Kapitel 3

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Kapitel 3.

Hätte mir heute Morgen jemand gesagt, dass ich mit einem arroganten Kerl in einer Feenschule sitzen würde, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Vielleicht war ja jetzt ich die Verrückte.

Tatsache war aber, dass Riven ein besserer Gesprächspartner war als gedacht. Zwar erzählte er vieles, worüber ich die Augen verdrehte, aber es war angenehm. Er erzählte mir auch einiges über die Schule, wichtigere und (hauptsächlich) unwichtigere Dinge, wie das bei ihnen als Spezialisten ablief, besonders, was ich mir darunter vorstellen musste. Und im Laufe des Gesprächs... taute ich auch auf. Ich fing an, mehr zu reden, statt ihm nur zuzuhören und dumme Kommentare einzuwerfen. Scheinbar gefiel ihm das.



Umso länger wir redeten umso mehr hatte ich das Gefühl, dass mehr hinter der kalten Schale steckte. Auch ich musste gestehen, dass sich eine komische Wärme in mir breit machte, es verwirrte mich, doch auf der anderen Seite gefiel es mir. Da ich Riven aber kaum kannte und wir uns erst ca. einer Stunde kannten, würde ich jetzt nicht sehr viel hineininterpretieren.

Das wäre dumm.

Aber ich neigte auch zu dummen Entscheidungen.



Doch als es immer später wurde, überkam mich die Müdigkeit. Auch Riven schien das zu bemerken, ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Das ich in der letzten Stunde nur zu oft gesehen hatte, immer wieder zog sich dabei eine Gänsehaut über meinen Körper aber keine unangenehme, sondern weiterhin eine schöne, eine mit der man sehr gut leben konnte. Doch das machte mir Angst, weswegen ich versuchte, wenigstens in meinen Gedanken Abstand zu ihm zu nehmen.

„Du solltest dich vielleicht hinlegen, der erste Schultag ist immer stressig" raunte er, dabei strich er mir eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus meinem Zopf gelöst hatte und steckte sie mir hinters Ohr.

Schon wieder, und dieses Mal noch schlimmer. Eine Gänsehaut, aber anders als wenn er mich nur anlächelte. Doch ich ignorierte das Gefühl, da es mich fast komplett einnahm, und das durfte es nicht, und nickte leicht. „Das sollte ich wohl" hauchte ich, noch immer nicht ganz bei mir, lehnte mich ein Stück zurück, um mein schnell schlagendes Herz zu beruhigen.

„Gute Nacht" schmunzelte er und sah mich mit einem intensiven Blick an bevor er aufstand.

„Gute Nacht" schaffte ich es zu sagen, bevor mich meine Gefühle wieder übermannten.

„Wir sehen uns bestimmt wieder" sagte er noch bevor er sich umdrehte und mich einfach so sitzen ließ.

Ich blieb noch einen kurzen Moment sitzen und beruhigte meine Gefühle langsam wieder. Erst dann stand ich auf und ging endlich in die WG zurück, und als ich auf meinem Bett lag dauerte es auch nicht lange, da döste ich auch schon ein.



Ich wachte auf, als man mich an der Schulter rüttelte. Genervt schlug ich die Augen auf. Vor mir stand Aisha. „Kann ich helfen?" stellte ich meine Frage und setzte mich etwas auf.

„Hast du Bloom gesehen? Sie ist weg", fragte sie. „Nein, seit heute morgen nicht mehr" beantwortete ich ihre Frage. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich tatsächlich länger vor mich hingedöst hatte, als eigentlich gewollt. Aber dafür genoss ich die Ruhe einfach viel zu sehr.

Als Aisha ohne ein Wort wieder verschwand, stand auch ich auf und verließ das Zimmer.

Stella kam gerade aus ihrem Zimmer, wurde von Aisha anvisiert.

„Hast du Bloom gesehen?" fragte sie wieder.

„Schon länger nicht mehr" sagte die Blonde gedehnt.

