Das wahre Monster

6 1 0
                                    

Laute Warnrufe drangen aus den zahlreichen Lautsprechern. Schrilles Gebrüll ertönte. Es erklang aus der Ferne, dennoch drehte ich den Kopf, um mich zu versichern, dass ich allein war und es mich nicht verfolgte. Mein Atem ging schnell, mein Herzschlag ebenfalls. Ich konnte ihn spüren, beinahe hören. Das unaufhörliche Pochen, das einzige, was mich daran erinnerte, dass ich noch lebte, aber auch das, was mir klar machte, dass es jeden Moment einfach aufhören und ich sterben könnte.

Ich sprintete durch den Gang, versuchte nicht auf die Leichen und die einzelnen Körperteile zu achten, auf das Blut, auf die Hirnmasse oder was auch immer das Zeug war, was noch an den Wänden klebte. Es war zu grauenvoll. Sie alle tot. Meine ganze Crew. Denn wie es jetzt aussah, war ich die einzige Überlebende. Ja, ich war am Leben. Noch zumindest. Das Ding, was sie ermordet und zerfleischt hatte, würde nun auch mich jagen und umbringen. Ich war nicht blöd. Ich wusste, dass ich keine Chance hatte. Dennoch musste ich irgendwie ein Signal zur Erde senden, um sie zu warnen. Irgendwie musste ich ihnen mitteilen, dass sie unter keinen Umständen herkommen durften, dass das, was sie hier erwartete viel zu bösartig und mächtig war, um es zu besiegen.

Vor einer geschlossenen Tür hielt ich inne. Meine Hand zitterte, als ich sie hob um den Code in den automatischen Türöffner einzugeben. Wie war er noch gleich? Verdammt, ich hatte die Zahlenkombination vergessen. Nein, das durfte nicht sein. Ich hatte sie unzählige Male verwendet. Ich kannte alle Kombinationen hier. Oder besser: kannte sie. War es der Stress? Die Angst? Warum konnte ich mich nicht erinnern? Verzweifelt versuchte ich es, bedeckte meine Ohren mit den Händen, versuchte den Lärm um mich herum auszublenden und mich zu konzentrieren.

Tränen liefen mir über die Wangen. Es war, als würde mich etwas blockieren, eine undurchdringbare Barrikade, die verhinderte, dass ich an die Information gelangte, die ich so dringend benötigte. ,,Komm schon, komm schon", flehte ich und schlug immer wieder gegen die Seiten meines Schädels, als würde dies etwas nützen. Erneutes Gebrüll. Es kam näher. Ich zitterte. Ich wusste nicht wie dieses Wesen auf das Schiff gelangt war. Ich hatte keine Ahnung was es hier wollte. War es etwa sein einziges Ziel zu töten? Immerhin fraß es seine Opfer nicht. Im Gegenteil. Es folterte sie, ließ sie vor Qualen schreien, nur um sie umzubringen und letztendlich einfach liegen zu lassen. Warum tat es das? Könnte es tatsächlich derart grausam sein?

3462. Diese Zahlenkombination kam mir einfach so in den Sinn, bahnte sich einen Weg durch das Chaos, was gerade in meinem Kopf herrschte. Doch was bedeutete sie? 3462. 3462! Das war der Code! Schnell gab ich ihn ein und die Tür öffnete sich. Ich eilte hindurch und blickte mich hektisch um. Ich versuchte über den Funk Kontakt zur Zentrale herzustellen, welche sich auf der Erde befand, doch anstelle einer Stimme oder mich durchzustellen ertönte nur ein Rauschen.

,,Nein, nein, bitte nicht…", schluchzte ich, drückte alle möglichen Knöpfe, überprüfte die Kabel, doch ich konnte den Fehler nicht feststellen. Ich hörte das Biest erneut Brüllen, das ganze Schiff schien einen Moment zu wackeln und ich musste mich an der Tischkante festkrallen, um nicht zu Boden zu fallen. Auf einmal begann das Licht zu flackern. Dann wurde es dunkel und still. Die Sirene verstummte, das Monster schwieg. Ich hielt die Luft an. Ein Stromausfall. Ein kompletter Stromausfall. Ich würde ersticken, wenn die Sauerstoffzufuhr sich nicht wieder einschaltete. Vorrausgesetzt die Kreatur würde mich nicht vorher bereits zerfleischen. Im dunkeln. Unbemerkt und…

Nach einem kurzen Moment, der sich wie eine Ewigkeit anfühlte, erhellte rotes Licht erneut den Raum. Die Notreserven. Ein Glück. Schnell stürzte ich zum Computer, versuchte ihn einzuschalten, testete alle Geräte doch es nützte nichts. Die Bildschirme blieben schwarz. Die Verbindung zur Erde blieb tot. Genauso tot, wie ich es schon bald sein würde. Ich ließ die Schultern hängen und all meine Hoffnung verschwand. Jegliche Kraft verließ meinen Körper, meine Beine gaben nach und ich brach am Boden zusammen. Mit gesenkten Kopf saß ich da, das Gesicht in den Händen vergraben, weinend. Ich fühlte mich einfach nur elendig. Mein Haar war strähnig und fettig, ich fühlte mich verschwitzt und einfach nur dreckig. Ich konnte nicht glauben, dass es so enden würde. Dass ich nie wieder meine Freunde auf der Erde wiedersehen würde und die hier oben alle nicht mehr am Leben waren. Ich hätte dieser blöden Exkursion nie zustimmen sollen. Ich hätte mich nie bereit erklären sollen zu versuchen einen neuen Lebensraum für die Menschen zu finden, da sie ihren mittlerweile beinahe völlig zerstört hatten. Ein Schluchzen entfuhr meiner Kehle.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 24, 2023 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Das wahre MonsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt