er ohne mich nie geschafft hätte, was ja mal wieder unerwähnt bleibt, amüsiert, befinde ich mich am Sommerhof in einem geistigem Delirium. Nach außen hin wirke ich zwar normal, doch in Wahrheit bekomme ich im Moment nicht allzu viel von der Welt mit. Ein Teil von mir, der Teil, der sich nach einem neuen Abenteuer sehnt, versucht immer wieder mich wachzurütteln, doch es gibt wenig, was meinen Geist im Moment klärt. Zu diesen wenigen Dingen gehört, Titania auf die Palme zu bringen. Ich  weiß nicht, warum es ausgerechnet ihre Nähe ist, die mich zurzeit glücklich macht, aber es ist immerhin eine Beschäftigung die auch vorher schon natürlich für mich gewesen ist.

Als sie gestern Abend von einem ihrer Diener ihre Violine überreicht bekommen hatte, hatte sie nicht ahnen können, dass ich vielleicht etwas daran rumgepfuscht hatte. Wie beispielsweise Käfer in den Hohlraum zu füllen. Es war ein beeindruckendes Spektakel gewesen und die pikanten Einzelheiten möchte ich an dieser Stelle besser aussparen, doch selbstverständlich habe ich mich rechtzeitig aus dem Staub gemacht, das bedeutet aber auch, dass ich die Folgen noch zu tragen habe.



Obwohl ihre Züge fast unbewegt waren, tobte in ihren Augen ein Sturm. Ein Sturm, der sich genau auf mich konzentrierte. Abgesehen von uns beiden, befand sich keiner in der Nähe, schließlich wollte niemand versehentlich getroffen werden.

Scheiße.

,,Goodfellow!''

Aha! Da wären wir also wieder bei dem abfälligen ,,Goodfellow''. Auch wenn die Sommerkönigin mich weiterhin nur stumm aus ihren blauen Augen anstarrte, so wusste ich dennoch, dass sie gerade angestrengt überlegte, ob sie mich lieber in eine chinesische Nacktschnecke oder eine Mango-Raupe verwandeln sollte. Ich beschloss ihr die Entscheidung abzunehmen.


,,Nein danke, ich passe.''


Es schien als sei ihre Wut nun übermächtig. Ihre Augen entflammten, und als ich schon glaubte sie könnte sich nicht mehr zurückhalten, passierte etwas.

Etwas Unpraktisches.

Zwischen ihren Haaren kam ein Käfer hervor. Ein Maikäfer. Während die ohnehin schon geringe Lautstärke des Raumes sich in eine schneidende Stille verwandelte, nahm sich der Käfer die Zeit einmal quer über Titanias Gesicht zu wandern.


Das Geschrei danach erspar ich euch. Ihr könnt euch die Schimpftirade der Lichten Fee sowieso denken.


Die Macht der Herrscherin schwoll an und die Luft peitschte in einen zornigen Wind um meine Ohren.

,,Wirklich sehr beeindruckend'', ich kicherte, ,,Aber auch ein bisschen gemein. Bei den Menschen würden wir so was als Mobbing am Arbeitsplatz bezeichnen.''

Und bevor ihre Blicke mich grillen konnten verschwand ich.

Das hatte ich schließlich im Laufe der Jahre perfektioniert.

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