Stellas Tonfall ließ mich aufhorchen, außerdem war mehr als deutlich wie beunruhigt Aisha war. Ich setzte meine Magie ein und sah Stella mit glühendem Blick an.

„Du siehst so ruhig aus, dabei platzt du vor Schuldgefühlen. Hast du uns vielleicht was zu sagen?" mischte auch ich mich jetzt ein.

„Du bist eine Mentalfee" stellte Aisha fest und fasste das Offensichtliche in Worte. Da sie noch nicht wusste welche Magie ich beherrschte war es für sie doch eine neue Information. Nur Terra wusste das ich eine Mentalfee war aber das Thema wurde nur kurz mal angesprochen.

„Hast du Zugang zu Erinnerungen oder Gedanken?" fragte mich plötzlich Terra, die hereinkam als hätte sie es gespürt das ich gerade an sie gedacht habe.

Doch plötzlich, einfach so blitzten Erinnerungen auf, die ich verdrängt hatte. Die jetzt ganz fehl am Platz waren.

„Nicht jetzt, Terra" zischte ich, wollte wirklich nicht über meine Magie reden. „Aber deine Magie ist total faszinierend. Mentalfeen können später sogar Telekinese, wenn sie genug gelernt haben" machte sie weiter, ohne zu bemerken, dass ich das Thema fallen lassen wollte.

„Das kann sein, aber ich möchte im Augenblick nicht darüber reden, Terra, bitte!" versuchte ich es deutlich zu machen.

„Ist alles in Ordnung?" fragte Musa und ihr Blick wanderte von einem Mädchen zum nächsten, auch sie war gerade in den Raum gekommen.

„Nicht wirklich. Ich suche Bloom und aus irgendeinem Grund hat Stella ein schlechtes Gewissen."

Stella seufzte genervt „Euer Theater könnt ihr euch für den Schauspielkurs aufheben."

Sie wollte dem Thema eindeutig aus dem Weg gehen, doch das würden wir nicht zu lassen. Bloom war unsere Mitbewohnerin und Stella hatte irgendwas damit zu tun, dass wir alle sie heute nicht mehr gesehen hatten. Auf keinen Fall würde sie einfach so davonkommen.

Terra war die erste, die etwas sagte und auf Stella zuging. Sie bewegte sich wie eine Frau auf dem Kriegspfad. Das hätte ich ihr wirklich nicht zugetraut.

„Sie hat sich doch mit Sky unterhalten, oder?"

„Ja und?" gab Stella hochmütig zurück.

„Und ich weiß, was mit der letzten Person passiert ist, die sich mit Sky unterhalten hat" gab Terra zurück. „Ich war vergangenes Jahr schon hier, weißt du noch?"

Stellas Fassade schien einen Riss zu bekommen, denn sie wirkte plötzlich nervös, als sie zurückfauchte, zumindest sollte es wohl so klingen. Anscheinend begriff sie das sie verloren hatte. „Sie hatte Heimweh! Also war ich so nett und gab ihr meinen Ring, damit sie in die erste Welt zurückreisen konnte."

Bitte... was?

Plötzlich fiel mir wieder ein, dass sie bei unserer Ankunft hier davon erzählte hatte, doch da hätte ich nicht gedacht, dass sie ihren Ring tatsächlich weitergeben würde. Zumindest... nicht ohne Hintergedanken.

„Aber dein Ring funktioniert doch nur außerhalb der Barriere."

Und da war der Hintergedanke auch schon.

Außerhalb der schützenden Grenze, mitten im Wald, wo ein Mann ermordet worden war. Ich hatte den ganzen Tag versucht nicht den Gedanken zu lauschen, die darüber spekulierten, was dem armen Mann wohl alles angetan worden war. Doch jetzt hielt sich Bloom da draußen auf, meine Gedanken spielten verrückt.

Wir mussten was tun.

„Du hast sie allein da rausgehen lassen? Selbst ich weiß, dass da draußen anscheinend was lauert, also tu nicht so, als hättest du das nicht gewusst Stella! Wie egoistisch kann man den sein?" fauchte ich sie an.

Bloom war zwar jetzt keine Freundin von mir, noch nicht. Doch trotzdem sah ich nicht dabei zu, wie sie vielleicht in Gefahr geriet. Nur wegen Stella.

„Die Einzige, die helfen kann, ist Miss Dowling, wir müssen es ihr sagen." meldet sich auch Aisha wieder zu Wort.

Stella machte den Anschein es verneinen zu wollen, doch wir sahen sie mit einem bösen Blick an und drohten ihr fast, dass auch wir zur Direktorin gehen könnten, aber dann mit einer anderen Version. Eine, die sie nicht selbst verschönern könnte, um ihren Arsch zu retten.

Das schien sie zum Nachdenken zu bringen, also genau das, was wir wollten und schließlich knickte sie ein. Wir warteten ungeduldig, bis sie wiederkam, tigerten dabei durch den Raum, wechselten kaum ein Wort miteinander, bis Stella wieder herein kam.

Gespannt sahen wir sie an und warteten darauf, was sie zu sagen hatte.

„Und?"

„Sie weiß jetzt, dass Bloom weg ist, sie macht sich auf den Weg und wir sollen hier warten" erzählt sie schon fast gelangweilt, es machte tatsächlich den Anschein als wäre es ihr egal was mit ihr passiert. Vielleicht war es auch so.

Uns war es aber nicht egal.



Wir verließen das Schloss und folgten Terra durch den Wald, da sie die Einzige war, die sich auskannte. Ganz entgegen der Anweisung von Miss Dowling. Es war unheimlich, durch den dunkeln Wald zu laufen und noch schlimmer wurde das Gefühl, als wir durch die Barriere gingen. Man erkannte sie kaum, sie war wie ein blauer Schleier, der sich kurz löste, wenn man hindurch ging.

Jetzt waren wir ungeschützt. Die anderen konnten sich vielleicht mit ihren Kräften wehren, aber ich... ich hatte doch kaum eine Ahnung.

Terra führte uns zu der Hütte, durch die Bloom wohl gegangen war. Als wir endlich ankamen, dauerte es auch nicht lange, da ging die Tür auf und eine abgehetzte Bloom kam heraus gestolpert.

Man spürte ganz deutlich ihre Angst, doch als wir ein Brüllen hörten richteten sich unsere Blicke auf die Tür, hinter der wir eine Art Lagerraum sahen.

In der Mitte stand Miss Dowling. Sie kämpfte gegen etwas. Irgendein... Ding.

War das so ein Verbrannter von dem Terra gesprochen hatte?

Ich erschauderte, als ein Gefühl durch mich rauschte, was ich nicht genau einordnen konnte. Aber es kam nicht von jemandem von uns, nein... es war dieses Ding. Und es machte mir Angst und ein leichtes Klingeln machte sich in meinen Ohren breit. Doch da fiel auch schon die Tür ins Schloss und plötzlich herrschte Stille.

Wie betäubt starrte ich auf das geschlossene Portal.

„Geht es dir gut?" hörte ich Aisha fragen. Erst dann bemerkte uns Bloom richtig, da ihr Blick die ganze Zeit auf die Tür gerichtet war.

„Ich glaube schon... was zum Teufel war das?" fragte sie uns mit ängstlichem Blick.

„Einer der Verbrannten, vermutlich" antwortete Terra, mein Blick schnellte zu ihr. Scheinbar war ich nicht die Einzige, der der Gedanke gekommen war.

„Wo ist Stella?"

„In der Schule", antwortete Aisha. „Wieso?"

„Weil das Ding da ihren Ring hat" sagte die Feuerfee benommen.

Das würde auf jeden Fall Ärger geben, da war ich mir sicher, und nach den Gesichtern der Anderen hatten sie denselben Gedanken.

Zusammen machten wir uns auf den Weg zurück ins Schloss. Die ganze Zeit sprach keiner ein Wort, wahrscheinlich, weil jeder für sich verdauen musste, dass es diese Verbrannten wirklich gab.

Langsam glaubte ich, zur falschen Zeit hier her gekommen zu sein.

„Die Direktorin wird sich um den Verbrannten kümmern, Bloom" versuchte Aisha nochmal ihr Glück, als wir wieder in der WG ankamen.

„Sie lässt ihn sicher nicht in der ersten Welt zurück, nur keine Sorge, deinen Eltern wird nichts passieren" hing sie noch dahinter und alle Blicke lagen auf Bloom.

Durch meine Magie spürte ich, dass es sie kaum beruhigte diese Worte zu hören, noch immer keimte Angst in ihr, zog sich unangenehm durch meine Eingeweide, doch ich konnte nicht zuordnen, was ihr Ursprung war.

Sie bedankte sich mit einem aufgezwungenen Lächeln bei Aisha und ging dann weiter in ihr Zimmer.

Auch wir anderen gingen dann in unsere Zimmer, schnell verschwand ich noch im Badezimmer und schlüpfte in eine kurze Hose und ein weites Shirt. Mit einem Blick in den Spiegel, stellte ich fest, dass ich unbedingt Schlaf brauchte. Ich fühlte mich müde und geschafft von dem Tag. Schnell kämmte ich meine langen schwarzen Haare, schminkte mich noch ab und flitzte dann wieder zurück ins Zimmer zu Terra, die noch ihre Pflanzen goss. Gerade als ich es mir in meinem Bett bequem gemacht hatte und die Augen schließen wollte passierte genau das, was ich dachte vermeiden zu können.

„Ich weiß, du willst deine Ruhe, und das kann ich voll verstehen. Aber... wir werden hier einige Zeit zusammen sein. Also..." ich setzte mich auf, als Terra kurz aufhörte zu reden, um kurz Luft zu holen. „Ich weiß, ich nerve schnell mit meiner Art, bin zu neugierig oder gebe viel zu viele unnötige Dinge von mir. Aber ich möchte, dass du dich hier wohlfühlst, also wenn ich etwas mache, was dir zu viel ist, dann sag es mir sofort und ich versuche mich zu bessern. Ich möchte wirklich gerne mit dir befreundet sein und will nichts falsch machen. Also wenn ich irgendwas für dich tun kann, um es dir leichter zu machen, dann lass es mich wissen."

Blinzelnd sah ich sie an.

Noch nie hatte sich jemand solche Gedanken gemacht, wie man mir näher sein konnte, ohne meine Emotionen zu reizen oder mich mit den eigenen zu überfluten.

Das war... so unfassbar nett.

Andererseits sollte es mich nicht überraschen.

Meine kurze Stille wertete Terra jedoch als Ablehnung ihrer Idee, obwohl ich einfach nur einen Moment brauchte, um ihre Geste zu verdauen.

„Oder auch nicht... Kein Ding" murmelte sie und drehte sich von mir weg.

Ich hatte sie mit meiner Stille verletzt. Das wollte ich doch gar nicht.

„Nein Terra, ich habe nicht geschwiegen, weil ich deine Idee schlecht finde. Ich finde sie sogar sehr nett von dir." sagte ich und schenkte ihr ein leichtes Lächeln als sie sich wieder zu mir drehte.

„Super, das freut mich". Ja, das spürte ich zu 100%, leicht musste ich lachen, legte mich dann aber wieder hin und drehte mich zur Wand.

„Gute Nacht, Terra", rief ich leise in den Raum als das letzte Licht erlosch. „Gute Nacht, Elena", kam die ebenso leise Antwort.

Mit einem leichten Lächeln wanderte ich dann ins Land der Träume und schlief die erste Nacht in einer vollkommen neuen Welt.

The Storm In The SilenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt