„Ich bin mir sicher, dass sie in diese Richtung gelaufen sind."
„Wie konnten sie so schnell verschwinden?" Die beiden Soldaten sahen sich panisch um, so als ob sie die Gefahr spüren konnten.
Neben Marian und Robin begann Will sich zu regen. Genau wie sie am Boden unter den Wurzeln der alten Eiche kauernd, glitten seine Finger seitlich ganz langsam an seinem Körper hinab. Bei jedem noch so kleinen Rascheln des trockenen Laubes, auf dem sie alle lagen, zuckte Marian innerlich zusammen. Ihr Blick sprang panisch zwischen den Soldaten, Will und Robin hin und her. Das durfte nicht ihr Ernst sein! Hatten sie denn eben in dem Kampf nicht gemerkt, dass sie nicht die geringste Chance gegen die Männer hatten? Die Klinge seines kleinen Messerchens würde schwerlich durch das Kettenhemd kommen.
In diesem Moment griff sie nach Robins Oberarm, welcher sich vorsichtig zu ihr umwandte. Stumm bewegte Marian die Lippen und ihr Blick deutete auf Will. In dessen Händen blitzte eines seiner langen Messer und er begann, sich vorsichtig nach vorn zu robben. Marians Blut wich aus ihren Zügen und ihre Haut wurde aschfahl. Ihre Miene wurde ein Ausdruck blanker Panik und sie schüttelte erneut mit angsterfülltem Nachdruck den Kopf.
'Das darfst du nicht zulassen!', flehte sie stumm, bemerkte aber, wie Robins Augen statt auf Will auf ihre Finger an seinem Arm geheftet waren. Sein Blick glitt langsam nach oben und das verschmitzte Lächeln, welches er dann auflegte, hätte selbst Nonnen zum Erröten bringen können. Hitze stieg ihr in die Wangen und kribbelte bis in ihre Fingerspitzen. Marian war sich unsicher, ob es Zorn oder Scham war. Dachte er etwa, sie hätte solche Angst, dass sie sich furchtsam an ihn klammerte? Sofort ließ sie Robins Arm wieder los und verkniff sich ein Zischen. Verdammt, sie wollte nicht schäkern - sie wollte...!
'Wenn du willst, dass etwas anständig erledigt wird, dann tu es selbst!', donnerte ihre Stimme in ihrem Innern und Marian drehte entschlossen den Kopf. Sie würden alle sterben, wenn dieser idiotische Wilddieb versuchte, die Wachen anzugreifen. Sie musste etwas unternehmen! Und zwar sofort!
Also schossen ihre Arme nach vorn und ihre Finger griffen fest nach Wills Stiefeln. Marian machte keine halben Sachen. Sie versuchte sich so schwer zu machen wie, es ihr möglich war und Ihre Finger drückten so fest zu, dass das brüchige Leder von Wills Stiefeln Risse bekam. Sofort fuhr der Blick des Mannes zu ihr herum und mit einer Hand schlug er wedelnd nach ihren Händen.
Nun jedoch schien auch Robin zu begreifen. Er reckte sich, griff nach Wills Gürtel und zerrte ihn ebenfalls wieder zurück unter den Baum. Unter ihm scharrten Erde und das Laub raschelte leise.
„Hast du das gehört?"
Alle erstarrten. Wills Augen weiteten sich, als er langsam den Kopf drehte. Würden sie ihn sehen?
Keiner der Diebe unter den Wurzeln wagte es, sich zu rühren. Jeder Muskel war angespannt. Robins Finger umfassten den Griff seines Schwertes. Er spürte das Leder der Wicklung und das kalte Metall, welches förmlich danach rief, ein Leben zu beenden. Diesen Gesang, wenn man es schwang, hatte Robin in der Wüste selbst in seinen Träumen gehört. Jedes Schwert klang anders, es besaß einen eigenen Klang, wenn es durch die Luft glitt, geschwungen wurde und erst verstummte, wenn es Blut und Fleisch gekostet hatte. Robins Kehle wurden enger, als finstere Erinnerungen in ihm aufstiegen. Erinnerungen an Momente, in denen es hieß: Der Feind oder ich. Doch am Ende hatte es sich selten wie ein Sieg angefühlt, der Überlebende zu sein.
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Die Königin von Pfeil & Bogen
Historical Fiction[WATTYS 2023-WINNER/Fesselndste Welt] ** Marian, stehlende Adelstochter mit großem Herzen trifft auf Robin Hood, verwegener Dieb mit gewaltigem Ego. Werden sie alten Schmerz, Vorurteile und schließlich den grausamen Sheriff von Nottingham überwinden...