Der schicksalhafte Waldspaziergang

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In der Nacht vor dem Vorfall ging ich wie immer im Wald spazieren. Der Mond schien -wie so oft- hell auf mich herab. Ich grübelte über meinen nächsten Schritt. Sollte ich sie fragen, oder nicht?
Mein innerer Dämon sagte mir, ich sollte es lassen,
aber mein Herz meinte ich sollte es endlich tun.
Ich kam an der Abzweigung vorbei, an der ich sonst immer rechts ging, weil links eine hohe Absperrung war. Aber heute entschied ich mich dafür, über die Absperrung zu gehen. Warum es verboten war, wusste ich nicht. Beim Rübersteigen spürte ich eine seltsame Aura. Auf einmal rutschte ich ab und fiel mit den Knien vorraus auf den Boden. Aua! Ich stand auf und klopfte den Dreck ab. Das war seltsam, ich war ein guter Kletterer, aber egal! Also ging ich weiter.
Mein Dämon meinte, es würde enden wie immer und ich sollte es mir ersparen, da es klar war wie es enden würde.
Plötzlich hörte ich ein ungewöhnlich lautes Knacken. Ich guckte mich um; Nichts.
Mein Herz war der Ansicht, es würde anders werden als sonst; Ich sollte es wagen.
Ich war mir absolut unsicher. Da hörte ich ein erneutes Knacken, es war näher als das Erste. Ich sah in die Richtung, dabei merkte ich, dass es dunkler geworden war. Merkwürdig, eben schien doch noch der Mond. Als ich weiter gehen wollte, spürte ich wieder eine seltsame Aura und stolperte über einen Stein. Ohne es verhindern zu können, fiel ich mit dem Gesicht auf den harten Boden. Au! Ich rappelte mich auf. Das war wieder merkwürdig, sowas war mir so auch noch noch nie passiert. Ich fühlte mich das erste Mal unwohl im Wald, doch eigentlich ist der Wald ein Teil von mir. Jetzt war ich schon zweimal gestolpert und verstand nicht warum. Doch meine Gedanken wanderten schon wieder zu dem einem Problem.
Mein Dämon war der Ansicht, ich sollte den morgigen Tag wie jeden anderen Tag vorüber ziehen lassen.
Mein Herz aber meinte, morgen sei die letzte Chance und ich würde es bereuen es nicht zu tun.
Und es hatte recht, doch es war so schwierig zu entscheiden. Eigentlich wollte ich es tun, aber mein Dämon sagte mir, ich sollte mir nicht wieder dasselbe antun wie schon so oft.
Da hatte er recht. Ich war es leid, immer das Selbe ertragen zu müssen. Ich hörte wieder ein Geräusch. Dieses Mal war es gefühlt neben mir und ich spürte erneut eine seltsame Aura. Ich schaute mich erneut um; Nichts. Es wurde nebelig und ich beschloss zurückzugehen. Doch plötzlch fiel ein Ast vom Baum und landete direkt neben mir. Ich erschrack. Ein Meter weiter und er hätte mich getroffen. Er war groß genug, um mich unter ihm zu begraben.
In diesem Moment meinte mein Herz: "Siehst du! So schnell kann es vorbei sein, tu es einfach!"
Ich war mir trotzdem noch unsicher.
Ich ging den Weg zurück. Als ich dann wieder über die Absperrung kletterte, spürte ich ein weiteres Mal eine seltsame Aura und fiel erneut -jetzt aber mit den Händen vorraus- herunter. Da lag ich und fing auf einmal an zu lachen. Jetzt bin ich schon dreimal gestürzt und fast von einem Ast erschlagen worden! Das war einerseits wirklich seltsam, aber anderereits irgendwie auch zum Todlachen. Ist das Ironie des Schicksals? Ich rappelte mich auf und ging meinen gewohnten Weg weiter.
Ich hatte mich entschieden.
Als ich fort war, knackte es an der Absperrung.
