ich wollte nach nimmerland

700€ kaltmiete

mama, papa, ich weiß, dass ihr nie verstehen werdet, warum ich so schnell wie möglich aus diesem beschissenem ort wegziehen möchte, aus diesem hässlichen haus. ihr seid nie in eine großstadt gezogen, hattet nie verlangen nach freiheit in der anonymität von 1,8 millionen einwohnern. aber ich bin das gegenteil, ich bin kein verdammter landmensch. wir wohnen im nirgendwo, mit weiten wiesen und feldern und sonst nichts, doch ich fühle mich kein bisschen frei. dieser ort engt mich ein, ihr engt mich mit euren vorstellungen ein.

ich möchte mir um 3:00 morgens einen mate vom kiosk um die ecke kaufen können, anstatt eine halbe stunde zum nächsten supermarkt zu fahren. ich möchte unter straßenlaternen küssen, wen auch immer ich mag, ohne zum dorfgeschwätz zu werden. ich möchte cafés für dates, museen, straßenbahnen. zwischen asphalt und beton eingeengt fühl ich mich frei und lebendig.

nein, ich bin nicht damit okay, wenn der bus nur jede sunde fährt, wenn ich jeden morgen an der bank vom ersten kuss vorbeifahren muss und dass es keine minijobs gibt. ich möchte keine ehemaligen klassenkameraden bei rewe an der kasse treffen.

ich wünsche mir eine wohnung mit vielen pflanzen, orientalischen tellern und ganz viel lebendigkeit. ich möchte liebe und verständnis in meinen eigenen vier wänden. keine kommentare über mich, wieviel ich esse oder was ich nicht esse. ich wünsche mir einen kühlschrank ohne salami und eiern.

meine wohnung wäre nie penibel sauber, mit kissen auf dem boden und staub im bücherregal, aber sie wäre mit ganz viel gelächter und musik gefüllt. in der küche tanzen, auf dem balkon rauchen, spaghetti zum frühstück. ich möchte bierkisten in den fünften stock schleppen und eine tür mit guckloch besitzen. meine nachbarn kennen höchstens meinen nachnamen und gegenüber ist ein türkischer supermarkt.

ihr werdet das nie verstehen, mama, papa, das ist okay. auch wenn ich mir das und 700 euro auf dem konto wünschen würde.