Am nächsten Morgen ging ich wie immer zur Schule, nur mit dem Unterschied, dass heute der letzte Tag war. Denn heute war Abschluss; wir bekamen in der letzten Stunde unsere Zeugnisse und am Abend gab es dann den Abschlussball. Danach würden viele eine Ausbildung anfangen, manche sogar ein Studium. Meine Noten waren eigentlich gar nicht so schlecht. Die Lehrer meinten, sie würden gut genug werden, um mein geplantes Studium anzufangen, was ich mir so sehnlichst wünschte. Als ich an der Schule ankam, sah ich SIE schon mit ihren Freundinnen quatschen. Heute würde ich es tun! Ich atmete tief durch und ging auf sie zu. Wir waren nicht wirklich befreundet, aber wir haben uns trotzdem gut verstanden und ich habe mich in sie verliebt und wollte sie nach einem Date fragen. Doch sie war das beliebteste Mädchen an der Schule, weshalb ich mich bis jetzt nie getraut hatte. Doch mein Herz hatte recht, ich musste es endlich wagen, sonst wüsste ich nie was hätte sein können. Und mehr als Nein sagen konnte sie ja nicht. Als ich vor ihr stand, spürte ich mit einmal wieder diese seltsame Aura vom Vortag, aber so als käme sie aus weiter Ferne. Sie drehte sich zu mir um und sah mich fragend an. Ich nahm all meinen Mut zusammen und fragte sie, ob sie mit mir auf den Abschlussball gehen wollte. Sie und ihre Freundinnen starrten mich an.. und fingen plötzlich lauthals an zu lachen. Dann sagte sie lachend zu mir: "Mit einem Loser wie dir?" Wovon träumst du Nachts? Ne Alter, das kannst du vergessen!
Völlig aufgelöst starrte ich sie an und wurde rot im Gesicht. Ich senkte den Kopf, fing an zu weinen und ging beschämt weg. Hinter mir hörte ich sie immer noch lachen. Ich verstand die Welt nicht mehr, wie konnte sie nur so etwas sagen? So war sie doch gar nicht! Sie war immer so freundlich zu allen, deswegen war sie ja so beliebt! Sie war doch auch so nett zu mir, oder hatte sie nur so getan? Ich bin vielleicht nicht der Beliebteste, aber ein Loser war ich auch nicht! Ich habe ja Freunde, auch wenn sie mir nie besonders nahe standen.
Mein Herz sagte mir; ja es tut weh, aber du hattest den Mut zu fragen und du kannst stolz auf dich sein, dass du das geschafft hast. Ich dachte mir nur; wenn du wirklich mein Herz wärst, dann würdest du sowas nicht sagen können, denn mein Herz war gebrochen.
Diese und weitere Fragen schossen mir den ganzen Tag lang durch den Kopf. Mein einziger Hoffnungsschimmer an diesem schrecklichen Tag, war mein Zeugnis. Und das sollte ja gut sein!
Als mir unser Klassenlehrer mein Zeugnis überreichte, spürte ich schon wieder diese seltsame Aura aus der Ferne. Als er mir mein Zeugnis in die Hand drückte, schüttelte er den Kopf und sagte, es täte ihm leid. Ich war verwirrt. Was meinte er... ?! Oh Nein, sag nicht... Ich sah auf meine Noten und war wie erstarrt. Die ganze Stunde über konnte ich mich nicht rühren. Am Ende der Stunde zerknüllte ich mein Zeugnis und ging frustiert nach Hause. Ich konnte es nicht fassen! Mit so einem Zeugnis konnte ich mein Studium vergessen. Die Noten an sich waren nicht schlecht, aber nicht ausreichend für meinen Studiumwunsch. Aber wie konnte das sein? Die Lehrer hatten mir doch versichert, dass die Noten ausreichen würden!
Offenbar ja doch nicht, kommentierte mein innerer Dämon.
Als ich zu Hause ankam, wollte ich einfach nur alleine sein. Also ging ich in den Wald.
Als ich bei der Abzweigung war, bemerkte ich, dass diese offen war. Ich starrte die Öffnung an. Wie kann das sein? Seit ich denken kann, war die Absperrung geschlossen. Das war eigentlich nicht möglich! Ich war neugierig, aber auch nervös wegen der seltsamen Aura. Da umfing mich ein Gefühl der Leere, die ich in mir verspürte und alles andere wurde gleichgültig. Ich ging mit gesenktem Kopf durch die Öffnung und ließ meinen Sorgen freien Lauf. Jetzt habe ich wirklich alles verloren; meine berufliche Zukunft und mein Selbstvertrauen.
Mein innerer Dämon schimpfte mit mir; siehst du? Hättest du sie nicht gefragt, hättest du nur ein Problem!
Aber dann hättest du es bereut nie herausgefunden zu haben, ob es nicht doch geklappt hätte, erwiderte mein Herz.
Ich dachte du wärst gebrochen!, meinten mein Dämon und Ich gleichzeitig.
Narben verheilen, sagte es nur.
Aber die Schmerzen nicht, merkte mein Dämon an.
Auf einmal hörte ich dieses Knacken wieder, und zwar direkt hinter mir! Als ich mich umdrehen wollte, wurde mir schwarz vor Augen und ich stürzte.
Als ich zu Bewusstsein kam, stand ich in der Sporthalle, in der der Abschlussball stattfand. Da bemerkte ich, dass alle um mich herum tot, beziehungsweise nur noch Blutlachen waren. Erst jetzt realisierte ich, dass ich etwas in den Händen hielt. Ich schaute auf meine Hände und hielt IHREN Hals fest umklammert, doch ich konnte nicht loslassen! Sie schaute mich flehentlich an und ihre letzten Worte, die sie krächzend flüsterte, waren: Warum tust du das? Da erschlaffte ihr Körper und ich konnte sie endlich loslassen. Völlig geschockt und aufgelöst stand ich da und zitterte am ganzen Leib. Ich verstand die Welt nicht mehr, und spürte eine klebrige Flüssigkeit an meinen Händen. Dabei schaute ich an mir herunter und stellte fest, dass ich über und über mit Blut besudelt war! Ich konnte es nicht fassen, war ich das etwa? Wie komme ich hier her? Was ist passiert? Da erinnerte ich mich: Ich war im Wald gewesen und dann war da wieder diese seltsame Aura.. Warte! War sie das? Aber wie? Warum? Ich war mir unsicher was ich jetzt machen sollte. Da hörte ich aufgeregte Menschen, die sich schnellen Schrittes der Sporthalle näherten. Eins wusste ich mit Sicherheit: Erwischt werden wollte ich nicht, schließlich war ich gar nicht schuld! Na ja zumindest nicht bewusst.
Ich floh, und rannte nach Hause.. Nein! Da konnte ich mich nicht blicken lassen, merkte ich auf dem Weg dahin. Irgendetwas seltsames ging hier vor, und diese Aura, der verbotene Waldabschnitt, hatten etwas damit zu tun! Ich hatte Angst, doch ich wollte wissen, was vor sich geht!
Als ich an der Absperrung war, spürte ich bereits die Aura, die von dort aus ging.
Ich ging hindurch und rief 'Hallo?' in den Wald.
Minutenlang war es still, doch dann hörte ich wieder dieses Knacken. Aber dieses Mal kam es aus keiner bestimmten Richtung, sondern war allgegenwärtig. Ich fragte mich was mein innerer Dämon und mein Herz davon hielten. Ich horchen in mich hinein, doch das Einzige was ich wahrnahm war die seltsame Aura. Jetzt erst konnte ich das genaue Wesen dieser Aura feststellen; es war böse! Mir wurde kalt und ich wollte weg. Was dachte ich mir eigentlich? Wieso wollte ich in den Wald? Hier haben meine Probleme doch erst angefangen! Ja! Jetzt Begriff ich es! Diese seltsamen Vorkommnisse Gestern waren der bösen Aura geschuldet. Auch heute als ich SIE gefragt hatte und mein Zeugnis bekommen habe, hatte ich diese böse Aura gespürt. Sie war an allem Schuld! Wie weiß ich nicht, aber es war die einzige, wenn auch nicht verständliche, Erklärung für die schrecklichen Geschehnisse.
Bei dieser Erkenntnis rannte ich zur Absperrung. Doch soweit kam ich nicht, denn auf einmal wurde ich von einer unsichtbaren Macht hochgeschleudert und schwebte in der Luft. Wie zum? Erneut ertönte das allgegenwärtige Knacken und auch die böse Aura war um mich herum, ebenfalls allgegenwärtig. Ich spürte wie sie von mir Besitz ergriff, sich in meinem Körper ausbreitete. Und dann... Nichts! Es war seltsam; ich nahm nichts wahr und sah auch nichts; weder dunkel noch hell. Wo war ich? Was war.. lo(s).. ich? Dann plötzlich sah ich mich, also meinen schwebenden Körper. Hä? Wie war das möglich? Was passiert hier? Ich verst... Moment! Fliege ich, also meine Seele, gerade aus meinem Körper? Es war abstrus, aber das war das einzigst logische,... wenn Logik hier überhaupt noch einen Sinn hat.
Auf Einmal wurde ich in etwas eingesogen, was ich gar nicht wirklich sah, sondern eher wahrnahm. In eine Art Strudel... Ist das der Kreis des Lebens? So fühlt es sich zumindest an.

Nun wie auch immer; hier bin ich, gerade am sterben, um in den Kreislauf des Lebens einzutreten. Das wars also! Ein kurzes, klägliches Leben!

Und da bin ich auch schon weg! 

Der schicksalhafte WaldspaziergangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt